Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Ach, Innsbruck. Innsbruck, ich muss dich lassen, ich fahr dahin mein Straßen, in fremde Land dahin, soll Kaiser Maximilian I. voll Schwermut gedichtet haben, vor lauter Elend, das ihn überkommen hat, weil er aus der Stadt raus hat müssen. Und man kann ihn schon verstehen, den selbst ernannten Letzten Ritter, wenn ringsum die Alpen in die Höhe ragen, dass es pompöser kaum noch geht, während man untenrum alles findet, was man zum Leben braucht, die Wälder, die Wiesen, den namensgebenden Fluss - und ja, die Stadt und die Menschen natürlich auch. Da will man ganz automatisch immer wieder zurückkommen, egal wie komisch die Leute reden mögen.
Als die Triebwerke der Maschine stillstehen, steigt der Arno aus und betritt nach kurzem Fußweg die Ankunftshalle, schreitet unbehelligt an Gepäckbändern und Zollkontrolle vorbei, und als sich die automatische Tür zur Halle öffnet, weiß er sofort, dass der Polizist, der da draußen auf der Sitzbank herumlümmelt, auf ihn wartet. Weil: Ein solcher Almöhi wie der kann auch nur aus einem Ort wie Stubenwald kommen, Uniform hin oder her.
»Inspektor Bussi?«, fragt er wie aufs Stichwort, streicht sich über den mächtigen, schneeweißen Schnauzer und steht auf, zuerst gebückt, dann langsam gerader. Jaja, es ist ein Kreuz mit dem Kreuz.
Der Arno nickt und reicht dem Kollegen die Hand. Dessen Gesicht ist so wettergegerbt, dass es wie ein braunes Lederstück ausschaut, und vor einem solchen Hintergrund leuchtet der Schnauzbart gleich noch viel mehr.
»Und Sie sind .?«, fragt der Arno, als er genug hat vom Händeschütteln.
»Franz.«
»Äh - Arno.«
»Ach so, nein, ja doch, äh«, stammelt der andere herum, wird rot und kratzt sich so verlegen unter der Schirmmütze, dass Meister Eder es auch nicht besser könnt, wobei sein ebenso schneeweißes wie volles Haar zum Vorschein kommt. Dann nimmt der Polizist Haltung an und sagt: »Bernhard Franz, Dienststelle Stubenwald. Aber wir können uns schon duzen.«
Der Arno nickt, weil's ihm sowieso lieber ist - die ständige Siezerei ist eine echte Plage in der Stadt. Er erinnert sich daran, den Namen des Kollegen in der Akte gesehen zu haben. Ein gewisser Inspektor B. Franz war der Polizist, der damals vorschnell von einem Unglücksfall alkoholischer Natur überzeugt war.
Erst jetzt fällt ihm der riesige Hund auf, der zu Füßen des Alten liegt, und da muss man kein Zoologe sein, sondern braucht sich bloß ein Schnapsfass um den Hals herumzudenken, um den Bernhardiner zu erkennen. Dieser schaut auf, mustert den Arno mit ähnlich schweren Augen wie sein Herrl und legt den Kopf auf den kühlen Steinboden des Flughafens zurück.
»Und das ist .?«, fragt der Arno und bückt sich zum Hund hinunter, die rechte Hand schon ausgefahren.
»Der Bernhard. Lawinenhund a. D. - aber Achtung, der .«, sagt's der andere Bernhard gerade noch rechtzeitig, weil der Hund schon nach ihm schnappt wie die Klapperschlange nach der Wüstenmaus. Dem Arno gelingt's mit Not, seine Finger aus dem mächtigen Maul zu ziehen, bevor die Zähne aufeinanderkrachen, und dann erschrickt er gleich noch einmal, weil ihn der Bernhard anbellt, einmal nur, aber so laut, dass gleich alles gesagt ist.
»Jaja, schon recht, Bernhard«, sagt der Polizist, bückt sich ebenfalls und reibt über Kopf und Körper des Hundes, dessen Haut sich so frei verschieben lässt, als sei sie gar nicht mit dem Darunter verbunden, und fast möcht man sich um ihn sorgen, weil: Man kennt das ja mit zu viel Zärtlichkeit, am Ende hat man den Pullover noch verkehrt herum an.
»Der tut nix«, meint der Bernhard, »aber wenn der keinen Schnee sieht . komm, auf!«, sagt der Bernhard zum Bernhard, und der Bern . ach, wem auch immer, der Arno geht einfach beiden hinterher.
Ein paar Minuten später haben sie Innsbruck hinter sich gelassen und fahren auf die Autobahn. Viel ist um diese Zeit nicht mehr los. Im Sommer schon gar nicht. In Wien merkt man jederzeit, dass man sich die Stadt und das Umland mit bald zwei Millionen Menschen teilt. Aber hier? Klappen die Gehsteige schneller hoch, als es dunkel wird.
Der Arno überlegt, was er sagen könnte. Dass weder der Bernhard auf dem Fahrersitz noch jener im Kofferraum die großen Redner sind, hat er schon am Flughafen gemerkt, aber jetzt wird ihm die Stille langsam unangenehm.
»Wie lang brauchen wir?«, fragt er, um das Schweigen zu brechen.
»Eine Dreiviertelstunde.«
Und Ende der Durchsage.
