Schweitzer Fachinformationen
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Die klassischen Sinne
Die klassischen Sinne eines Menschen nutzen die klassischen Signale aus, die jede Person tagtäglich aus ihrer Umwelt empfängt und die ihr zur Orientierung dienen und Lust aufs Leben machen – das Licht, der Schall, der Duft, das Essen und die Berührungen, die dank der Haut vermittelt werden. Wer morgens erwacht, spürt vielleicht zunächst noch die wohlige Kuschelwärme der Bettdecke, bevor er oder sie mit den sich behutsam öffnenden Augen das lockende Licht der ersten Sonnenstrahlen wahrnimmt. Anschließend hört sie oder er mit den die ganze Nacht offenen und jetzt aufmerksam lauschenden Ohren ein hoffentlich freundliches »Guten Morgen«, und danach dauert es in vielen Fällen nicht mehr lange, bis zum Beispiel der Kaffeeduft mit seinem Aroma die Zimmer durchströmt und die Nase erreicht, was das Gehirn unmittelbar anspricht und den Sinnesempfänger bald zum Gang an den Frühstückstisch lockt, an dem der Geschmack auf seine Kosten kommt, wenn etwa ein Brot mit Marmelade oder ein Müsli mit Früchten angeboten und angenommen werden, wobei die Nase dadurch mitmacht, dass der Weg der Speise in den Mund nicht an ihr vorbeikommt.
Mit anderen Worten: Kaum wach, öffnen sich die Menschen für eine Welt voller Sinneserlebnisse, auf die viele von ihnen schon warten, und zwar meistens voller Freude. Mit den Sinnen und ihren Organen nehmen Menschen an der sie umgebenden und sie nährenden Welt teil. Sie empfangen die Signale der sie einhüllenden Wirklichkeit mit körpereigenen Bausteinen, die in der Fachwelt Rezeptoren heißen, was seinen sachlichen Klang verliert, sobald dafür Empfänger gesagt wird und man sich daran erinnert, dass Menschen ihren Gästen gerne einen begeisternden Empfang bereiten. In diesem Fall sind es die Signale der äußeren Welt, die als Gäste zu den Menschen kommen, und auf den folgenden Seiten sollen die Wege verfolgt werden, auf denen sie in die Innenräume gelangen, um hier zu dem bewussten Erleben zu werden, an dem Menschen ihre Freude haben. Am Anfang steht dabei – wie es sich gehört, weil Aristoteles dies meint und weil es aus der Schöpfungsgeschichte so bekannt ist – das Licht, das in die Augen gelangt, und zwar merkwürdigerweise dort, wo auf den ersten Blick ein schwarzer Punkt zu sein scheint. Wie wird es hell im Kopf eines Menschen?
1. Licht auf dem Weg zum Sehen
Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Turme geschworen,
gefällt mir die Welt.
Ich blick in die Ferne,
Ich seh in der Näh
Den Mond und die Sterne,
den Wald und das Reh.
So seh ich in allen
Die ewige Zier,
Und wie mir’s gefallen,
Gefall ich auch mir.
Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehn,
Es sei, wie es wolle,
Es war doch so schön.
Lynkeus der Türmer in Goethes Faust, der Tragödie zweiter Teil, Fünfter Akt, »Tiefe Nacht«
Die Fensterlein zur Welt
»Junge, halt die Augen offen« – diesen Rat meiner Mutter, der mich in die Welt hinausführen sollte, habe ich wohl eine gefühlte Million Mal mit auf den Weg bekommen. Und wenn der mahnende Satz in seiner direkten Bedeutung auch jedem bekannt ist und einigen vielleicht schon zu den Ohren herauskommt, so steckt in ihm doch ein Hinweis auf eine eigentümliche Besonderheit des Sehsinns. Sie besteht darin, dass man ihn abstellen und seine Augen tatsächlich schließen und vor ungewünschtem Lichteinfall schützen kann. Man muss dazu nur seine Augenlider zuklappen, und schon werden die menschlichen Fensterlein zur Welt geschlossen, nicht nur, wenn es Nacht wird und ans Schlafen gehen soll, sondern auch manchmal, wenn das Elend der Welt nicht mehr mit anzusehen ist und man sich am liebsten in sich selbst zurückziehen und gelassen meditieren möchte.
Ein Auge weist erstaunlich viele Details auf, von denen einige im Text angesprochen werden. Eher langweilig scheint der Glaskörper zu sein, der dem Sinnesorgan seine kugelige Form gibt. Aber der Name täuscht über eine Besonderheit hinweg, nämlich die, dass alles, was im Leben allgemein und also auch im Auge vorhanden ist, aus Zellen besteht – was im Fall des Glaskörpers heißt, dass er aus durchsichtigen Zellen zusammengesetzt ist. Das Licht tritt durch die Pupille ein, wird durch eine Linse gelenkt, dort gebündelt und auf die Netzhaut weitergeleitet. Diese erledigt mit ihren Zellen und den darin befindlichen Bauteilen (Molekülen) die Aufgabe, aus dem physikalischen Signal der Außenwelt ein elektrisches Signal für die Innenwelt zu schaffen, das den Weg ins Gehirn findet und dort das Sehen ermöglicht, mit dem Menschen die Welt erfahren und an ihr Gefallen finden – wie der Türmer in Goethes Faust.
