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Falling - Harry Styles
Lucienne
Eiskaltes Wasser umfängt mich, kaum, dass ich die Oberfläche durchbreche. Und trotzdem kommt mir der Sturz wie eine Ewigkeit vor. Wird nur vom Sinken abgelöst, das sich genauso anfühlt. Wie fallen und niemals aufschlagen. Und es hört nicht auf. Mein Fünftausend-Dollar-Kleid saugt sich gierig mit Wasser voll und zieht mich immer weiter in die Tiefe, als hätte es einen Pakt mit dem Fallen geschlossen. Als könnte es mich nicht schnell genug in die endlose Schwärze reißen. Als hätte jemand meine Füße in Beton gegossen, für all den Scheiß, den ich durchgezogen habe.
Und vielleicht habe ich das verdient.
Der Gedanke löscht alles andere aus. Lässt mich alles vergessen, weil er so verflucht endgültig scheint. Echt. Wahr. Und jeden Winkel ausfüllt. Ich weiß plötzlich nicht mehr, wie man schwimmt, ich weiß nicht, woher die Taubheit in meinem Körper kommt, ich weiß einfach gar nichts mehr. Der pochende Schmerz, der mich zuvor hat Punkte sehen lassen, verschwindet. Die Übelkeit verschwindet. Ich verschwinde, während ich immer weiter in Richtung Boden sinke. Das Einzige, was ich noch spüre, ist die Kälte, die mein Blut in flüssiges Eis verwandelt, und das Salz in meinen brennenden Augen. Ich halte sie offen, obwohl ich längst nichts mehr sehe. Es nichts mehr zu sehen gibt. Irgendwo schreit meine Lunge nach Luft, irgendwo bettelt mich mein Überlebensinstinkt darum an, zu kämpfen. Doch sie sind so leise. So lächerlich leise in der Wattewelt, die ihre Krallen immer tiefer in mich schlägt.
Verdient. Du hast das alles verdient, Holland Lucienne Presley.
Ich weiß es und sie wissen es auch. Sie wissen es alle. Kein Wunder, dass mir niemand hinterhergesprungen ist, um mich zu retten.
Nicht einmal er.
Nicht. Einmal. Er.
Womöglich hat er nach all den Jahren endlich eingesehen, was ich bin. Gift. Hübsch verpackt, funkelnd, golden und dennoch tödliches Gift .
»Lucie? Lucienne?« Jemand rüttelte sanft, aber bestimmt an meiner Schulter und zerriss ohne Vorwarnung die finsteren Bilder. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten, nach Luft zu schnappen, als ich die Lider öffnete und gegen das helle Licht blinzelte. Ich war nicht länger unter Wasser, ich war nicht länger dabei zu ertrinken. Ich war unzählige Meilen von dort entfernt mit anderen Menschen, beinahe in einem anderen Leben.
Ich war ein anderer Mensch geworden.
Es fehlte nicht mehr viel und ich hätte über meine eigenen Gedanken gelacht. Ein bitteres, freudloses Lachen, weil das auch nichts daran änderte, dass diese Erinnerung Realität war. Dass meine Augen brannten und dass kein Ort der Welt diesen Teil meiner Vergangenheit auslöschen würde. Ganz gleich, wie viel Abstand ich zwischen Boston und mich bringen mochte.
Auch wenn es Momente gab, in denen ich sie beinahe vergaß - die Realität. Holland Presley. Momente, die eine zweite Realität schufen, wie ich Ton nach meinen Vorstellungen formte.
Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich für immer in dieser zweiten Realität geblieben. Doch die Vergangenheit war schwer zu ignorieren. Besonders eine wie die, die in meinem Nacken lauerte.
»Lucie?«
Ich fuhr mir über das Gesicht und schaffte es endlich, durch die beißende Helligkeit hindurchzuschauen. Direkt in die besorgten Züge meiner Tante Rosalie, die in dem kalten Licht des Krankenhauszimmers deutlich älter als fünfundvierzig Jahre zu sein schien. Diese Wirkung hatte ich auf die Menschen, die mir am nächsten standen. Jemand sollte mir eine Medaille dafür verleihen. Oder mich für immer wegsperren.