Längst liegen die Lichter der Stadt hinter ihnen und die Dunkelheit umhüllt sie ganz. Es wird stickig. Also lässt der Arno das Fenster einen Zentimeter herunter. Sofort räuspert sich der Fahrer, fast zeitgleich bellt auch der Hund, so laut, dass es in den Ohren klingelt, also Fenster wieder zu.
»Der Bernhard verträgt keine Zugluft.«
»Können wir wenigstens die Klimaanlage .«
»Zieht auch, leider.«
Und wieder Funkstille.
Eine Schweißperle rinnt seitlich an Arnos Auge vorbei. Er greift an einen Hemdknopf und versucht, sich Luft zuzufächern, aber das bringt keine Erleichterung. Vor ein paar Stunden wär er beim Qualtinger fast erfroren, und schon bahnt sich die nächste Klimakatastrophe an. Minute um Minute schlägt sein Herz schneller, der Schweiß dringt aus allen Poren und auch der Fahrer wischt sich jetzt über die Stirn. Es ist die reinste Brutkammer - aber Hauptsache, der Hund hat keine Zugluft. Jaja. Manch eine Mensch-Tier-Beziehung läuft über die Jahre ordentlich aus dem Ruder, und am Ende stellt man sich die Frage, wer da eigentlich wen an der Leine hat. Aber egal.
Irgendwann fahren sie von der Autobahn ab und in ein Tal hinein. Neben der gewundenen Straße verläuft ein Bach. Nix tät der Arno jetzt lieber, als hineinzusteigen, weil Bergbäche noch bei der größten Hitze eiskalt sind, gespeist von Gletschern oder Quellen, die so tief aus dem Gebirge kommen, dass sie kälter sind, als ein Tauchbecken nach der Sauna jemals sein könnte.
Der Hund fängt genüsslich zu schnarchen an, und auch über den Arno legt sich eine bleierne Schwere. Die Hitze zehrt an allem und jedem, auch am Fahrer, dessen Augenlider fast geschlossen sind, wie ein Seitenblick verrät.
»Wenn Sie . wenn du willst, kann ich auch fahren«, schlägt der Arno vor.
»Wieso?«
»Ich hab im Flieger schlafen können«, lügt er.
»Geht schon.«
Und wieder Schweigen im Wald.
Sie fahren und schwitzen und fahren. An einer Baustelle wird der Verkehr einspurig vorbeigeführt, natürlich haben sie Rot und müssen warten, auf wen auch immer, das letzte Auto ist ihnen vor zehn Minuten entgegengekommen. Der Arno starrt auf die Anzeige der Außentemperatur, die nicht unter die Dreißig-Grad-Marke fallen will. Wie heiß es im Inneren des Fahrzeugs ist, will er gar nicht wissen. Die reinste Tierquälerei ist das, nur eben umgekehrt. Wie aufs Stichwort jault Prinz Bernhard im Kofferraum genüsslich auf.
»Er träumt vom Schnee«, weiß der alte Polizist, lächelt versonnen und beschleunigt wieder.
Ein Schild verrät, dass sie noch zehn Kilometer vor sich haben. Die Talstraße ist nicht sonderlich steil. Stubenwald und der Lärchensee liegen kaum mehr als tausend Meter über dem Meeresspiegel, womit man eine kühle Nacht wohl vergessen kann. Der Arno hat einen Riesendurst.
Stubenwald: Acht Kilometer.
Er schaut nach links und merkt, dass der Fahrer jetzt noch müder dreinschaut als zuvor. Er fängt schon zu nicken an. Jaja. Das berüchtigte Senioren-Headbanging, und am Ende Kopf im Airbag und Wagen auf dem Dach.
»Wo bin ich untergebracht?«, fragt der Arno lauter als nötig. Er merkt, wie der Polizeikollege erschrickt und erst einmal sein Betriebssystem neu starten muss, bevor er antworten kann.
»Ich soll dich nur holen kommen und nach Stubenwald bringen. Hat man dir nix von Wien aus organisiert?«, fragt der Bernhard unerwartet wortreich.
»Äh . nein?«
»Na dann . weiß ich auch nicht.«
»In der Wache vielleicht?«, schlägt er in Erinnerung an seinen letzten Einsatz in Tirol vor, wo er ein ganzes Polizeihaus für sich allein gehabt hat.
»Viel zu klein.«
»Irgendwo gibt's sicher was«, meint der Arno und stellt sich vor, wie er sich gleich als Erstes unter die Dusche stellt und kalt, eiskalt .
»Darauf tät ich nicht wetten«, holt ihn der Bernhard postwendend auf den Boden der Tatsachen zurück.
»Der Rosswirt ist zu.«
»Wieso zu?«, muss er gleich noch mal fragen.
»Sommer.«
Stubenwald: Fünf Kilometer.
Jaja, der Sommer, der ist noch so eine Tiroler Spezialität. Der Tourismusmotor läuft zwar auf Höchstdrehzahl, aber halt ein bissl arg unwuchtig. Halligalli im Winter und im restlichen Dreivierteljahr fast nichts. Dabei ist der Sommer in Tirol noch viel schöner als der Winter, und schneefrei obendrein! Aber vielleicht ist's ganz gut, wenn sich das nicht so schnell herumspricht, weil: Wenn sich die Skilehrer auch im Sommer um die Touristen kümmern müssen, wer soll dann die ganzen Bagger fahren?
Um Punkt elf am Abend hat das Martyrium ein Ende. Sie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.