1 Das menschliche Auge
»Wenn ich an das menschliche Auge denke, bekomme ich Fieber«, hat Charles Darwin einmal gemeint, als er sich die Aufgabe vorstellte, erklären zu müssen, wie das Organ des Sehens mit seinen vielen Teilen im Verlauf der Evolution entstehen konnte. Die gezeigten und im Text erwähnten Strukturen können nicht in einem Schritt entstanden sein, und jede muss einzeln in ihrem Träger für einen Vorteil sorgen. Am wichtigsten sind die Zellen der Netzhaut, in denen die Lichtempfänger sitzen und von der aus der Sehnerv zum Gehirn zieht. Mit der Pupille lässt sich die Menge an Licht regeln, die ins Auge gelangt.
Noch einmal zum Thema Lichtdurchlässigkeit: Es trifft auch für die Linse zu, in der ebenfalls weder Glas noch Kunststoff, sondern Zellen zu finden sind, die im Gegensatz etwa zu Haut- und Haarzellen so angelegt sein müssen, dass sie lichtdurchlässig – also unsichtbar – erscheinen. Die Linsenzellen bekommen diese Eigenschaft durch Proteine (Genprodukte), die aus historischen Gründen »Kristalline« genannt werden. Wenn sie milliardenfach vorhanden sind, ballen sie sich zu Fasern zusammen, und in dieser Form verleihen sie den Linsenzellen die Eigenschaften, die jene am Eingang des Auges benötigen.
Wer mit Leib und Seele Wissenschaftler ist und ein Thema sucht, das für ein Leben und darüber hinaus reicht, könnte allein bei diesen Kristallinen fündig werden, so randständig ihre Aufgabe in dem ganzen Vorgang des Sehens erscheint, da das Licht bislang nur durchgelassen wurde und noch nicht angekommen ist. Wie viele verschiedene Fragen für die Forschung tun sich bereits hier auf:
Auf der Ebene der Physik die Frage, wie das Licht die Fasern aus Kristallin übersehen und ungestört durcheilen kann. (Allgemeiner gefragt: Was zeichnet Strukturen wie Glas aus, die fest und durchsichtig sind?) Auf der Ebene der Chemie die Frage, wie sich die Kristalline so ordnen können, dass Fasern entstehen und den Linsen neben der Transparenz auch die Form verpassen, mit der sie Licht sammeln und fokussieren können. Auf der Ebene der Zellbiologie die Frage, wie Zellen dazu gebracht werden, sich mit Kristallinen zu füllen und andere Proteine loszuwerden. Und auf der Ebene der Molekularbiologie die Frage, wie diese Makromoleküle überhaupt entstehen und angefertigt werden.
Wohlgemerkt: Mit Ohren, Nasen und den anderen Sinnesorganen geht das Abschalten und Abwenden entweder nicht oder nur mit mehr oder weniger mühsamen künstlichen Hilfen wie Ohrenstöpsel oder Nasenklemmen. So zeigt selbst diese natürliche Schließfähigkeit der Augen das Außergewöhnliche des Sehsinns, den in der Antike bereits Aristoteles ausgesondert hat und den die Naturforschung im 19. Jahrhundert immer noch höher als alle anderen sensorischen Fähigkeiten einschätzte. Es muss daher nicht verwundern, dass sich im Lauf der abendländische Geschichte mehr Wissenschaftler um das Sehen und die dazugehörige Verarbeitung der visuellen Reize als um andere Sinnesqualitäten gekümmert haben, was die Frage, womit eine Darstellung der fünf als klassisch zu betrachtenden Sinne des Menschen beginnen sollte, von selbst beantwortet: mit dem Öffnen der Augen und dem damit möglichen Sehen von Licht natürlich. An seinem Beispiel können auch einige allgemein nützliche Konzepte vorgestellt werden, mit denen das sinnliche Vermögen von Menschen im Rahmen der Naturwissenschaften erkundet wird, und mit einem von ihnen wird die Erzählung im folgenden Abschnitt begonnen.
Die Kette der Signale
Wer die Abläufe, die zum sinnlichen Erleben und in diesem ersten Fall zum Sehen führen, verstehen will, ist gut beraten, den Weg des Reizes – an dieser Stelle des Lichts – von dem betrachteten Gegenstand über das Sinnesorgan im Allgemeinen – und zunächst das Auge im Besonderen – ins Gehirn Schritt für Schritt zu verfolgen und die einzelnen Stufen zu betrachten und zu beschreiben. Tatsächlich orientieren sich die Vertreter verschiedener Disziplinen der Wissenschaft bei allen ins Visier genommenen Sinnen an diesem einheitlichen Konzept, zumindest vom Grundsatz her und ohne es explizit zu benennen. Es geht ihnen durchgehend darum, wie sich die Kette der Signale erfassen lässt, die beim Zustandekommen von Sinnesleistungen geschmiedet wird und zuletzt im Gehirn zum Ziel der Wahrnehmung führt (siehe Abbildung 2).
2 Die Kette der Signale beim Sehen
Übrigens – die Gemeinde der an biologischen Prozessen mit Sinncharakter orientierten Wissenschaftler ist deshalb von der Existenz einer Signalkette überzeugt, weil die Forscher beim Funktionieren der Welt viele Kausalitäten mehr oder weniger ununterbrochen am Werk sehen. Sie betrachten es demnach als ihre Aufgabe, die jeweils tätigen und treibenden Ursachen herauszuarbeiten. Es geht insbesondere darum zu erkunden, wie bei diesen Weiterleitungen jeweils Energie übertragen...
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