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Johann Wolfgang von Goethe & Friedrich Schiller
Dass diese beiden einmal eine tiefe Freundschaft verbinden sollte, war bei ihrem ersten Aufeinandertreffen keinesfalls absehbar. Der 30-jährige Johann Wolfgang von Goethe war bereits ein gefeierter Autor, der mit dem Roman "Die Leiden des jungen Werther" und mit "Götz von Berlichingen" gerade Furore gemacht hatte, als er 1779 an der Stuttgarter "Hohe Karlsschule" als Gast an einer Feier der damaligen Elite-Institution teilnahm, in deren Rahmen die Jahrgangspreise verliehen wurden. Unter den Ausgezeichneten : Friedrich Schiller, gerade einmal 20 Jahre alt, aus einfachen Verhältnissen stammend und am besten Weg, sein Berufsziel des Regimentsarztes zu erreichen.
Goethe, der sich die Hörner nach seiner Sturm- und Drang-Periode bereits abgestoßen hatte, gehörte inzwischen zum gesellschaftlichen Establishment. Der studierte Jurist arbeitete als hoher Beamter und sozusagen rechte Hand von Herzog Karl August in Weimar, das die Mutter des jungen Herzogs, Herzogin Anna Amalia, zum Musenhof machen wollte, weshalb sie auch das Engagement Goethes unterstützt hatte. Dass Goethe der 20-jährige Schiller unter den vielen Preisträgern aufgefallen wäre, gilt als absolut unwahrscheinlich.
Ganz anders sah diese erste Begegnung aus Friedrich Schillers Perspektive aus: Für Schiller und seine Freunde war Goethe der Inbegriff des Genies. Sie verfolgten alles, was ihr Idol schrieb und tat, kannten seine Biografie bis ins kleinste Detail. Außerdem hatte sich Schiller neben seiner medizinischen Ausbildung auch dem Schreiben zugewandt und schrieb zum Zeitpunkt von Goethes Besuch in Stuttgart gerade sein erstes Theaterstück, "Die Räuber", fertig. Als sich die beiden Giganten der deutschsprachigen Literatur im Jahr 1779 zum ersten Mal begegneten, kam es jedoch zu keinem persönlichen Wortwechsel zwischen den beiden damals noch äußerst ungleichen Dichtern. Das sollte erst neun Jahre später passieren, als sich auch Friedrich Schiller bereits einen Namen als Literat gemacht hatte. Zunächst wurde er aber tatsächlich Regimentsarzt, feierte zeitgleich erste große Erfolge mit seinen Dramen "Die Räuber" und "Kabale und Liebe". Goethe hingegen widmete sich immer mehr seinen Amtsgeschäften bei Hofe, wurde zu einer Art Premierminister von Weimar und litt zunehmend darunter, zu wenig Muße für das Schreiben zu finden. Schillers Erfolge am Theater wiederum missfielen dessen Dienstgeber, Herzog Karl Eugen, der ihm jedes weitere "Komödienschreiben" verbot. Und so brachen sie beide aus - Goethe zu seiner berühmten Italienreise, um sich als Künstler wiederzufinden, Schiller aus dem Herrschaftsgebiet seines Herzogs. Als freier Schriftsteller zog er durch die Lande und kam schließlich über mehrere Stationen im Jahr 1787 nach Weimar. Als Goethe ein Jahr später aus Italien zurückkehrte, kam es zu ersten flüchtigen persönlichen Begegnungen zwischen den beiden Dichtern, wobei alle Berichte darin übereinstimmen, dass Goethe jede nähere Auseinandersetzung vermied, möglicherweise fürchtete er den Jüngeren als Konkurrenten. "Ich glaube in der Tat, er ist ein Egoist in ungewöhnlichem Grade", schilderte Schiller gegenüber einem Freund seine damaligen Eindrücke von Goethe.
Es war also alles andere als Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden deutschen Dichterfürsten und doch wurde daraus eine bedeutende Freundschaft, die manche gar als Geburtsstunde der modernen Freundschaft sehen. Ende des 18. Jahrhunderts machte sich ein neues Freundschaftskonzept breit - die Seelenverwandtschaft wurde zum Ideal der bürgerlichen Gesellschaft, die sich damit auch bewusst vom Adel unterscheiden wollte, dem sie vorwarf, vorwiegend Zweckbündnisse einzugehen. Emotionalität wurde in den Vordergrund gestellt, ein regelrechter Freundschaftskult gepflegt. Überall entstanden Freundschaftszirkel, wurden exklusive Freundschaftsbünde geschlossen. Wichtig für das neue Verständnis: Diese Freundschaften sollten auf Uneigennützigkeit und Gleichberechtigung basieren. Ein Grund übrigens, warum Freundschaften zwischen Männern und Frauen damals als undenkbar galten. Entscheidend war auch die sich verändernde Briefkultur - wurden bis dahin ausschließlich Fakten per offiziellem Brief ausgetauscht, entstand zu dieser Zeit der private Brief als Medium, in dem sich Freunde über ihre Gefühle, Sorgen oder Wünsche schreiben konnten. Dass das Postwesen ausgeweitet wurde, beflügelte die Kultur des freundschaftlichen Briefwechsels. Vor allem Frauen, die sehr stark auf ihr häusliches Umfeld beschränkt waren, nützten die briefliche Kommunikation, um sich mit anderen Frauen auszutauschen.
