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"Und, was sagst du? Der perfekte Ort für unser Bitcoin-Date, oder?" Max lachte, als er zu Tom trat.
Tom grinste zurück und versuchte, die überwältigende Atmosphäre mit einem scherzhaften Kommentar zu überspielen. "Ja, äh... sicher. Sieht ziemlich... futuristisch aus." Sein Blick glitt zum auffälligen Bitcoin-Symbol, das unter dem Glas in das Holz eingraviert war. "Ich war mal so frei, mich an diesen Tisch zu setzen?"
Max setzte sich. "Passt doch perfekt! Der Ehrenplatz."
Tom schaute sich um. "Falls du mir am Ende doch nicht erklären kannst, was Bitcoin ist, kann ich mich wenigstens an den coolen Symbolen erfreuen."
Max blickte zum Barmann und nickte ihm kurz zu. Als er Tom wieder ansah, grinste er noch immer und erwiderte: "Oh, keine Sorge, Tom. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du Bitcoin nicht nur verstehen - du wirst wie ein Guru davon predigen." Max lachte laut los und Tom fiel ein Stein vom Herzen, als er erkannte, dass Max nur einen Witz gemacht hatte und ihn nicht ernsthaft bekehren wollte.
"Ich sehe, du wurdest bereits von Baslo bedient. Wartest du denn schon lange?", fragte Max beiläufig. Er war offenbar nicht so nervös wie Tom, denn seine Art strahlte eine Selbstsicherheit aus, die Tom manchmal irritierte, besonders, wenn es um so komplexe Themen wie Bitcoin ging.
"Nein, gerade genug, um mich hier etwas umzuschauen. Ich nehme an, Baslo ist der Barista?"
Max nickte und winkte dem unaufgeregten, strammen Mann hinter der Theke zu, welcher sofort aufhörte, eine Tasse mit einem weißen Handtuch zu trocknen, und in einer bemerkenswert stoischen Art zu ihrem Tisch kam.
"Hallo Max, Ich nehme an, ich darf dir das Übliche bringen? Und ich sehe, du hast neuen Gast dabei. Der normale Kaffee. Sehr erfreut, ich bin Baslo", zwinkerte er Tom zu und streckte ihm seine Hand entgegen. "Welche Kryptowährung ist denn heute das Thema, Max?"
"Wir beginnen ganz vorne."
Baslo lächelte freundlich. Mit einer Art Vorfreude in der Stimme sagte er zu Tom: "Dann wünsche ich auf dieser Reise viel Vergnügen. Max hier kannst du mit Fragen löchern." Er drehte sich um und ging, ohne auf eine Antwort zu warten, zurück hinter die Theke.
"Spezieller Typ", meinte Tom, als Baslo außer Hörweite war.
Max lachte kurz auf und stimmte ihm zu. "Ja, in der Tat. Ein wenig extrovertiert, aber wirklich ein sehr netter Typ."
"Nun gut, Max. Mal schauen, ob du mir Bitcoin erklären kannst und ob das tatsächlich ein Vergnügen wird oder mir am Ende nicht doch der Kopf raucht. Momentan verstehe ich nämlich nur Bahnhof."
"Also gut, wo sollen wir denn anfangen... Erzähl mir doch einfach mal, was du bereits alles über Bitcoin weißt oder zu wissen glaubst, und dann sehen wir, wie sich das Gespräch entwickelt."
Tom fühlte sich ertappt, denn er hatte zwar schon einige Male von Bitcoin gelesen oder oberflächliche Gespräche darüber geführt, aber Max jetzt konkret zu erklären, was genau Bitcoin war, schien ihm ziemlich schwer. Er versuchte, seine Gedanken zu sortieren, zuckte schlussendlich mit den Schultern und begann: "Nun, ich weiß, dass Bitcoin eine Art digitales Geld ist. Es ist anonym und wird oder wurde häufig für kriminelle Zwecke verwendet. Es braucht viel Strom, aber trotzdem scheint es einen mega Hype auszulösen und viele Menschen sind über Nacht Millionäre geworden. Andere haben sich verspekuliert und all ihre Ersparnisse verloren oder sie wurden gehackt und ihnen wurde viel Geld gestohlen. Das ist zumindest das, was ich gelesen oder gehört habe. Aber ehrlich gesagt, klingt das für mich alles nach Science-Fiction. Wir haben doch schon Geld. Warum brauchen wir noch ein anderes digitales Geld? Ich verstehe den ganzen Hype einfach nicht ."
Max hatte Tom die ganze Zeit über interessiert zugehört. Baslo kam an ihren Tisch und brachte Max' Bestellung.
"Danke dir, Baslo." Dieser nickte Max zu und ging wortlos zum nächsten Tisch. "Zurück zum Thema. Ja, das, was du soeben aufgezählt hast, ist, was gängig über Bitcoin bekannt ist. Bitcoin ist eine digitale Währung, aber sie unterscheidet sich doch ziemlich stark von dem, was wir bisher allgemein hin kennen. Der größte Unterschied ist jedoch, dass keine Bank, keine Regierung, keine Firma hinter Bitcoin steht. Es ist völlig unabhängig."
