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Seine Berühmtheit kam plötzlich, sozusagen über Nacht. Als er die Augen aufschlug, war er ein Superstar. Die Szene jubelte. Ein Ausnahmetalent! Und er hatte nicht einmal die Zeit, sich zu rasieren. So schnell ging alles. Er lag im Bett, noch halb im Schlaf, und - zapp! - hatte man ihm die Decke vom Leib gerissen. Eine Überrumpelung, mit der nicht zu rechnen gewesen war. Zwar hatte er sich einen gewissen Ruf als Autor erarbeitet. Seine Bücher waren gelesen worden. Das aber überstieg bei weitem seine Erwartungen. Im grellen Rampenlicht fühlte er sich nackt, und am liebsten wäre er zurück unter die Decke gekrochen. Doch egal, wie er sich dazu verhielt: Seinem Ruhm konnte er nicht entfliehen. Ganz im Gegenteil. Je bescheidener er auftrat, desto lauter wurde der Jubel. Der kleine Fukuda, hieß es, habe sich in die Reihe der Großen eingeschrieben. Sein Roman sei ein Meisterwerk - das Porträt einer beziehungsunfähigen Generation, die durch ihn eine Stimme bekommen habe. Und damit nicht genug. Man ging sogar so weit, von einem sogenannten Fukudaismus zu sprechen. Eine Wortschöpfung, die sich rasant verbreitete. Nach seiner Meinung dazu befragt, zuckte er lediglich mit den Schultern, was eine Woge der Begeisterung auslöste. Ein Intellektueller seines Rangs, der vorgab, nichts zu wissen! Man applaudierte ihm. Bravo! Er nahm es hin.
Im Verlag freilich herrschte Feierlaune, und sein Lektor, der all die Jahre mit ihm durch seichtes Wasser gedümpelt war, ließ prompt die Segel setzen. »Da muss was nach«, forderte er. »Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen! Und wenn es Gedichte sind, verstehst du? Von mir aus Einzeiler. Die werden sie uns aus der Hand fressen.« Er schmatzte. »Jetzt bloß nicht nachlassen, Mann!«
»Aber .«
»Irgendwas wird dir schon einfallen.«
Ihm blieb nichts übrig als gierig mitzuschmatzen, und ehe er sich versah, hatte er eine Sammlung fukudaistischer Betrachtungen fertiggestellt, die als Nachtrag zu seinem Roman mit fast noch hymnischerem Lob bedacht wurden. Der große Fukuda, hieß es, habe hier etwas geschaffen, was gerade in seiner Belanglosigkeit den Nerv der Zeit treffe, und es gab kaum einen, der sich dem nicht anschloss. Zwei, drei Kritiker, die ihn der Wiederholung bezichtigten, aber aus ihren Spitzfindigkeiten sprach klar der Neid. Die Mehrheit war sich einig. Ein Jahrhunderttalent!
Manchmal wunderte er sich. In seinem Roman mit dem Titel »Die Füchsin« hatte er eine seiner wenigen Liebschaften skizziert. Er war kein Mann, der viele Frauen anzog. Dazu fehlte ihm der nötige Sex-Appeal, und es genügte ihm auch vollkommen, wenn er alle paar Monate einmal einen Treffer landete, wobei sich daraus, seinem Naturell entsprechend, für gewöhnlich keine Beziehung entwickelte. Gerade das Unverbindliche hatte für ihn seinen eigenen Reiz. Mit knapp vierzig konnte er auf ein überschaubares Liebesleben zurückblicken. Keine Dramen. Nichts, was ihn - oder auch die Frauen - jemals umgeworfen hätte. Mit beiden Füßen auf dem Boden saß man einander gegenüber und beschloss sehr bald, schon nach den ersten Phrasen, keinen großartigen, dafür umso ehrlicheren Sex miteinander zu haben. Ein schlichtes Rein-Raus, dann war es erledigt, und wenn es hochkam, trank man am nächsten Morgen noch einen Kaffee zusammen, was sich im günstigsten Fall zwei, maximal drei Mal wiederholte. Ein Gefühl wie beim Laufengehen. Man läuft seine Route ab. Und es wäre wohl ewig so weitergegangen, wenn Kaoru, die Füchsin, nicht auf die Stopptaste gedrückt hätte.
Er lernte sie nicht wie die anderen Frauen über die Dating-App Pairs, sondern auf der Straße kennen. Eines Nachts war er ziemlich betrunken von einer Verlagsparty gekommen, und da saß sie, wie hingespuckt, unweit seiner Wohnung vor einem in voller Blüte stehenden Azaleenbusch und weinte so still und leise in sich hinein, dass er es fast überhört hätte. Eine Schönheit. So viel stand fest. Verschattete Augen, die ihren Teint noch heller machten. Normalerweise wäre er an ihr vorbeigegangen. Mit weinenden Schönheiten hatte er keine Erfahrung. Aber da war dieses Licht, eine einsame Straßenbeleuchtung, zugleich dieser Sog, der von ihren nicht enden wollenden Tränen ausging. Warum sie weinte, wollte er wissen. Sie hob ihr tränennasses Gesicht.
»Ja. Warum eigentlich?«
Eine Antwort, die ihn in ihrer Hilflosigkeit rührte, und ohne auch nur den hintersten Hintergedanken bot er ihr an, sich bei ihm zu Hause gründlich auszuweinen.
»Zum Weinen«, sagte er, »braucht es ein Dach über dem Kopf.«
Zu seiner Überraschung stand sie gleich auf und folgte ihm, der leicht torkelte, durch die tiefe, irgendwie unheimlich gewordene Nacht. In ihrem rötlich schimmernden Haar hatte sich eine der Blüten verfangen. Sobald er sich nach ihr umdrehte, sah er sie leuchten. Ein sattes Pink in der schwarzen Dunkelheit.
