Schweitzer Fachinformationen
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Die Weihnachtsgeschenke
Mitternachtsgottesdienst
Das verzauberte Haus
Die Mummenschanz-Spieler
Das Gespenst von Killingly Hall
Spazzer traf Tookey im Park direkt am Nordeingang.
Sie verharrten dort eine Weile und vergewisserten sich, dass die Insassen der vorbeifahrenden Autos keine Notiz von ihnen nahmen, auch wenn es ziemlich unwahrscheinlich war, dass jemand in der Lage sein würde, sie zu erkennen, denn sie hatten sich an diesem Heiligabend dick mit Schals und Mützen vermummt. Sie beobachteten das Haus direkt gegenüber.
Es lag zurückgesetzt hinter einem Vorgarten und war durch eine doppelreihige Ligusterhecke von der Straße abgeschirmt, aber wie so viele andere Häuser um diese Jahreszeit war es hell erleuchtet: Abwechselnd blaue und gelbe Lichterketten schlängelten sich an den Dachvorsprüngen entlang, drei leuchtende Engel - weiß gewandete Putten mit Schwanenflügeln - standen wie die Teilnehmer einer Prozession auf der Spitze des Dachs. Tookey betrachtete sie beklommen aus der Finsternis des Parks.
»In diesem Teil der Stadt sind die Häuser ziemlich gut gesichert«, sagte er. »Hast du das Haus auch gut abgecheckt?«
»Hab es zwei Wochen lang ausgespäht«, erwiderte Spazzer. »Es gibt definitiv keine Alarmanlage.«
»Jedenfalls keine, die einem sofort ins Auge fällt.«
Spazzer kicherte. »Glaubst du vielleicht, die haben eine Standleitung zu den Bullen? Die Hütte sieht zwar ganz nobel aus, aber in der Millionärsmeile steht sie auch nicht gerade.«
»Und warum haben wir sie uns dann überhaupt ausgesucht?«
»Weil es ein Kinderspiel ist. Die Leute verlassen das Haus jeden Abend gegen sieben Uhr. Ich bin ihnen gestern gefolgt. Sie proben für ein Wohltätigkeitskonzert in der St. Aiden's. Das Konzert findet heute Abend statt, sie werden auf keinen Fall früh zurückkommen.«
Sie waren also Kirchgänger, dachte Tookey mit ungutem Gefühl. Und St. Aiden's? Die Kirche befand sich in einem Problemviertel der Stadt. Sie waren nicht nur Kirchgänger, sondern auch noch welche, die Geld für gute Zwecke sammelten.
»Aber weißt du was - es kommt noch besser!« Spazzer war groß und spindeldürr. Sein tätowiertes Gesicht verengte sich, und er grinste wie ein Frettchen. »Das Haus ist auch nach hinten und zu den Seiten von Bäumen abgeschirmt. Sobald wir auf dem Grundstück sind, kann uns niemand mehr sehen. Also - keine Alarmanlage und wir können uns Zeit lassen. Wie sieht's aus? Bereit zum Abräumen?«
Tookey war kleiner und im Vergleich zu Spazzer pummelig. Er hatte blasse, schneckenartige Züge und karottenrotes Haar, von dem zerzauste, fettige Fransen unter dem Rand seiner Wollmütze hervorlugten. Auf den ersten Blick sah er genauso abstoßend aus wie sein Kumpel, und er hatte auch mindestens genauso viel Zeit hinter Gittern verbracht wie dieser, aber bei dieser Sache hatte er einfach ein ungutes Gefühl.
»Na gut, dann ist es eben ein Kinderspiel«, sagte er. »Aber wenn es keine Millionärsvilla ist - was soll das Ganze dann?«
»Ich hab einen kurzen Blick durchs Wohnzimmerfenster geworfen«, erwiderte Spazzer. »So einen Geschenkeberg hast du in deinem Leben noch nicht gesehen.«
»Sind wir etwa hier, um Weihnachtsgeschenke mitgehen zu lassen?«
»Es müssen an die dreihundert sein. Und in so einer Gegend kannst du einen darauf lassen, dass es total hochwertiges Zeug ist. Jede Wette, dass da locker Geschenke im Wert von fünf Riesen rumliegen.«
»Wer wohnt denn da, Spaz?«
Spazzer kratzte sich an der Warze auf seiner Lippe. »Seltsam aussehende Vögel, wenn du mich fragst. Der Typ ist groß und hat dichtes graues Haar - sieht aus wie 'n Staubwedel. Die Frau ist jünger, in den Vierzigern vielleicht. Hat dunkles Haar, Riesentitten und einen knackigen Arsch.«
»Also nur ein Paar? Zwei Erwachsene?« Tookey klang hoffnungsvoll.
»Ne, die haben auch noch zwei Kinder. Einen Jungen und ein Mädchen. Rennen immer kreischend herum, wenn sie rauskommen und ins Auto steigen, bewerfen sich mit Schneebällen und so.«
»Kommst du dir dabei nicht ein bisschen mies vor . den Kids am Heiligen Abend die Geschenke zu klauen?«
Spazzer zuckte mit den Schultern. »Zahlt doch alles die Versicherung.«
»Wenn sie keine Alarmanlage haben, kann es sein, dass sie ziemliche Probleme kriegen werden, die Versicherung anzuzapfen.«
»Ist doch ihre Schuld, wenn sie keine haben, oder etwa nicht? Mensch, Took, diese reichen Wichser können sich doch jederzeit kaufen, was sie wollen.«
Tookey ließ seinen Blick wieder zu dem Haus wandern. Es sah anheimelnd festlich aus. Das Dach und die Tannen, die das Haus umgaben, waren mit Schnee bedeckt, von den Fenstern hingen Eiszapfen herab, aus dem rautenförmigen Fenster neben der Eingangstür fiel warmes Licht nach draußen. »Irgendwie kommt mir das einfach alles falsch vor, das ist alles.«
»Falsch? Wirst du jetzt ein Weichei?« Jetzt, da sein Kumpel seinen Plan kritisierte, wurde Spazzers Tonfall etwas schärfer. Schlaksig und ausgemergelt, wie er war, stellte er physisch keine Bedrohung dar. Aber er verfügte über gute Verbindungen. Er musste nur ein Wort fallen lassen, dass Tookeys Verlässlichkeit zu wünschen übrig lasse, und schon würde dieser ruck, zuck auf dem Trockenen sitzen.