Tom sah Max verwundert an. "Unabhängig? Aber ist denn unser Geld abhängig? Ich meine, ich kann doch selbst entscheiden, für was oder ob ich überhaupt mein Geld ausgeben will. Zudem haben wir doch schon Online-Banking und Kreditkarten. Das heißt, unser Geld ist bereits digital. Und es gibt ja schon einen Haufen Währungen . Warum benötigt man jetzt noch eine zusätzliche? Das macht doch alles nur komplizierter, oder?"
Max stellte sein Glas auf den Tisch und lehnte sich vor, um Tom direkt in die Augen zu sehen. "Genau. Der Franken - und alle anderen Währungen weltweit - haben eines gemeinsam: Sie werden von einer Zentralbank oder einem Staat ausgegeben, die die Menge des Geldes beeinflussen können. Der größte Unterschied zu Bitcoin ist, dass es bei Bitcoin keine zentrale Institution gibt, die es kontrolliert. Keine Bank, keine Regierung - niemand. Du kannst es dir wie digitales Bargeld vorstellen, welches du direkt an eine Person auf der anderen Seite der Welt schicken kannst, ohne dass eine Drittperson dazwischengeschaltet ist. Es läuft alles über ein dezentrales Netzwerk."
"Dezentrales Netzwerk?", wiederholte Tom skeptisch. "Das heißt, niemand oder alle können mitmischen? Und niemand hat die Kontrolle über Bitcoin? Das klingt ziemlich chaotisch."
Max nahm eine Serviette vom Tisch, holte einen Stift aus seiner Jackentasche und begann, auf der Serviette zu zeichnen. "Nicht chaotisch, sondern organisiert - aber ohne zentrale Kontrolle. Stell dir Bitcoin wie ein riesiges öffentliches Kassenbuch vor. Dieses Kassenbuch, die sogenannte Blockchain, wird von Tausenden Computern auf der ganzen Welt geführt. Jeder kann sehen, welche Transaktionen stattfinden, und die Computer im Netzwerk prüfen und bestätigen diese Transaktionen."
Er zeichnete ein paar kleine Blöcke, die miteinander verbunden waren, auf die Serviette. "Das hier ist die Blockchain. Jeder Block enthält eine Gruppe von Transaktionen, und sobald ein Block bestätigt wird, wird er zur Kette hinzugefügt. Dadurch entsteht eine lange, unveränderliche Liste aller Bitcoin-Transaktionen."
Tom runzelte die Stirn, während er Max' Skizzen betrachtete. "Bitte was? Das klingt sehr kompliziert und ich glaube nicht, dass ich das alles verstanden habe . Das wirst du mir einfacher erklären müssen . Wenn tatsächlich alles dezentral ist, wie kann ich mir denn sicher sein, dass alles funktioniert? Wer kontrolliert denn, dass niemand betrügt?"
"Das sind alles sehr gute Fragen! Dafür haben wir uns heute hier getroffen", antwortete Max, während er einen Schluck nahm und sein Glas in den Händen hielt, als wärmte er sich an seinem Getränk auf. "Wir sollten uns Zeit nehmen, um alles Schritt für Schritt durchzugehen. Ich habe jede Menge Zeit mitgebracht, um dir all deine Fragen zu beantworten, damit du Bitcoin am Ende auch tatsächlich verstehst." Er nahm noch einen Schluck und stellte sein Glas vorsichtig auf den Tisch, ehe er fortfuhr: "Lass es mich so erklären: Stell dir vor, du und deine Freunde spielen ein Würfelspiel und ihr führt eine Liste darüber, wer wie viele Punkte hat. Diese Liste schreibt ihr nicht nur auf ein einzelnes Blatt Papier, sondern jeder von euch hat seine eigene Kopie der Liste. Jedes Mal, wenn jemand Punkte bekommt oder verliert, wird es auf allen Listen gleichzeitig und automatisch aufgeschrieben. Alle können sofort sehen, dass die Änderung stattgefunden hat. Und weil alle die gleiche Liste haben, kann niemand heimlich etwas ändern oder hinzufügen, ohne dass es die anderen merken. Sollte ein Mitspieler behaupten, er habe einen Punkt mehr, als auf der Liste steht, würden die anderen Mitspieler ihre Listen überprüfen können und sofort sehen, dass das nicht stimmt, denn der Verlauf der Punktevergabe ist von Anfang an auf dieser Liste niedergeschrieben."
"Okay, aber was ist, wenn ich oder einer der anderen Spieler einfach einen neuen Bitcoin erschafft? Also neue Punkte vergibt?"
"Das kann niemand", erklärte Max geduldig. "Jeder Bitcoin wird durch einen komplexen Prozess erstellt, der Mining genannt wird. Um einen neuen Bitcoin zu erschaffen, müssen die Miner - das sind Computer, die das Netzwerk am Laufen halten - in diesem Netzwerk jeweils eine komplexe Aufgabe lösen, und das wiederum erfordert eine hohe Rechenleistung. Um zurück zu unserem Beispiel mit dem Würfelspiel zu kommen: Weder die anderen Spieler, noch du, noch sonst wer kann einfach einen neuen Bitcoin erschaffen...