Irgendwie unheimlich. Rückblickend beschrieb das am besten, was nachher kam. Ein wochenlanges Glück, das er nie für möglich gehalten hätte, denn Kaoru blieb, einmal angekommen, und machte keine Anstalten, wieder zu gehen. Aus ihrer Tasche zauberte sie nacheinander eine Zahnbürste, ein kleines Handtuch, sogar Wechselkleidung samt Unterhöschen, und es bestand kein Grund, wenigstens fiel ihm keiner ein, sie davonzujagen. Sie störte durchaus nicht. Nachdem sie sich ausgeweint hatte, schlief sie mit ihm, und nachdem sie miteinander geschlafen hatten, bereitete sie ihm in der Küche eine einfache Mahlzeit zu. Das Geräusch der Gasflamme. Vom Bett aus klang es, als ob sie mit einem Streichholz ein paar Holzscheite angezündet hätte. Warm und gemütlich. Das Klappern von Geschirr. Es roch nach Pilzen - hatte er überhaupt welche im Kühlschrank gehabt? -, nach frischen Kräutern und Eiern. Wie sie das anstellte! Er war fassungslos. In kürzester Zeit stand ein perfekt gebratenes Omelett auf dem Tisch. Dazu reichte sie Brot und Wein. Alles Dinge, die sie aus ihrer Tasche gezaubert haben musste. Oder hatte er vergessen, dass er sie gekauft hatte? In seiner Betrunkenheit hielt er es für wahrscheinlich. Es kam öfter vor, dass er etwas kaufte, ohne sich später daran zu erinnern. Die geblümten Servietten aber sah er sicher zum ersten Mal.
»Und? Schmeckt es?«
Kaoru strahlte, als er kauend nickte. Sie selbst nahm nur einen Bissen zu sich. Vom Wein allerdings trank sie ausgiebig.
»Du bist eine Füchsin«, scherzte er, worauf sie erblasste und ihr Glas umklammerte. Weiß traten die Knöchel hervor. Einen Moment lang glaubte er, ihre Haut müsste platzen. Dann aber entspannte sich ihr Griff. Ihm war, als ob die Luft plötzlich spürbar leichter geworden wäre.
Anfangs hatte er seine Zweifel. Da war er, ein Autor ohne Sex-Appeal, der noch nie eine ernsthafte Beziehung geführt hatte, und da war sie, eine vom Himmel gefallene Schönheit, die sich mir nichts, dir nichts bei ihm eingenistet hatte. Einen schlechteren Roman hätte er nicht erfinden können. Aber wie es so ist: Beim Anblick ihrer Zahnbürste, wie sie brav neben seiner stand, breitete sich nach und nach ein Wohlgefühl in ihm aus, und dasselbe galt in noch größerem Maß für ihre Unterhöschen, die im Wind neben seinen Boxershorts flatterten. Ein Bild der Eintracht, das ihm den Atem nahm. So alltäglich war es. Das Bild einer Wäscheleine. Und er genoss es und hörte auf, es infrage zu stellen. Sein Glück war eben keines, das sich erklären ließ. Die Vormittage verbrachte er nach wie vor an seinem Schreibtisch, während Kaoru den Haushalt machte. Doch die meiste Zeit schrieb er nicht, sondern schaute ihr zu. Ihre Flinkheit! Sie betörte ihn. Wie sie mit einer schnellen, gleichzeitig formvollendeten Bewegung das Bettlaken aufschüttelte! Es ebenmäßig und glatt auf der Matratze zu liegen kam! Wieder war die Luft ein klein wenig leichter geworden, sodass ihn ein angenehmer Schwindel erfasste. Auf dem Bildschirm schwammen die Wörter. Lauter schwimmende Zeichen, die nichts bedeuteten. Wenn sein Lektor anrief, hob er nicht ab. Es gab keine Fortschritte zu vermelden. Und pünktlich zu Mittag klappte er den Laptop zu. Sie kochten gemeinsam. Es roch nach Wurzelgemüse und frisch gekochtem Reis. Ein Geruch wie Nebel auf einem Berg. Wo denn ihr Fuchsschwanz sei? Spaßeshalber tastete er danach. Von Kaorus Rücken aber baumelten lediglich die Bänder ihrer Schürze.
»Lass das«, wies sie ihn zurecht und schob ihn sanft zur Seite. Aus den Töpfen stieg heißer Dampf.
Sie redeten viel, vor allem im Bett, und sie konnten Stunden damit füllen, abwechselnd Sex zu haben und danach mit ausgestreckten Gliedern über dieses und jenes zu plaudern, wobei er es sorgsam vermied, das Gespräch auf ihre Vergangenheit zu bringen. Wozu auch? Sie war hier. Ihr Atem mischte sich mit seinem. Wenn er die Hand ausstreckte, berührte er ihre Brüste, die gerade jetzt, in diesem Dämmerlicht, von einer unbeschreiblichen Weichheit waren.
Manchmal weinte Kaoru, und er ließ sie, den Kopf auf seiner Schulter, so lange weinen, bis sie sich ausgeweint hatte. Sie zu trösten hatte keinen Sinn, denn sie schien nicht traurig zu sein. Ihre Tränen kamen meist ohne Anlass. Einfach so, mittendrin, begannen sie aus ihren schönen Augen zu fließen, und einfach so, mittendrin, versiegten sie. Ihr Weinen glich den Gezeiten, die einem fernen Mond gehorchten.
»Warum weinst du?«
Inzwischen war das zu einem geflügelten Wort geworden. Er lachte. Sie lächelte. Dann weinte sie wieder. Die Luft war so leicht, dass er davon zu...
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