1. KAPITEL
Das brachte das Fass zum Überlaufen! Devlin Callahan schäumte vor Wut, während er den Motor seines Pick-ups malträtierte. Der Wagen schlingerte über das holperige Gelände und ließ dabei eine graue Staubwolke hinter sich. Devlin knirschte mit den Zähnen. Er war entschlossen, die leidige Angelegenheit auf die gleiche Art zu erledigen, mit der er alle seine Probleme in Angriff nahm: direkt und ohne Umschweife. Auch wenn das bedeutete, sich mit diesem spinnerten Weib, das die Nachbarranch gekauft hatte, auseinandersetzen zu müssen.
Ihr Zoo, wie Devlin die Sammlung exotischer Tiere nannte, die sich in direkter Nähe zu seinen Rindern und Schafen befand, war eine Quelle ständigen Ärgers. Diese weibliche Zoodirektorin konnte sich jedenfalls auf etwas gefasst machen, denn Devlin hatte den Ärger bis oben hin satt. Sein Bruder und er hatten den ganzen Tag auf ihren Pferden verbracht, um ausgebrochene Rinder einzufangen und defekte Zäune zu reparieren. Als wenn sie nicht auch ohne diese außerplanmäßigen Aktionen schon genug Arbeit auf ihrer Ranch hätten!
Er hatte seine neue Nachbarin bisher zwar noch nicht zu Gesicht bekommen, wusste aber schon jetzt, dass er sie nicht ausstehen konnte. Dieses frustrierte Weib versuchte wahrscheinlich, die entsetzliche Leere in ihrem Leben auszufüllen, indem sie sich mit einem Haufen exotischer Tiere umgab, die in dieser Rindergegend absolut nichts zu suchen hatten.
Im nächsten Moment trat Devlin so hart auf die Bremse, dass der Wagen noch einige Meter über den groben Schotter rutschte, ehe er vor dem alten Farmhaus der Zoobesitzerin zum Stehen kam. Mit schadenfrohem Grinsen registrierte Devlin, dass der alte Schuppen geradezu nach Farbe schrie. Allerdings musste er zugeben, dass zumindest die farbenprächtigen Blumen, die überall verstreut in großen Töpfen herumstanden, dem Ganzen einen heitere Note gaben. Aber es war unübersehbar, dass es sehr viel Arbeit erfordern würde, um dem Anwesen sein ehemaliges Gesicht zurückzugeben.
Natürlich würde diese Verrückte dafür keine Zeit erübrigen können, da sie wahrscheinlich den ganzen Tag mit den wilden Tieren reden musste, die hinter dem Haus in Käfigen eingesperrt waren. Devlin verwünschte sich nachträglich selbst, dass er die Gelegenheit verpasst hatte, diese Ranch zu erwerben. Damals war seinem Bruder und ihm der Preis zu hoch erschienen. Doch offensichtlich hatte Miss Jessica Porter das Geld etwas lockerer sitzen, denn sie hatte die Ranch, ohne zu zögern, gekauft. Und nun war Devlin mit einer Nachbarin geschlagen, deren wilde Tiere Tag und Nacht brüllten, heulten, jaulten und damit seinen gesamten Viehbestand durch die Zäune trieben.
Er schwang sich aus seinem Pick-up und schlenderte auf die verwitterte Veranda zu. Angewidert blickte er zu dem Sportwagen hinüber, der mitten auf dem Hof geparkt war. Ein typischer City-Flitzer, dachte er spöttisch. Dieses tiefachsige Freizeitauto würde kein Jahr auf den Straßen in dieser Gegend überleben. Jeder, der auch nur ein Fünkchen Verstand hatte, musste das wissen.
Devlin klopfte mehrmals kräftig gegen die Tür, wartete etwa zwei Sekunden und hämmerte dann mit beiden Fäusten gegen das abgeblätterte Holz.
"Porter, machen Sie auf! Ich weiß, dass Sie da sind!", brüllte er. "Ich muss mit Ihnen reden! Sofort!"
Seine donnernde Stimme löste eine ganze Symphonie von Tierstimmen aus. Das schrille Kreischen eines Pfaus mischte sich mit dem Röhren eines Elches, und eine Gans fiel schnatternd in das Konzert mit ein. Devlin verdrehte frustriert die Augen und schwor sich zum wiederholten Mal, so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen. Es vergingen noch ein paar weitere Sekunden, in denen immer mehr seltsame Laute um das Haus herum ertönten. Er hatte gerade wieder seinen Arm gehoben, um die Tür zu bearbeiten, da riss Jessica Porter diese von innen auf, und Devlin hätte sie fast mit der Faust an der Stirn getroffen.
Seine Vorstellung von einer frustrierten mittelalterlichen Jungfer mit Hakennase, stechenden Knopfaugen und vorspringendem Kinn zerplatzte wie eine Seifenblase, als sich Devlin einer so außerordentlich attraktiven Frau gegenüber sah, dass er zuerst an eine Fata Morgana glaubte.
Sie starrte ihn aus schimmernden Augen an, die in der Farbe des tropischen Regenwaldes leuchteten. Eine Woge von honigblondem Haar umflutete ihr bezauberndes Gesicht. Abschätzend ließ er seinen Blick über ihre aufregenden Kurven gleiten, die selbst ein Topfotograf nicht mit seiner Kamera verschmähen würde.
Jessica Porter in Fleisch und Blut vor sich zu sehen hatte auf Devlin ungefähr die gleiche Wirkung wie ein Schuss aus einem Betäubungsgewehr. Das sollte seine verdrehte Nachbarin sein? Er konnte es nicht glauben. Hier musste ein Irrtum vorliegen.