»Liegt wohl an der weihnachtlichen Stimmung«, entgegnete Tookey.
»An der weihnachtlichen . was?«
»Stimmung . ich bin sicher, dass du davon schon mal gehört hast.«
»Na ja, hab 'ne vage Vorstellung . Warum hältst du nicht einfach die Klappe und überlässt mir das Grübeln?«
»Wie du meinst.«
»Hast du den Transporter mitgebracht?«
»Steht am Ende der Miry Lane, wie von dir gewünscht.«
»Plane drüber?«
»Ja, abgedeckt. So, wie es schneit, wird er aussehen, als ob er schon seit Stunden da steht.«
Spazzer schob die Hand ins Innere seiner Jacke. Das Rascheln von Plastik bestätigte ihm, dass sein eingewickeltes Werkzeug an Ort und Stelle war. »Na dann . auf geht's.«
Es war kurz vor einundzwanzig Uhr, und abgesehen von einem gelegentlich vorbeifahrenden Taxi herrschte kein Verkehr. Es schneite immer noch, der eisige Wind sorgte dafür, dass die Flocken diagonal hinabstoben. Alles - die Wege und Rasenflächen im Park sowie die Bürgersteige zu beiden Seiten der Straße - war mit einer beinahe zwanzig Zentimeter dicken Schneeschicht bedeckt. Spazzer und Tookey gingen vom Parkeingang schnurstracks über die Straße, die Hände in den Jackentaschen, die Köpfe gesenkt. Sie würden nur etwa fünf Sekunden lang auf der offenen Straße exponiert sein, was zwar ein Risiko darstellte, jedoch ein geringeres als unter normalen Umständen. Falls sie jemand sähe, würde er nur vage zwei dick eingemummte verschneite Gestalten ausmachen können. Das Ende der Zufahrt wurde zusätzlich zu dem grellen Lichterschmuck am Dach von einem Licht über dem Garagentor beleuchtet, das durch einen Bewegungsmelder aktiviert wurde. Aufgrund des heftigen Schneetreibens war das Licht lange vor Spazzers und Tookeys Eintreffen angegangen und würde auch weiterhin brennen. Aber wie Spazzer gesagt hatte, waren die Bäume neben und hinter dem Haus so hoch und standen so dicht beieinander, dass das Grundstück gut abgeschirmt war. Sie huschten in den engen Durchgang zwischen dem Haus und der Garage. Dort blieb Spazzer stehen und fummelte unter seiner Jacke nach seinem Werkzeug.
»Wie steigen wir ein?«, flüsterte Tookey.
Spazzer klopfte vorsichtig an ein Seitenfenster, dann setzte er seinen Meißel neben der Laibung an und brachte ihn durch mehrmaliges Wackeln und Drücken in Position. »Das Fenster führt direkt in die Diele.«
Tookey sah sich vorsichtig um. Am hinteren Ende des Weges, der seitlich am Haus vorbeiführte, befand sich ein zweites per Bewegungsmelder gesteuertes Licht, das den Garten hinter dem Haus beleuchtete. Der schmale Streifen, den Tookey von seinem Standpunkt aus sah, ließ eine ausgedehnte Rasenfläche erkennen, die an diesem Abend in eine verschneite weiße Wildnis verwandelt worden war und noch weiter hinten von einem schwarzen Geflecht aus blattlosen Ästen begrenzt wurde. Da er glaubte, dahinten etwas gehört zu haben, sah er genauer hin, fokussierte seinen Blick und versuchte, durch das Schneetreiben hindurch etwas erkennen zu können, sah jedoch nichts. Währenddessen begann Spazzer, mit seinem mit einem Lappen umwickelten Hammer auf den Meißel einzuschlagen. In dem Moment glaubte Tookey erneut, am Ende des Weges etwas gehört zu haben - und diesmal sah er es auch.
In seinem Sichtfeld war plötzlich eine riesige Silhouette aufgetaucht.
Um ein Haar hätte er losgeschrien. Wahrscheinlich hätte er tatsächlich geschrien, wenn Spazzer ihm nicht seine in einem Handschuh steckende Hand vor den Mund gepresst hätte. Sprachlos und ungläubig starrten sie zum Ende des Wegs, wo etwas hin und her hüpfte, das aussah wie ein riesiges Gummitier. Die Umrisse dieses Riesendings waren zunächst nicht besonders gut zu erkennen, weil es komplett weiß war, doch dann konnten sie die massigen, erhobenen Arme mitsamt den typisch gebogenen Tatzen und einen weit aufgerissenen, hellroten Mund ausmachen. »Ein Eisbär?«, flüsterte Tookey. »Ein verdammter Eisbär!« Das Monstrum, das mindestens zwei Meter zehn groß war, blockierte das Ende des Weges komplett, aber es wankte immer noch hin und her, als ob es im Einklang mit den Schneewirbeln sein Gewicht verlagerte. »Sag mir bitte, dass das Ding aufblasbar ist.«
»Natürlich ist es das!«, zischte Spazzer. »Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass es echt ist?«
»Was zum...
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