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Travel-Episoden vom Baltikum zum Baikalsee: Julia Finkernagel ist wieder auf der Reise ostwärts
Nach dem großen Erfolg von Ostwärts zieht es die Journalistin Julia Finkernagel in ihrem neuen Reisebericht nun noch weiter in den Osten. Mit Kamerateam, Rucksack und kleinem Budget ausgestattet, geht es zu neuen Abenteuern ins Baltikum, wo sie auf deutsche Geschichte, gelebte Utopie und eine Insel voller starker Frauen trifft. Zwischen Waldbrand und Weinbrand ist sie in Montenegro unterwegs und frostwärts geht es schließlich in den russischen Winter mit der Transsibirischen Eisenbahn. Von Moskau bis zum Baikalsee reist sie bisweilen stilecht wie eine Zarin. Mit an Bord: das Moskauer Sinfonieorchester, Unmengen an Kaviar und ein ganz kleines bisschen Wodka. Julia Finkernagel berichtet von ungeplanten Erlebnissen auf Reisen, über Fremde, die zu Freunden, und Pannen, die zu unvergesslichen Erinnerungen werden. Ihre gewitzten Reise-Stories sind das ideale Rezept gegen Fernweh!
Authentische Reise-Abenteuer: hautnahe Begegnungen mit Menschen und Kulturen
In ihren neuen Reise-Erzählungen führt uns Julia Finkernagel ins Baltikum nach Lettland, Litauen und Estland und trifft dort auf "Heimwehtourismus", die Sahara des Nordens und einen launigen Präsidenten. Wir werden Zeugen eines Schreckmoments, wenn an einem lettischen Bahnhof das Drehmaterial zurück bleibt und erfahren, dass sich die Männer im Team so gar nicht als echte Kerle entpuppen, wenn man nach der Sauna durch eine dünne Eisschicht in ein Fass springen muss. Außerdem findet Julia auf ihrer Reise heraus, dass in Montenegro Nichtraucher auch mal draußen bleiben müssen und erklärt, wie man am Baikalsee einen Drink "auf Eis" nimmt.
In ihrer unnachahmlichen Art berichtet Julia Finkernagel von ihren Erlebnissen und ist am Ende erstaunt, wie viele Reisen letztlich doch eine Reise sein können.
Mit Kloß im Hals in Krakau
Den Film Schindlers Liste habe ich drei- oder viermal gesehen und jedes Mal Rotz und Wasser geheult. Meine allgemeine Affinität zu Filmen lässt mich oft noch Tage nach dem Abspann auf der jeweiligen Geschichte herumkauen. Was ist wohl danach passiert, was wäre gewesen, wenn? Ich spinne sie weiter und speichere die Originalschauplätze auf meinem internen Reisewunschzettel. Bei Schindlers Liste ist aber noch mehr passiert: Aus irgendeinem Grund fühle ich mich dem ehemaligen mittel- und osteuropäischen jüdischen Leben emotional verbunden. Es interessiert mich und berührt mich. Ich fühle eine Art Grundschuld, obwohl ich gnädigerweise nicht in dieser Zeit gelebt habe. Ich habe Filme über jüdische Lebensgeschichten gesehen, Bücher gelesen, Museen besucht, war in Jerusalem in der Niemand-kann-je-wieder-glücklichwerden-Gedenkstätte Yad Vashem, aber ich hatte noch keinen Ort gefunden, an dem dieses frühere jüdische Leben tatsächlich greifbar wird. Oder anders gesagt, einen Platz, an dem ich erleben kann, wie sich damaliger jüdischer Alltag - und ich meine an dieser Stelle den »normalen« - angefühlt hat.
In Krakau gibt es diesen Ort, es ist der Stadtteil Kazimierz. Manch einer mag es kitschig finden (call me a wimp) - ich bin elektrisiert. Wir staunen uns durch die hübschen Gassen (Kopfsteinpflaster!), kommen an Synagogen und alten Bethäusern vorbei, sehen steinerne Davidsterne an den Hauswänden. In einem der Restaurants auf dem langgezogenen Szeroka-Platz gehen wir jüdisch essen, beobachten die vorbeilaufenden Menschen. Es sind viele Touristen darunter, viele ältere, einige mit jüdischem Hintergrund (was Tom, der gerne mal die Leute anquatscht, in Erfahrung bringt). Und wir stellen uns vor, wie das gewesen sein muss, als die Welt für diese besondere Gruppe Menschen noch in Ordnung war (oder zumindest halbwegs in Ordnung) und nur wenige ahnten, was auf sie zukommt.