"Miss Porter?", fragte er zweifelnd.
"Ja, die bin ich. Was kann ich für Sie tun, Sir?"
Der schnippische Ton und ihr Unheil verkündender Blick überzeugten ihn augenblicklich davon, dass diese prachtvolle Erscheinung keine Halluzination war. Sie begegnete seinem verwirrten Blick sehr kühl und stand in einer eindeutig kämpferischen Pose in der offenen Tür. Mit starrer Miene musterte sie sein verdrecktes T-Shirt, die abgetragene Jeans und die abgewetzten Stiefel und runzelte dann mit unverhohlener Missbilligung ihre schön geschwungenen Brauen. Devlin konnte sich diesen abfälligen, harten Blick nicht erklären. War sie sauer, dass er so rücksichtslos an ihre Tür gehämmert und sie beim zweiten Klopfen fast niedergeschlagen hatte? Oder konnte es gar sein, dass sie sich durch den Anblick eines hart arbeitenden, verschwitzten Cowboys, der durch ihre Schuld den ganzen Tag nicht vom Pferd heruntergekommen war, beleidigt fühlte?
Arrogante Zicke, entschied Devlin, während er ihr purpurrotes Seidenkostüm musterte, dem man das Label EXTREM TEUER schon von Weitem ansah. Er vermutete, dass Miss Jessica Porter nach einem flüchtigen Blick auf seine Arbeitskluft beschlossen hatte, dass sie viel zu vornehm für ihn war. Na gut. Sie mochte also keine hart arbeitenden Cowboys, und er hatte nichts für alberne Debütantinnen über. Damit waren sie quitt.
"Ich bin Devlin Callahan, Ihr nächster Nachbar", erklärte er abrupt.
"Sie sind mein nächster Nachbar? Wie bedauerlich für mich." Ihre Stimme troff vor Sarkasmus.
"Das könnte doch wohl eher ich sagen, Blondie", knurrte er und starrte sie grimmig an.
Sie starrte zurück.
"Ich bin hier, weil Ihre wilden Viecher meine Schafe und Rinder seit mehr als zwei Monaten zur Raserei treiben. Sie müssen Ihren Zoo zusammenpacken und in ein Wildreservat schaffen. Wie Sie wohl selbst inzwischen bemerkt haben dürften, ist dies hier eine Rindergegend."
Jessica hob ihr Kinn mit einem Ruck, und obwohl sie um einiges kleiner war als der hoch aufgeschossene Cowboy vor ihr, schaffte sie es dennoch, ihn herablassend über ihre Nasenspitze anzusehen. Wie machte sie das bloß?
"Zu Ihrer Information, Culligan ."
"Callahan", verbesserte er sie knapp.
"Wie auch immer", sagte sie, und widmete seinem Einwurf so viel Aufmerksamkeit wie einer lästigen Fliege. "Zu Ihrer Information - ich habe eine behördliche Genehmigung, die mich dazu berechtigt, meine exotischen Tiere hier zu halten. Jedes dieser Tiere hat seine eigene Persönlichkeit und seine ganz individuellen Bedürfnisse. Ich kann mich mit ihnen verständigen."
"Sie reden tatsächlich mit Ihren Tieren, ja?", fragte er und lachte spöttisch. "Nun, warum überrascht mich das nicht?"
Sie durchbohrte ihn fast mit ihrem scharfen Blick. "Ich glaube, dass sogar jemand wie Sie zugeben müsste, dass meine Tiere sicher und artgerecht untergebracht sind, wenn Sie sich die Mühe machen würden, meinen Zoo, wie Sie es nennen, zu besichtigen."
"Lady, es interessiert mich nicht im Geringsten, ob ihre Tiere einen Ring durch die Nase tragen oder kleine Glöckchen um den Hals haben. Sie beunruhigen meine Herde und bedrohen damit meinen Lebensunterhalt. Ich will, dass diese Viecher von hier verschwinden - zusammen mit Ihnen."
Das musste sie wirklich getroffen haben, denn sie stemmte die Fäuste in ihre bemerkenswerten Hüften und beugte sich vor, bis ihre Nasenspitze fast seine berührte. "Wenn es Ihnen nicht passt, Tür an Tür mit meinem Zoo zu leben, dann packen Sie gefälligst Ihre Sachen und verschwinden! Ich habe nicht vor, mich vom Fleck zu rühren, weil es mir hier nämlich gefällt, und meinen Tieren auch. Des Weiteren möchte ich Sie bitten, Ihre Beschwerden in Zukunft dem Sheriff in Buzzard's Grove zu unterbreiten, wobei ich nicht glaube, dass es Ihnen irgendetwas nützen wird."
"Hören Sie mal, Lady ."
"Jessica Porter. Miss Porter für Sie, Culligan", sagte sie in einem so herablassenden, schnippischen Ton, dass Devlin mit den Zähnen knirschte.
"Hören Sie, Lady. Mein Bruder und ich betreiben eine Ranch mit großer Viehzucht."
"Vermutlich sollte ich jetzt beeindruckt sein?" Sie warf ihm schon wieder einen dieser verächtlichen Blicke zu. "Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, Culligan. Cowboys gibt es hier wie Sand am Meer - Sie sind beileibe nichts Besonderes."
"Es interessiert mich einen Dreck, ob Sie beeindruckt sind oder nicht", gab Devlin zurück. "Hauptsache, Sie verschwinden von hier."
Sie maß ihn mit einem kalten, verächtlichen Blick....