Schweitzer Fachinformationen
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Wie wir bereits gesehen haben, ist das gezügelte Essen eine von zwei Ursachen für Essdrang. Zügelung bedeutet, dass die konsumierte Energie-, Fett- oder Kohlenhydratemenge bewusst eingeschränkt wird.19 20
Zügelung vermittelt das Gefühl, Abnehmziele leicht erreichen zu können, ohne sich großartig einlesen oder sich mit Ernährung beschäftigen zu müssen. Das Ergebnis, auf welches man hinarbeitet, wirkt, als sei es in greifbarer Nähe.
Das motiviert, und somit wagt sich man sich schnell an ein Abnehmvorhaben heran. Wir Menschen lieben Ratschläge oder Anweisungen, die leicht umzusetzen sind. Und genau das bekommen wir bei allen Formen von Diäten oder so genannten "Ernährungsumstellungen", die mit Zügelung in Verbindung stehen. Egal ob es sich bei der Zügelung um Punkte zählen, Food Tracking oder ähnliches handelt.
In Kombination mit Programmen zur Lebensstilmodifikation, Shakes, Rezepten oder Abnehmkursen lässt sich Zügelung so leicht verkaufen wie Sonntagssemmeln. Geht die Abnehm-Strategie nicht auf, muss der/die Abnehmwillige wohl gemogelt haben. Wie sonst könnte es sein, dass die Fettpolster nicht purzeln? Ich selbst war leider einmal Augenzeugin bei so einem "Mogelgespräch".
Nennen wir sie Marta, damals Teilnehmerin eines Abnehmprogramms. Sie wirkte auf ihrer Seite des Tisches so, als würde sie von Minute zu Minute kleiner werden. Die Ernährungsberaterin sah sich den Gewichtsverlauf der letzten Wochen und das Ernährungsprotokoll an, runzelte misstrauisch die Stirn und fragte: "Sind Sie sicher, dass Sie auch wirklich alles aufgeschrieben haben? Manchmal lässt man etwas weg, aber damit belügt man sich schlussendlich nur selbst. Sie machen das alles nur für sich." Der Ton in ihrer Stimme glich einer Verhörszene in einem Spionagefilm. Ich selbst war in der glücklichen Lage, nicht am Verhörstuhl sitzen zu müssen, und dennoch hätte ich mir am liebsten ein großes schwarzes Loch gewünscht, um elegant aus dieser Situation verschwinden zu können.
Damals dachte ich, das wäre eine Ausnahme, aber leider wurde ich eines Besseren belehrt. Diese strafenden, strengen Blicke, die unterstellen, PatientInnen oder KursteilnehmerInnen würden ihr Ernährungsprotokoll absichtlich fälschen, sind mir leider sehr oft begegnet. Des Öfteren wurde ich mit verzweifelten Seelen konfrontiert, die peinlich berührt auf ihrem Stuhl herumrutschten und mit den Tränen kämpften, weil ihnen nicht geglaubt wurde. Es sind kleine Samen von Zweifeln, die in den Köpfen gepflanzt werden, bis daraus später große Selbstzweifel werden. So starke Zweifel, dass Frauen wie Marta am Ende wirklich davon überzeugt sind, sie wären disziplinlos oder aber ihr "komischer" Körper würde nicht so "funktionieren" wie bei "normalen" Menschen.
Als komische Menschen mit noch komischeren Körpern landen Marta und Co. zu Hause am Sofa und verlieren sich in Selbstzweifeln und im schlimmsten Falle Selbsthass. Manche von ihnen, vielleicht auch Sie, sind dann der absoluten Überzeugung, dass Ernährungsumstellungen nur bei Anderen, niemals aber bei ihnen selbst funktionieren würden. Innere Überzeugungen wie "Ich kann meinem Körper und mir nicht vertrauen" sind traurige Beweise solcher herangezüchteter Selbstzweifel.
Das alles klingt dramatisch? Finde ich auch, und ich wünschte, dass solche Szenen nur meiner Fantasie entspringen würden. Tun sie aber nicht. Sie sind real. Tagtäglich begegne ich Frauen, die mir mitteilen, dass ihr Körper nicht normal, sondern komisch sei. Berichten mir genau von diesen oder ähnlichen Situationen, in denen die Samen ihres Selbsthasses allmählich gesät wurden, von Termin zu Termin und Gespräch zu Gespräch. Das Absurde daran: Der Körper von Betroffenen ist nicht komisch, sondern hoch funktional.
Die Antwort auf die Frage, warum das Zügeln so populär ist, liefert die Theorie der negativen Energiebilanz.
Diese Theorie besagt, dass eine Gewichtszu- oder -abnahme einer simplen Regel folgt: Möchte man zunehmen, esse man mehr als der Körper verbraucht. Ist Abnehmen das Ziel, nehme man weniger zu sich. Das klingt alles sehr simpel und das mag sicherlich auch der Grund dafür sein, warum sich dieser Ansatz zur Gewichtsreduktion schon so lange hält. Abnehmwillige haben den Eindruck, dass das Abnehmen so leicht funktioniert wie das Bestellen von Artikeln im Onlinehandel.