In der Buchhandlung neben der Hohen Synagoge explodiert schließlich der Kloß in meinem Hals. Und zwar, weil auf einem Buchdeckel der Begriff »Stetl« steht. Dieses eine kleine Wort sorgt dafür, dass ich minutenlang ratlos und mit feuchten Augen Bücher von einem auf den anderen Haufen stapele und total verloren bin. Ich mag mich darüber nicht mit »meinen Männern« austauschen, weil ich das Gefühl gar nicht auszudrücken vermag - es spielt sich jenseits meines Sprachzentrums ab. Ich will auch auf keinen Fall hinübersehen, was die beiden jetzt gerade tun. (Hoffentlich filmen sie mich nicht.) Wahrscheinlich machen sie das gleiche wie ich, starren und schlucken. Sowohl Michael als auch Tom sind nämlich ebenfalls durchaus »rührbar« und in der Lage, ein Tränchen zu verdrücken, wenn sie von einer Welle der Empathie überrollt werden.
Kazimierz also. Als ich eine Woche vor Abreise noch einmal Schindlers Liste gesehen habe, kam beim Abspann in mir die Frage auf, ob von den »Schindlerjuden« noch welche leben könnten, und wenn ja, wo. Sind sie nach Israel gegangen und dort geblieben? Oder hatten sie Heimweh nach Europa und sind zurückgekommen? Die Online-Recherche bringt nicht viel zutage. Ich will das aber wissen und filmen. Und werde ausgerechnet in meinem Reiseführer fündig. Demnach führt in der Remuh-Synagoge ein Mitglied der Krakauer jüdischen Gemeinde Aufsicht, das selbst auf Schindlers Liste stehen soll. Also auf zur Synagoge. Die Ernüchterung kommt schnell, der gute Mann ist nämlich verreist. Wir erfragen daraufhin in unserem kleinen Hotel, wo die jüdische Gemeinde beheimatet ist, und filmen den gesamten Suchvorgang (das, was bei »Bitte melde Dich« oder »Vermisst« im Vorfeld gemacht wird).
Hierbei lerne ich zwei spitzenmäßige Nebeneffekte meiner vierwöchigen Dauerverkabelung kennen. Ich trage nämlich von früh bis spät ein kleines Ansteckmikrofon - unter Profis: die Funke. Diese klemme ich mir jeden Morgen im Ausschnitt fest. Das daran hängende Kabel mündet nach einer Irrfahrt um meinen Oberkörper in ein zigarettenpäckchengroßes Funkgerät, das wiederum in meiner hinteren Hosentasche steckt. Ein baugleiches zigarettengroßes Päckchen (das »baugleich« nehme ich an, es sieht jedenfalls genauso aus) ist auf die Kamera geschraubt.
Zum einen landet so der von mir kontinuierlich produzierte Schall auf magische Weise (Funk eben) an Michaels Kamera, beziehungsweise über ein weiteres Kabel in seinen Kopfhörern. Wenn ich - was vorkommt - ohne Ansage herzhaft niese oder ein Taxi rufe, kann es passieren, dass Michael schmerzverzerrt zusammenzuckt, weil er mich mordsmäßig verstärkt auf die Lauscher bekommt. Ich könnte mich auch mit einem Megafon an sein Ohr stellen und reinbrüllen.
Der zweite Effekt ist allerdings noch cooler. Den lerne ich kennen, als ich aus dem Gebäude der jüdischen Gemeinde herausstürme, um ihm freudig mitzuteilen, dass wir willkommen sind. Schon auf halber Strecke pralle ich jedoch mit der Kamera zusammen.
»Aber wir haben doch ausgemacht, dass ich erst frage, ob wir drehen dürfen!« (Julia hat gerne die Kontrolle über das Geschehen, wenn sie nervlich angespannt ist.)
»Dürfen wir doch«, sagt Michael (der ebenfalls in Stresssituationen ungern die Fäden aus der Hand gibt).
Ich gucke verständnislos.
Er tippt auf seine Kopfhörer, grinst und sagt: »Ich höre dich, Julia«. Dann, etwas leiser (ich will nicht sagen, gequält): »Die ganze Zeit«. Oh. Die Funke.
