Schweitzer Fachinformationen
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Ich stand auf dem kleinen steilen Sträßchen, das nach oben in den Wald führte, und sah dem in Richtung Wald rasenden großen Citroën nach. Er hatte mindestens hundert Sachen drauf und war voll gepackt mit jungen Leuten. Die Fenster waren trotz der Kühle offen, sodass die dröhnende Musik bis hinunter ins Dörfchen zu hören war. Wieder einmal eine Gruppe von Parisern, die in den Vogesen ein paar Tage Ferien in dem allein stehenden Haus droben im Wald machten. Unser Bauernhaus, 150 Meter oberhalb des Dorfes gelegen, war das letzte vor dem Waldrand. Das Sträßchen verlief durch unser Land, man musste es überqueren, um Wasser aus dem Brunnen gegenüber zu holen. Und in diesem Jahr war während der Feriensaison jeder Schritt aus dem Haus und auf das gegenüberliegende Grundstück zum Risiko für Mensch und Tier geworden. Unser Hund und unsere Katzen lebten gefährlich, seitdem ein im Elsass lebendes Rentnerehepaar das verlassene Haus dort droben gekauft und über die Saison an Urlauber aus der Großstadt vermietet hatte. Es kamen so gut wie ausschließlich Gruppen von Jugendlichen, denen die abgelegene Lage des Waldbauernhofes so richtig in den Kram passte, um für ein paar Tage sozusagen die Sau herauszulassen. Wir planten damals bereits den Umzug nach Italien, und die Verkaufschancen während des Sommers wurden bei der Unruhe, welche diese Typen aus Paris veranstalteten, quasi zum Risiko. Ich stand also da und blickte frustriert und hilflos der entschwindenden Staubwolke nach. Ich ließ zu, dass sekundenlang die ganze Misere der Situation in mir aufloderte, ohne dass ich Widerstand dagegen leistete oder nach Lösungen verlangte.
Was ich hier erzähle, geschah an einem Sonntagmorgen. Am nächsten Tag waren die Wochenendurlauber wieder zurück in die Stadt gereist. Ich machte mich mit dem Hund auf den Weg zum täglichen Spaziergang hinauf in den Wald. Als ich das fragliche Haus erreichte, stand dort auf dem Vorplatz ein Auto mit aufgeklappter Kofferraumhaube. Zwei ältere Leutchen trugen Sachen aus dem Haus und luden sie in ihren Wagen. Ich trat näher und begrüßte sie - man kannte sich vom gelegentlichen Sehen.
«Was machen Sie denn da?», fragte ich und bekam von beiden einen empörten Wortschwall zur Antwort.
«Wir packen ein, weil wir das Haus verkaufen werden», sagte die Frau.
«Mit diesen Typen aus Paris ist es nicht mehr auszuhalten», redete der Mann dazwischen. «Die Letzten, die hier waren, haben uns, ohne zu zahlen, eine Telefonrechnung von 500 Franc hinterlassen, der Telefonapparat hat einen Riss, etliche Teller und Tassen liegen als Scherben auf dem Boden herum, das bessere Porzellan und alles Besteck sind verschwunden, die haben es wohl mitgenommen.»
«Ein Federbett ist aufgerissen», fuhr die Frau fort, «ich werde Tage brauchen, bis alles wieder sauber ist.»
«Haben Sie das Anwesen schon irgendwo angeboten?», erkundigte ich mich.
«Ja, wir haben, ehe wir herkamen, einen Makler beauftragt», sagte der Mann, «Aber der räumt dem alten Gemäuer wenig Chancen ein.»
Ich überlegte kurz. Dann fragte ich: «Was hielten Sie davon, wenn ich mich in Deutschland nach einem Käufer für Ihr Haus umsehen würde? Dann hätte ich einen gewissen Einfluss auf künftige Nachbarn.»
Die guten Leutchen stimmten auf der Stelle begeistert zu. Sie verrieten mir noch einen weiteren Grund für die Aufgabe des Objektes. Ursprünglich war die Anschaffung und Vermietung als Ergänzung ihres Renteneinkommens gedacht. Dann aber mussten sie bei der ersten Offenlegung ihrer Zusatzeinkünfte feststellen, dass man ihnen diese Beträge an der Rente kürzte. Sie sagten, selbstverständlich stehe mir eine Provision zu, falls mir der Verkauf gelinge. Ich nannte spontan zehn Prozent, erklärte aber, diese würde ich auf den Verkaufspreis ihrer Wahl aufschlagen. Man war einverstanden, und ich setzte meinen Spaziergang fort.
Ich gab in der nächsten erreichbaren Ausgabe der Gartenzeitschrift Kraut & Rüben eine Kleinanzeige auf und bot das Haus an. Es kam eine einzige Anfrage herein, von einer Frau aus Köln. Sie kam, sah - und kaufte. Ich bekam meine Provision bar auf die Hand. Die Frau erklärte, ihr Mann sei Invalide, sie müsse Vorrichtungen für Behinderte einbauen lassen, einen Treppenlift zum Beispiel. Sie blieb eine Woche vor Ort und schmiedete Pläne. Als sie schließlich abreiste, informierten wir vorsorglich bereits alle benötigten Handwerker, damit sie beim nächsten Aufenthalt der Käuferin bereitstanden. Doch dieser Aufenthalt fand nie statt. Die Frau kehrte nicht mehr an unseren Ort zurück. Das Haus stand still und verwaist dort oben und war noch unbewohnt, als wir anderthalb Jahre später nach Italien umzogen.
