Schweitzer Fachinformationen
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Die Wälder der Erde verkörpern den Reichtum dieses Planeten. Jeder einzelne Baum ist ein Inbegriff dieser unermesslichen Fülle. Zwischen Menschen und Bäumen bestand schon immer eine enge Beziehung. Es sind besonders die alten Bäume, die uns berühren. Sie sind - wie wir Menschen - Individuen mit Charakter und über ein soziales Netz miteinander verbunden. Zu diesen Baumriesen spüren wir eine geheimnisvolle Verbindung - eine Magie, der sich kaum jemand entziehen kann.
Eine über vier Jahrzehnte lange Freundschaft verbindet mich mit einer monumentalen alten Eiche, einer beeindruckenden Baumpersönlichkeit, die bereits rund vierhundert Jahre zählt. Man könnte sie sich daher gut in einem der Märchen der Gebrüder Grimm vorstellen. Ihr Stamm ist hohl und weist eine große, runde Öffnung auf. Als wir uns kennenlernten, setzte ich mich in die geräumige Aushöhlung ihres mächtigen Stammes und fühlte mich von ihr wohlwollend willkommen geheißen. Ich nannte sie »Vita«, nach dem lateinischen Wort für »Leben«, denn hier spürte ich den uralten und immer wieder neuen Herzschlag des Lebens.
Mir wurde klar, wie wenig ich von unseren einheimischen Bäumen wusste. Ich wollte mehr über sie erfahren, ihre Geschichten hören, ihre Botanik studieren, ihre Heilkraft kennenlernen. Ein Buch über Bäume, wie ich es mir wünschte, gab es damals nicht, und so fasste ich den Entschluss, es für mich selbst zu schreiben, mich auf die Spur der Bäume zu begeben und alles, was ich über sie lernte, festzuhalten. Ich unternahm eine Art Pilgerreise quer durch Deutschland, zu den alten, sagenumwobenen Baumriesen meines Heimatlandes, die mich unter anderem auch zu der erwähnten Eiche im märchenhaften Urwald nahe dem Dornröschenschloss Sababurg in Hessen führte. Nach drei Jahren des Forschens, Studierens und Reisens war ein Buch entstanden: Blätter von Bäumen. Legenden, Mythen, Heilanwendung und Betrachtung von einheimischen Bäumen. Es erschien 1980, hat bis heute über zwanzig, immer wieder aktualisierte Auflagen erfahren und inspiriert weiterhin Baumliebhaberinnen und -liebhaber.
Bei meinen Erkundungsreisen begegnete ich vermehrt kahlen Bäumen und kranken Wäldern. Ich sah sie bedroht, sah sie sterben und war beunruhigt. Der saure Regen hatte ihnen enorm geschadet; der einst grüne Wald zeigte braune Baumspitzen und ausgedehnte kahle Flächen. Zum Glück erfolgte eine heftige Reaktion aus der Bevölkerung, später auch aus der Politik, und die Ursachen des Waldsterbens konnten behoben werden: Industrieabgase wurden entschwefelt, sodass weniger Stickoxide in die Luft gelangten, sich in Schwefelsäure verwandeln konnten und die Böden sauer werden ließen. Die Abgase der Autos wurden durch den Einbau von Katalysatoren gereinigt. Diese wirksamen Filtersysteme bremsten das Waldsterben, und der Wald erholte sich zusehends. Er atmete auf - und ich ebenfalls.
Immer wieder besuchte ich Vita, meine alte Eichenfreundin. Mächtig, gesund und stark stand sie da, verharrte in scheinbar unbeugsamer Entschlossenheit und zeigte mit zunehmendem Alter mehr und mehr ihre Persönlichkeit. Wenn ich sie besuchte, legte ich meinen Kopf gerne an die Runzeln ihrer Rinde und spürte ihren kraftvollen Stamm. Das Alter schien sie nicht zu beeinträchtigen, ihre faltige Rinde sah immer gleich aus. Durch die Jahrzehnte hindurch schien sie äußerlich fast unverändert, während die Zeit sich mit feinen Falten in mein Gesicht einschrieb.
Nun werde ich zum zweiten Mal in meinem Leben Zeugin dessen, wie Bäume ums Überleben kämpfen, wie der Zustand der Wälder schlechter denn je ist, mehr noch als in den Achtzigerjahren. Ein zweites Mal schreibe ich ein Buch über diese wunderbaren Gewächse. Ich musste es tun, nicht zuletzt um mir selbst Mut und Hoffnung zu geben - und vielleicht auch Ihnen. Wieder bin ich mit der Zerstörung der Natur konfrontiert, dies besonders nach den Dürresommern in den Jahren 2018, 2019 und 2022. Wieder sehe ich kranke Bäume, sterbende, kahle Wälder. Ich blicke in geschwächte Baumbestände, sehe lichte Kronen und entdecke kaum mehr einen älteren gesunden Baum.