Das Konzept der negativen Energiebilanz (weniger essen = abnehmen) sieht in Wahrheit weit komplexer aus, als es dargestellt wird. Wie so häufig werden wichtige Details weggelassen, weil wir (und damit meine ich auch ExpertInnen) das vermeintlich Simple der Realität vorziehen.
Zuerst war in den Nachrichten ein Bericht über das steigende ("Corona"-) Gewicht bei Jugendlichen und Kindern zu sehen. Wissen Sie, was die Lösung der Expertin war? Eltern sollten Kindern Süßigkeiten und Soft Drinks wegnehmen und sie "kindergemäß" auf ihr Gewicht ansprechen. Ich war entsetzt und es zeigte genau das Problem auf: Symptombekämpfung in ihrer feinsten Art. Eine Lösung für die wahre Ursache zu finden, das wäre zu komplex.
Sehen wir uns die Sache mit den Kalorien näher an: Kalorien sind nichts anderes als eine Angabe von Energie. Die Kalorienangabe auf Lebensmitteln verrät uns, wie viel Energie in dem entsprechenden Lebensmittel steckt. Diese Energie benötigt der Körper für viele Prozesse: atmen, verdauen, denken, Informationen filtern, Freunde umarmen, unseren Körper schützen, Viren bekämpfen, Zellen erneuern usw. Die Prozesse, für die unser Körper Energie benötigt, haben unterschiedliche Prioritäten: Manche sind lebenswichtig, wie beispielsweise der Herzschlag, andere sind untergeordnet, wie etwa die Verdauung.
Stellen wir uns diese Prioritätenliste der Energieversorgung einmal als Wohnhaus mit Gartenanlage und Penthouse-Apartment vor. Die Energie unseres modernen umweltfreundlichen Hauses kommt ausschließlich aus Solarenergie.
Bei der 14-tägigen Überprüfung stellt einer der Facility Manager eines Tages fest, dass die Speicherpaneele der Energieanlage halb leer sind und sich trotz Sonnenschein nicht mehr füllen. Sagen wir, eine große Dunstwolke, die die UV-Strahlen blockiert, liegt über der Stadt und führt dazu, dass keine Energie mehr in die Anlage kommt. Das Facility Management muss nun überlegen: Soll die Beleuchtung des Hauses von Garten bis Penthouse weiter erstrahlen, oder ist es ratsam, die Energie zu rationieren, um länger mit der vorhandenen Energie auszukommen? Das Facility Management entscheidet sich dafür, die Energie zu rationieren, und zwar zunächst im Garten und im Keller. Beim nächsten Kontrollgang in einigen Tagen wird überprüft, ob sich die Energiespeicher wieder gefüllt haben. Ist dies der Fall, wird das Licht im Keller und Garten wieder angestellt. Haben sich die Speicher nicht aufgefüllt, wird es zu weiteren Einschränkungen kommen und der Strom für die einzelnen Etagen des Hauses wird ebenfalls rationiert. Das Apartment am Dach, in dem der hoch angesehene Eigentümer residiert, soll so lange wie möglich rund um die Uhr mit Energie versorgt werden.
Das gleiche Prinzip gilt für unseren Körper. Ist genug Energie vorhanden, laufen alle Prozesse wie gewohnt ab. Bemerkt das Überwachungssystem des Körpers (Facility Management) längerfristige Einbußen in der Energieaufnahme, beginnt der Körper die Energie von denjenigen Prozessen abzuziehen, die nicht unbedingt erforderlich sind. Das oberste Ziel lautet: Das Gehirn (das Penthouse-Apartment) schützen. Je weniger Energie vorhanden ist, desto mehr Prozesse fallen den Sparmaßnahmen zum Opfer. Das sind zum Beispiel die Verdauung, die Regelblutung oder der Wärmehaushalt. Kommt weniger Energie rein, beginnt der Körper auch weniger Energie zu verbrennen.
Kommt es zu dem Punkt, dass so wenig Energie vorhanden ist, dass nicht einmal mehr das Gehirn versorgt werden kann, wie zum Beispiel im Falle eines extremen Unterzuckers, schaltet der Körper ab und wir fallen in Ohnmacht. Damit schützt unser Körper das Gehirn, weil damit alle Prozesse im Körper auf das Minimum reduziert werden.21
Damit die beschriebenen Einsparungen stattfinden, muss gar nicht erst große Hungersnot herrschen. Eine Diät tut es auch. Die oben beschriebenen Prozesse unterliegen primitiven Strukturen im Gehirn, die schlichtweg nur reagieren. Es ist völlig egal, warum es zu den Einbußen kommt oder wie lange diese andauern. Der Bereich des Gehirns, dem bewusst ist, dass es sich gerade um eine Diätphase mit einer zeitlichen Beschränkung von sechs Wochen handelt, ist woanders lokalisiert als die Notfall-Kommandozentrale. Man könnte fast...
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