Als ich an diesem entscheidenden Sonntag den wilden Urlaubern nachblickte, rührte sich kein Wunsch in mir, eine höhere Macht möge sie bitte vom Erdboden vertilgen, und dies, wenn's geht, sofort. Ich empfand überhaupt kein Anliegen ans Schicksal, keine Visionen von einem für alle Zeiten von Pariser Jungbürgern gesäuberten Anwesen strömten durch mein genervtes Gehirn. Ich hatte einfach hingeschaut, dies aber mit jeder Faser meines Seins. Die Konzentration aller Sinne auf ein Problem, ohne den Versuch des Verstandes, es zu lösen, zählt zu den kraftvollsten Mitteln des Nichthandelns im Sinne der taoistischen Lebenskunst. Die Macht des Grundes der Dinge wirkt über das Medium der Beobachtung auf unser Leben ein. Sie ist nach meiner Erfahrung dort am wirksamsten und uns am nächsten, wo wir selbst ohne Chance wären, aus eigenen Kräften eine Situation zu verändern. Was ich hier schildere, habe ich in vielen anderen Szenarien in den verflossenen Jahrzehnten erlebt, und ich werde Ihnen noch davon berichten. Betont sei an dieser Stelle ausdrücklich: Es handelt sich bei Erfahrungen mit der in unser Leben hineinwirkenden Magie des Tao nicht um das Privileg von Auserwählten oder Menschen, die durch unvorstellbare Mühen einen Geisteszustand errungen haben, der ein derartiges Phänomen möglich macht. Mit Hilfe der Macht der Beobachtung werden Träume wahr, werden Lebensziele erreicht und Hindernisse aus dem Weg geräumt, die unser Wohlergehen bedrohen. Ich möchte behaupten, es hat in Ihrem Leben mehr als einmal Situationen gegeben, denen gegenüber Sie sich ähnlich verhalten haben, wie ich es oben beschrieben habe, und die sich anschließend auf wundersame Weise klärten. Nur war Ihnen nicht bewusst, dass Sie da, ohne es zu ahnen, die Wirkkräfte des Nichthandelns eingesetzt hatten. Für dieses Hinschauen gibt es freilich seitens des Tao keinen Garantieschein, dass es auf Kommando jedes Mal funktioniert, wenn Sie gerade in der Stimmung sind, davon Gebrauch zu machen. Insbesondere bleibt die Wirkung dort aus, wo eine Sache bereits mit einem Funken gesundem Menschenverstand zu lösen ist. Oder wo das Kontrastprogramm auf unserem Lebenspfad in bestimmten Situationen entschieden NEIN zu unseren Entscheidungen sagt. Ich würde mich betrogen fühlen, wenn mir ein Mensch oder eine höhere Macht die Gewissheit geben würde, dass meine Wünsche grundsätzlich erfüllt werden. Eine derartige Sicherheit wäre der Garant für ein auf einschläfernde Sicherheit reduziertes Lebensgefühl, dem alle prickelnde Würze des Ungewissen, Abenteuerlichen fehlt.
Beobachtung - wir können auch Aufmerksamkeit oder Achtsamkeit dazu sagen - ist ein wesentlicher Bestandteil der taoistischen Lebenskunst. Im Grunde ist die Wechselwirkung zwischen unserem Bewusstsein und der uns umgebenden Materie so beschaffen, dass wir nichts beobachten können, ohne dass es sich verändert. Ich möchte sogar behaupten, wir können noch nicht einmal verhindern, dass die Dinge sich durch unser Hinschauen verändern. Freilich mit einem feinen Unterschied: Der allergrößte Teil der vor unseren Sinnen ablaufenden Erscheinungen verändert sich unendlich langsam, sodass wir uns der Veränderungen, wenn überhaupt, nur durch Vergleiche bewusst werden, bei denen zwischen vorher und nachher kürzere oder längere Zeitspannen liegen. Die Bewegung der Zeiger einer Turmuhr mögen wir bereits nach fünf Minuten bemerken, das Aufbrechen einer Tulpenblüte fällt uns dagegen erst im Verlauf von drei bis vier Stunden auf. Die Herbstfärbung des Laubes der Bäume dauert Wochen, und wir bemerken die Veränderung erst, wenn die Wälder sich in ein gelbes, braunes und weinrotes Farbenmeer verwandelt haben. Dennoch: in Lebenslagen, wo Sie unter dem Druck von Sorgen und Nöten mit aller Intensität auf Ihr Problem schauen, wird nach meiner Erfahrung innerhalb einer kurzen Zeitspanne der Beginn einer Veränderung sichtbar werden. Das Gleiche gilt für die Realisierung Ihrer Träume und Pläne - soweit die Bilanz Ihres Glückshaushaltes JA dazu sagt. Die erträumten Dinge werden unweigerlich auf Sie zukommen.
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Es ist rund zweieinhalbtausend Jahre her, seitdem Laotse die vermutlich über fünftausend Jahre alten taoistischen Überlieferungen in seinem Tao te king zu einer in sich geschlossenen Philosophie zusammengefasst hat. Ihm standen einst keine wissenschaftlichen Resultate zur Verfügung, welche die Richtigkeit seiner Thesen bestätigten. Er selbst stellt in seinem Werk zweimal die Frage nach der Quelle seines Wissens: «Woher weiß ich aller Dinge Art?» - «Aus diesen selbst», antwortet er. Uns sind heute die Theorien bekannt, aber die Allgemeinheit realisiert kaum, dass wir in einer Welt leben, die in ihrer Grundstruktur anders beschaffen ist, als wir gelernt haben. Das Bild, mit dem wir tagtäglich unsere eigene Welt erleben, täuscht. Die Erde samt allen Sternen im Raum sind Gebilde, die zum größten Teil aus nichts, aus Leerräumen zwischen unsichtbar winzigen Energieteilchen bestehen....
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