Resolut schob ich diese Gedanken zur Seite, die sich wie zäher Teer in mir ausbreiteten. »Tut mir leid, was hast du gesagt?«
Ein mildes Lächeln teilte ihre Lippen. »Die Ärztin kommt gleich noch einmal mit den Entlassungspapieren und befreit dich von der Infusion. Dann können wir dieses Krankenhaus endlich verlassen.«
Ich nickte und senkte den Blick auf die Nadel, die noch immer in meiner rechten Ellenbeuge steckte. »Das klingt gut.«
Die ohnehin schon tiefen Furchen auf Rosalies Stirn wurden noch ein wenig tiefer. »Ich weiß, du möchtest nicht darüber reden, aber vielleicht . Kannst du mir zumindest sagen, ob etwas vorgefallen ist? Auf dem Campus meine ich? Gibt es jemanden, der dir Schwierigkeiten macht?«
Ehrlich erstaunt hob ich die Brauen. Die kleine Regung sandte einen scharfen Schmerz durch meinen brummenden Schädel. Gehirnerschütterungen waren ätzend, keine Frage. »Wie kommst du darauf?«
»Du hast niemanden sehen wollen, jeden weggeschickt. Dabei waren deine Freunde in den letzten vier Tagen ständig hier und haben nach dir gefragt.«
Sie haben nach Lucie gefragt, nicht nach mir. Aber das behielt ich für mich. Rosalie war großartig, einer der besten Menschen, die ich kannte, doch auch wenn sie mehr über mich wusste als die meisten anderen, würde sie es nicht begreifen. Ich begriff es ja selbst kaum.
»Ich wollte einfach nur nicht, dass sie mich so sehen«, gab ich leise zurück und knetete den Saum der strahlendweißen Bettdecke. Zumindest entsprach das der Wahrheit. »Es ist nichts auf dem Lakestone Campus vorgefallen, meine Freunde sind wundervoll, bloß .«
Rosalie legte eine Hand auf meine unruhigen Finger. »Ich verstehe schon.«
»Ach ja?«
Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter. »Ob du es glaubst oder nicht, in den eineinhalb Jahren, die du jetzt schon bei mir bist, habe ich das eine oder andere über dich gelernt, Lucie.«
Ich presste die Lippen aufeinander. »Ich würde sie verlieren. Wenn sie wüssten, wer ich bin, was ich getan habe . und das kann ich nicht, Rosa. Ich kann das einfach nicht.« Das Brennen in meinen Augen verwandelte sich in Tränen, die mir heiß und schwer über die Wangen liefen. Dann waren da plötzlich warme Arme, die mich in einen Kokon aus blumigem Parfum und frischem Brot hüllten, und einen Moment lang erlaubte ich mir, dem Druck in meiner Brust nachzugeben.
»Ach, Lucie«, wisperte Rosalie an meinem Ohr, »du wirst niemanden verlieren. Nicht deine Freunde und ganz sicher nicht mich. Du bist ein wunderbarer Mensch mit einem großen Herzen.«
»Ich fühle mich gerade überhaupt nicht wunderbar«, schniefte ich und sah Rosa an, als sie mich ein Stück von sich schob. »Ich komme mir dumm vor. Es war dumm, das zu tun, Rosa. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Wie ich meinen Freunden wieder in die Augen schauen soll.«
»Möchtest du mir nicht doch sagen, warum du an dem Abend diese Tabletten genommen hast?« Die Stimme meiner Tante war unglaublich sanft und trotzdem hallten ihre Worte viel zu laut in mir wider. Sie trafen auf Selbstverachtung, alte Bitterkeit, weil ich eigentlich geglaubt hatte, ich wäre durch damit. Besser als das. Wie sehr man sich doch irren konnte.
Ich wusste, dass Rosalie nicht lockerlassen würde, dafür lag ich ihr zu sehr am Herzen, und ich wusste auch, dass ich ihr eine Antwort schuldig war. Weit mehr als das. Doch als sich in diesem Augenblick die Tür öffnete, war ich einfach nur froh, noch ein wenig Aufschub zu bekommen. Um meine Gedanken zu sortieren und mir selbst darüber klar zu werden, was mich vor vier Tagen über die Kante gestoßen hatte.
»Mrs McCoy, Miss Presley, danke für Ihre Geduld.« Dr. Bellamy, eine junge Ärztin mit zusammengebundenen Braids und leuchtend weißem Kittel, kam herein und trat mit freundlicher Miene an mein Bett. »Normalerweise würde ich das Ihrer Krankenpflegerin überlassen, aber ehrlich gesagt hatte ich gehofft, noch einmal unter vier Augen mit Ihnen sprechen zu können, Miss Presley.«
Mein Hals wurde eng, als ich diesen ganz bestimmten Unterton raushörte. Da hätte es ihren vielsagenden Blick gar nicht mehr gebraucht. »Sprechen?«, quetschte ich heiser an dem Kloß in meiner Kehle vorbei und zuckte zusammen, als die Ärztin die Nadel herauszog und sofort Gaze auf die kleine Wunde drückte.
»Ja, ich würde es sehr begrüßen, wenn wir uns kurz unterhalten könnten. Es dauert wirklich nicht lange und danach können Sie direkt nach Hause. Ich kann mir vorstellen, dass Sie es nicht erwarten können, hier rauszukommen.« Dr. Bellamy gestattete sich ein kleines Lächeln und bedeutete mir, auf die Gaze zu drücken, die sie dann mit Tape fixierte.
»Ich kann so lange draußen vor der Tür warten«, bot Rosalie an, als ich nichts erwiderte und nur stur auf meine Hände schaute. Hätte ich gekonnt, wäre ich direkt...
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