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Die Revolutionen der Romantik und der Quantenmechanik
«Die wichtigste Grundannahme früherer Jahrhunderte ist die, dass es eine bestimmte Natur und Struktur der Dinge gebe, eine rerum natura. Aus der Sicht der Romantiker beruht dies auf einem tiefen Missverständnis. .
Es muss Platz zum Handeln geben. Das Potentielle ist wirklicher als das Konkrete.»
Isaiah Berlin, Die Wurzeln der Romantik
«Die heutige Wissenschaft ist an die Stelle gelangt, wo sie den von Aristoteles begonnenen Weg [das Mögliche zu erfassen], weitergehen kann. . Die nicht mehr klassische Naturwissenschaft [ist] zum ersten Mal eine wahre Theorie des Werdens.»
Wolfgang Pauli 1953 in einem Brief an C.G. Jung
In den 1920er Jahren machten sich Physikerinnen und Physiker auf den Weg zu den Atomen im Innersten der Welt. Um auf ihm voranzukommen und ihr Ziel im Auge zu behalten, mussten sie mutig und unerschrocken vorwärtsgehen und viele ungewöhnliche Entscheidungen treffen. Sie sahen sich gezwungen, ihr Verständnis des Wirklichen dramatisch umzugestalten und ihr gewohntes Weltbild vollkommen aufzugeben, ohne zu ahnen, welch ungeheure Folgen der von ihnen vollzogene Wandel langfristig sowohl für das Leben von Einzelnen als auch für das Überleben von Gesellschaften mit sich bringen sollte. Zu den Pionieren der erneuerten Physik gehörten die persönlichen und wissenschaftlichen Freunde Max Planck und Albert Einstein, die in den 1920er Jahren in Berlin lebten und dort zu ihrer großen Verwirrung zur Kenntnis nehmen mussten, dass die seit Jahrhunderten gefeierte Physik der alltäglichen Phänomene sie schnurstracks in die Irre führte, sobald sie versuchten, mit ihr die Atome, das von ihnen ausgestrahlte Licht und seine Energie zu verstehen. Einstein, Planck und die anderen fanden sich plötzlich und unerwartet in einer verrückten Situation wieder, in der sich viele Gewissheiten auflösten:
Während im 19. Jahrhundert noch stolz verkündet worden war, dass sich die Physik und die von ihr gelieferten Erklärungen der Bewegungen von Körpern am Himmel und auf Erden und damit die theoretische Erfassung der den Menschen vor Augen liegenden Welt ihrer Vollendung zu nähern schien, ließ das mit diesen Vorgaben errichtete und ehrfurchtgebietende Haus der Physik im frühen 20. Jahrhundert massive Risse in seinen Mauern erkennen. Der Boden, auf den man es gestellt hatte, begann zu schwanken, was bald dazu führte, dass die vertraute Mechanik des Alltags durch eine völlig neue und verrückte Theorie der Atome und der Materie erst ergänzt und dann ersetzt werden musste. Die schließlich in den 1920er Jahren ausgearbeitete Form der Wissenschaft feiert seitdem unter der Bezeichnung «Quantenmechanik» nicht nur erstaunliche wissenschaftliche Triumphe. Mit ihr als Grundlage können Menschen zudem eine Fülle von elektronischen Geräten aus Transistoren und Chips zusammensetzen und mit all ihren kommunikativen Möglichkeiten auf den Markt bringen, die das soziale Leben vollkommen verändern und einen beträchtlichen Anteil der Weltwirtschaftsleistung ausmachen. Doch bei aller Begeisterung für diese grandiose neue Physik mit ihren ungeheuren ökonomischen Folgen - über ihrer strahlenden Welt liegt unübersehbar ein philosophischer Schatten. Denn so paradox dies auch klingen mag: Während alle wissenschaftlichen Berechnungen zuverlässig die Ergebnisse sämtlicher Experimente präzise vorhersagen und die mit ihrer Hilfe konstruierten technischen Produkte wie iPhones prächtig funktionieren und sich noch besser verkaufen, bleiben die Ideen und Theorien der Quantenwelt selbst so unbegreiflich wie am ersten Tag ihres Erscheinens. Das Geheimnisvolle der Natur und der Dinge hat mit den neuen Einsichten der Wissenschaft nur zugenommen. Die Physik sorgt für eine Verzauberung der Welt sowohl durch ihre Erklärungen als auch durch die Produkte, die dank technischer Triumphe wie Magie wirken und wie von Zauberhand funktionieren.