Vom hilfsbereiten Herrn Russek aus der jüdischen Gemeinde erfahren wir, dass es noch genau zwei überlebende Schindlerjuden in Krakau gibt. »Schindlerjude« ist die selbst gewählte und eher nüchterne Bezeichnung für diejenigen tausend Menschen, die der deutsche Fabrikant Oskar Schindler vor dem sicheren Tod im Konzentrationslager bewahrte, indem er sie im Herbst 1944 für seine Munitionsfabrik im tschechischen Brünnlitz »kaufte«. Ein Krakauer Medizin-Professor hat über Jahre hinweg aus Interviews mit Überlebenden, von denen viele seine Patienten waren, ein Buch über Oskar Schindler geschrieben. Diesen Arzt ruft Herr Russek an, und kurz darauf sitze ich erst im Wartezimmer der Praxis von Professor Skotnicki und dann in seinem Professorenzimmer, das aussieht wie eine unaufgeräumte Bibliothek. Überaus charmant, der Herr Professor, muss ich schon sagen, auch mit sechzig noch durchaus ein Frauentyp. Er öffnet mir sein Herz und kurz darauf die Tür zum Patientenzimmer von Stella Müller-Madej.
Es ist ein bewegender Moment. Ich bin aufgeregt und will das auf keinen Fall vermasseln. Ihr jetzt bloß nicht irgendwie zu nahe treten, denke ich. Oder allzu begeistert sein, dass wir sie sehen können - »Begeisterung« ist bei dem Thema vielleicht nicht angezeigt. Ich bin aber begeistert. Frau Stella (so sagen das die Polen, ich bin hier Frau Julia) ist zwar etwas klapprig, aber wahnsinnig freundlich und spricht prima deutsch. Die kleine Frau sitzt in einem Krankenhaus-Rollstuhl und stützt den Kopf in eine Hand. Sie hat schüttere kurze, dunkle Haare, lebendige braune Augen und ein warmes Lächeln. Sie erzählt bereitwillig und strahlt sogar richtig, als wir auf Oskar Schindler kommen.
Ihre Geschichte ist live ebenso dramatisch, wie ich sie aus dem Film kenne. Stella Müller (später Müller-Madej) ist Nummer 169 auf Schindlers Liste. Sie berichtet nüchtern, dass sie in Auschwitz mehrmals durch die Tür der Gaskammer gehen musste und dann in letzter Minute zurückgepfiffen wurde. Mit vierzehn. Das sagt sie ganz ohne Bitterkeit, ohne sichtbaren oder spürbaren Groll, einfach so als Tatsache. Vielleicht hat sie das Thema »ausgefühlt« - ich bin ja nicht die Erste, mit der sie darüber spricht.
Schindler hatte Chuzpe, das muss man schon sagen. Im Epizentrum des Bösen noch auf dicke Hose zu machen und geschäftsmännisch auf »seine Arbeiterinnen« zu pochen. Er bezahlte für jede einzelne der Frauen und kaufte sie damit vor dem sicheren Tod in der Gaskammer frei. In Auschwitz hat Frau Stella Oskar Schindler zum ersten Mal gesehen und sagt, dass sie sofort wusste, wer das ist. Sie lächelt und erzählt mit ihrem reizenden Satzbau von diesem Moment. »Wir haben ihn nicht früher gesehen, aber wir haben absolut gewusst, DAS muss sein der Oskar Schindler. Und so ruhig hat er geredet: >Nu ja, jetzt wir gehen zu meiner Fabrik, und jetzt die alle Frauen sind meine.<« Sollte er das wirklich so gesagt haben, dann »Chapeau!« vor so viel Rest-Humor an derartigem Ort.
Frau Stella berichtet auch von dem Tag - später in der Fabrik in Brünnlitz -, als »seine« Fabrikarbeiter Oskar Schindler zum Geburtstag gratulierten und sagten: »Wir lieben dich alle, sei gesund!« Dass er da ein bisschen geweint habe. Ich recherchiere: Es muss sein 37. Geburtstag gewesen sein.
Wir führen kein übermäßig langes Interview. Es ist ja mein erstes überhaupt, und für so einen historischen Moment bin ich furchtbar schlecht vorbereitet. Hinterher werden mir noch tausend Fragen einfallen, die ich Stella gern gestellt hätte. Ich kann bei...
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