Dieses Mal jedoch ist das Waldsterben weltweit und in unvorstellbaren räumlichen und zeitlichen Dimensionen wirksam. Der Klimawandel hat das gesamte Ökosystem des Planeten in Mitleidenschaft gezogen, es zum Kippen gebracht. Die Wälder sind tiefgreifenden und schnellen Veränderungen ausgesetzt - in zwanzig bis dreißig Jahren wird unser Wald ganz anders aussehen. Die Klimakrise ist vor unserer Haustür angekommen, die Bedrohung greifbar nah. Die bedrückende Faktenlage zwingt uns dazu, unsere Sicht der Natur, unseren Glauben an die Unerschöpflichkeit der Ressourcen, an unbegrenztes Wachstum radikal zu überdenken und neu auszurichten.
Heute sterben auch alte Waldbestände. So reiste ich wieder zu meiner Eiche, um nachzusehen, wie es ihr geht. Schon von Weitem bemerkte ich, dass sie schwächelte. Es ging ihr schlechter, als ihre noch immer imposante Gestalt glauben machte. Um sie herum - mit einigem Abstand - kahle, abgestorbene Fichtenbestände. Mir blutete das Herz. Ich setzte mich ins Gras an ihrem Stamm und fühlte mein Entsetzen und meine Trauer.
Doch dann erinnerte ich mich daran, dass es damals, in den 1980er-Jahren, möglich war, das Waldsterben zu stoppen. Viele Fragen wirbelten mir durch den Kopf: Ist das auch heute wieder möglich? Können wir die Bäume, die Wälder retten - und damit unser eigenes Überleben sichern? Können wir den Lauf der Dinge aufhalten, wirksame Maßnahmen gegen den menschengemachten Klimawandel finden? Schaffen wir es, unseren Lebensstil zu ändern? Welche Rolle spielen die Bäume und die Wälder der Erde in diesem Prozess? Was bewirkt der Klimawandel beim Menschen, was bei den Bäumen, und in welcher Wechselwirkung stehen die beiden?
Erneut machte ich mich auf die Suche, recherchierte und sammelte diesmal Informationen, Fakten und Zusammenhänge über den Klimawandel. Ich befragte Expertinnen und Experten zu diesem Thema. Aus dem Wissen über Klimawandel, Wälder, Wind, Wetter, Wasserkreislauf und Klimabäume setzte sich allmählich ein Verständnis für die Ursachen des Waldsterbens zusammen. Davon werde ich im ersten Teil des Buches berichten.
Was mir dieses Mal Hoffnung gab und gibt, waren die vielen Begegnungen mit Menschen, die sich für den Erhalt der Wälder, der Natur einsetzen, die beispielsweise Aufforstungsprojekte in verschiedenen Ländern initiiert haben und darin mitarbeiten.
Meine Recherchen und Reisen führten mich diesmal nicht nur in die Wälder oder zu einzelnen Bäumen wie für mein erstes Baumbuch, sondern ich verbrachte auch viel Zeit in Städten, um die dortige Situation der Bäume zu studieren. Städte sind besonders vom Klimawandel betroffen. Fast unbemerkt von der Bevölkerung gedeihen hier schon viele der sogenannten Klimabäume - einige wurden gepflanzt, manche verbreiten sich auch von selbst. Diese Bäume sind gekommen, um zu bleiben. Das sind gute Nachrichten, die Hoffnung schenken. Das Leben kehrt beeindruckend schnell zurück. In den durch den Klimawandel zerstörten Waldgebieten wie auch in Nischen in den Metropolen wachsen und gedeihen neue ebenso wie einheimische Pflanzen - wenn wir sie lassen.
Zwanzig neue Baumarten, die in unseren Städten und teilweise auch in den Wäldern wachsen, stelle ich Ihnen in diesem Buch vor. Ich möchte Sie dazu inspirieren, ihren Geschichten zu lauschen, sie kennenzulernen, über ihre Fähigkeiten zu staunen, künftig bei ihnen stehen zu bleiben und sie zu bewundern. Vielleicht wird dies Ihre Wahrnehmung der Bäume, der Natur, der Stadt verändern, sie erweitern. Um die neuen Klimabäume auch in ihrer ursprünglichen Heimat kennenzulernen, führten mich meine Reisen nicht nur durch Zentraleuropa, sondern auf verschiedene Kontinente. Am Rand der Steppe in Rumänien stand ich unter mongolischen Linden, in Städten des Mittelmeergebiets genoss ich den Schatten der Zürgelbäume, in Nordamerika bewunderte ich Tulpenbäume, in Südamerika Palo-Santo-Bäume, in Island beobachtete ich große Aufforstungsprojekte, im Norden von Skandinavien bestürzten mich riesige, flächendeckende Kahlschläge und die Abholzung der alten Naturwälder der Rentiernomaden.
Seit Jahrtausenden sind wir durch uralte Verflechtungen mit den Bäumen verbunden, und wir werden es auch künftig sein. Ihre Wurzeln ragen tief in unser Leben. Darüber berichte ich im abschließenden Teil des Buches. Ich möchte zu konstruktivem Tun anregen, das dafür sorgt, dass die Natur, die Wälder und einzelne Bäume gewürdigt und geschützt werden. Ich möchte ermutigen und aufzeigen, dass jede Aktion dabei zählt und zugleich Hoffnung schenkt. Das letzte Kapitel des Buches fragt deshalb: »Was können wir tun?« und führt uns zu einigen Menschen, die sich für die Rettung der Wälder einsetzen und uns zu...
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