Als die Physiker bemerkten, dass ein umfassendes Verständnis der atomaren Sphäre neben dem Finden von Naturgesetzen für diesen Weltinnenraum nach ungewohnten metaphysischen Überlegungen verlangte, meinten einige von ihren, die Theoretische Physik (mit großem T), die sie gerade erfunden hatten und entwickeln wollten, als Fortsetzung der Philosophie mit den Mitteln der Mathematik bezeichnen zu können. Die Sprache der Mathematik muss tatsächlich verwenden, wer das Verhalten von Atomen und noch kleineren Gebilden vorhersagen und für technische Anwendungen in den Griff bekommen möchte, und ihre schönsten Wendungen werden in diesem Buch aufgegriffen und angesprochen, weil sich mit ihrer Hilfe etwas Eigentümliches zeigen lässt, über das es sich wahrlich zu wundern lohnt. Gemeint ist die Tatsache, dass die Beschreibung der atomaren Sphäre nur mit Größen gelingt, die nicht aus dieser Welt sind und deshalb imaginär heißen. Die Realität im Innersten der Dinge erschließt sich mit mathematischen Symbolen, die es nur im Denken gibt und nirgendwo in der äußeren Wirklichkeit ihre Entsprechung finden. Großzügig ausgedrückt, erzwingt die Physik der Atome die Einbeziehung einer jenseitigen Welt oder von Transzendenz, auch wenn man so etwas eher im Bereich des Religiösen erwartet. Aber ein Wunder bleibt es trotzdem, und in diesem Buch wird erzählt, wie der Weg zu den Atomen durch solch eine unerwartete Grenzüberschreitung gefunden werden konnte. So kann auch verständlich werden, warum die Schöpfer der neuen Physik höchst emotional reagierten und sich verzweifelt und schockiert zeigten, als die Erklärungen der Natur immer geheimnisvoller wurden.
Zu der in den 1920er Jahren vorgeschlagenen und immer verrückter werdenden Theorie der Atome haben vor allem Wissenschaftler aus europäischen Ländern wie Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Holland, Italien, Österreich und Russland beigetragen, die sich ungehindert miteinander austauschen konnten, bis die Naziherrschaft nicht nur dieser Kultur ein abruptes und schlimmes Ende setzte. Solange die Physiker selbst und ihre Ideen noch frei zirkulieren konnten, lieferten sie mit der Quantentheorie ein Beispiel für die schöne historische These, dass sich weitreichende und große Fortschritte von Kulturen einem internationalen Austausch verdanken, wie er in diesem konkreten Fall der Atomphysik auf besondere Weise von Kopenhagen aus gepflegt wurde, wo die Erzählung auch ihren dramatischen Abschluss findet, als dort 1932 eine historische Faust-Parodie aufgeführt wurde, um Goethe an seinem hundertsten Todestag zu ehren.
Das Buch beschreibt, wie die Physiker im 20. Jahrhundert nicht zögerten, ihren Alltagsbereich zu verlassen und in das geheimnisumwitterte Innerste der materiellen Welt vorzudringen. Sie gerieten dabei in das Meer der Möglichkeiten hinein, für das die wirbelnden Atome dort sorgen. Wie sich zeigte, stellen sie und die zu ihnen gehörenden Elementarteilchen wie die Elektronen keine gewöhnlichen Körper oder Objekte mehr dar, wie sie Menschen im Alltag begegnen und die dabei als Kügelchen in die Hand genommen und beschaut werden können. Atome und ihre Teile - die elementaren Teilchen - bilden weniger ein Ensemble aus festen realen Dingen und mehr eine Sphäre aus dynamischen Möglichkeiten. Atome enthalten das Potential, die Erscheinungen des Wirklichen - die Phänomene - hervorzubringen und somit werden zu lassen, und zwar unentwegt. In ihrem Innersten zeigt sich die Welt vor allem als wirksame Energie voller Wandlungskünste, und das Ganze zeigt sich als Werden, das ebenso wenig an ein Ende kommen wird wie das Werden des Wissen, das sich dabei entwickelt. Alles ist im Fluss, wie bereits in der Antike spekuliert wurde und wie die Physik jetzt zeigen und mit ihren Mitteln genauer verfolgen kann. Es gibt nur Bewegung, im Wirklichen und im Wissen und Denken der Welt. Und überall hält die Energie mit ihren Wendefähigkeiten und Wandlungsmöglichkeiten das Geschehen in Gang.
Um die radikale Erneuerung der Naturbeschreibung im 20. Jahrhundert mit und von Atomen durch eine historische Einordnung verstehen und kulturphilosophisch einbetten zu können, versucht die hier präsentierte Darstellung sich bei einer anderen und älteren Revolution der Geistesgeschichte zu bedienen, die als Romantik berühmt geworden ist. Dies mag beim ersten Lesen überraschend klingen, wenn man bei diesem Begriff eher an märchenhaftes Geschehen mit himmelblauem Klingklang denkt und sich stirnrunzelnd fragt,...
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