Und Goethe und Schiller? Deren Beziehung zueinander verbesserte sich schlagartig mit einem Brief, mit dem Schiller im Juni 1794 Goethe zur Mitarbeit an seinem neuen Zeitschriftenprojekt "Die Horen" einlud. Goethe sagte zu und als die beiden einander wenig später in Jena erneut persönlich begegneten, entstand ein völlig neuer Umgang miteinander. Als "ein glückliches Ereignis" beschrieb Goethe rückblickend dieses Treffen, das der Beginn einer langen und intensiven Freundschaft werden sollte. Für das ideologisierte Freundschaftsideal der Romantik, das von der mystischen Verschmelzung zweier Menschen träumte, eigneten sich Gothe und Schiller freilich wenig. Ihre Freundschaft war geprägt vom geistigen Austausch miteinander, vom gemeinsamen Streben nach den besten Erkenntnissen für ihre Literatur. Und von gemeinsamer Arbeit. Das Konzept der Freundschaft hatten sowohl Goethe als auch Schiller immer wieder in ihren Dichtungen thematisiert. Goethe beispielsweise im 1777 erschienenen Gedicht "An den Mond", wo es heißt:
Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt
Ähnlich, nur enthusiastischer dichtete Friedrich Schiller in seiner berühmten 1785 erschienenen "Ode an die Freude", die später von Ludwig von Beethoven vertont wurde und uns als Europahymne bekannt ist:
Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein,
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Auch den oft im Zusammenhang mit Freundschaft strapazierten Begriff der "Wahlverwandtschaften" verdanken wir Goethe, wenngleich dessen gleichnamiger Roman von 1809 weniger die Freundschaft als vielmehr die Liebe zum Inhalt hat.
So romantisch wie in ihren Dichtungen war die Beziehung zwischen Goethe und Schiller aber keineswegs. Sie agierten vielmehr als intellektuelle Sparringpartner, sie pushten einander zu literarischen Höchstleistungen und sie verbündeten sich gegen die Kritik ihrer Konkurrenten, begannen ein literarisches Bündnis, das über die Jahre immer mehr zu einer tiefen Freundschaft heranreifte. Einer der Schachzüge der beiden Großmeister der Weimarer Klassik war die gemeinsame Veröffentlichung sogenannter Xenien, spöttischer Versmaße, mit denen sie ihre literarischen Gegner aufs Korn nahmen. Veröffentlicht wurden diese Xenien in der von Schiller herausgegebenen literarischen Zeitschrift "Musenalmanach", ohne jedoch den jeweiligen Verfasser zu nennen. Die Kritik konnte sich also nur an sie beide gemeinsam wenden und Goethe und Schiller wurden erstmals als literarische Einheit wahrgenommen. Bis heute lassen sich die kurzen Spottgedichte nicht eindeutig zuordnen, weshalb die Xenien sowohl in den Werkausgaben Goethes wie auch Schillers vollständig abgedruckt sind.
Aber nicht nur die Literatur beschäftigte die beiden in ihrem Briefwechsel, der bis zu Schillers Tod im Jahre 1805 dauern sollte und der mehr als eintausend Briefe umfasst. Auch über Anatomie oder Farbenlehre tauschten sich Goethe und Schiller aus, die aber auch über ganz persönliche Dinge wie die schwere Erkrankung von Schillers Frau Charlotte oder den Tod von Goethes neugeborener Tochter korrespondierten. Trotz ihrer freundschaftlichen Verbundenheit bewahrten Goethe und Schiller aber stets eine gewisse Distanz, blieben immer beim höflich-formellen Sie, obwohl ihre Freundschaft für beide einen hohen Stellenwert hatte.
Es war eine Freundschaft mit Zweck, wie der deutsche Philosoph und Publizist Rüdiger Safranski in "Goethe und Schiller - Geschichte einer Freundschaft"* schreibt. Mit dem Zweck, sich gegenseitig zu helfen und zu befördern. Geprägt von gegenseitiger Wertschätzung, deren persönliche Dimension vielleicht erst nach dem Verlust des Freundes klar wurde. Als der lungenkranke Schiller am 9. Mai 1805 mit 46 Jahren starb, war Goethe schnell klar, welche Zäsur das für sein Leben hatte. "Ich dachte mich selbst zu verlieren", schrieb er, "und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins." Geblieben sind mehr als...
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