Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Währenddessen saß der Strobel ganz entspannt beim Wenger Sepp im Gastgarten und las Zeitung. Der Garten war in diesem Jahr zum ersten Mal geöffnet und die Leute nahmen diese Errungenschaft dankbar an. Mit den knorrigen Kastanienbäumen, die seit ewigen Zeiten hinter dem Wirtshaus standen, den urigen Holzbänken und Tischen und dem Kiesboden wirkte der Garten wirklich gemütlich und lud zum Verweilen ein. Vor allem, weil er schön schattig und damit auch kühl war. Gerade an den Hundstagen im Hochsommer schadete ein solches Refugium nicht. Trotzdem der Strobel ein paar Monate zuvor die Tochter vom Sepp ins Gefängnis gebracht hatte, ging er immer noch regelmäßig in das Wirtshaus, um seine Würsteln mit Saft zu essen. Wenn es um sein leibliches Wohl ging, hatte der Postenkommandant überhaupt keinen Genierer. Und dass der Wenger den besten Gulaschsaft von ganz Tratschen und Umgebung machte, war für den Strobel eine unbestreitbare Tatsache. An diesem Saft gab es nichts auszusetzen. Nicht das Geringste. Außerdem war der Wenger Sepp wegen der Sache nicht sauer auf den Postenkommandanten. Weil, erstens hatte der nur seine Arbeit gemacht und zweitens war es der Sepp selber, der dem Strobel alles über die Machenschaften seiner Tochter erzählt hatte. Von daher also kein Grund für böses Blut. Ich meine, Freunde sind die beiden deswegen freilich auch keine geworden. Weil sie das aber vorher auch nicht waren und seine Lieblingsspeise deswegen nicht schlechter schmeckte, war das für den Strobel nicht weiter tragisch. Wie der Wenger über diesen Punkt dachte, weiß man nicht. Jedenfalls saß der Strobel im Schatten von einem dieser Kastanienbäume, las Zeitung und verspeiste dabei genüsslich seine Würsteln. Ein Moment, in dem er keinesfalls gestört werden wollte. Ein Umstand, der dem Fürnkranz Josef allerdings nicht bekannt gewesen sein dürfte. Zumindest gab es keine andere Erklärung dafür, dass der, als er den Postenkommandanten erblickte, sofort zielstrebig auf dessen Tisch zusteuerte und sich, ohne lange zu fragen, zu ihm setzte. Irritiert sah der Strobel von seiner Zeitung auf und fragte sich insgeheim, wieso sich der Mann in einem leeren Gastgarten ausgerechnet an seinen Tisch setzen musste. Laut gesagt hat er das aber nicht. So unhöflich wollte er zum Bürgermeister nicht sein. Also grüßte er ihn knapp und vertiefte sich wieder in seine Zeitung. Der Fürnkranz war allerdings nicht umsonst als besonders leutseliger Typ bekannt. Das kam daher, weil er gerne und vor allem viel redete. Hilfsbereit, freundlich und immer mit einem offenen Ohr für seine Bürger. So war der Fürnkranz Josef Zeit seines Lebens. Normalerweise störte es den Strobel nicht, wenn ihn der Herr Bürgermeister in ein Gespräch verwickelte, auf das er gut und gerne hätte verzichten können. Aber jetzt, in seinem Moment der Ruhe, den er sich hier gönnen wollte, störte es ihn schon. Blöd nur, dass er zu höflich war, seinem Gegenüber das zu sagen. Von daher blieb ihm nichts anderes übrig, als so zu tun, als würde er dem sinnlosen Geplapper wirklich zuhören. In Wirklichkeit hatte er seine Ohren auf Durchzug gestellt. Bis zu dem Augenblick, in dem der Fürnkranz meinte, dass er ihn um einen kleinen Gefallen bitten wolle. Da ist der Strobel dann doch aufmerksam geworden. Weil, aus Erfahrung wusste er, dass es gefährlich sein konnte, wenn einem jemand einen ›kleinen Gefallen‹ abverlangte. Oft stellte sich nämlich heraus, dass dieser Gefallen so klein gar nicht war. Wenn man da nicht genau zuhört, kann man ganz schön einfahren bei der Gefallentunsache. Dieser Fall stellte sich aber als halb so schlimm heraus. Der Bürgermeister erzählte dem Strobel nämlich, dass die Jocha Elisabeth, die alle im Ort nur ›die Jocha Mutter‹ nannten, in zwei Tagen ihren hundertsten Geburtstag feiern würde, und er, zusammen mit zweien seiner Gemeinderäte, zu ihr fahren wolle, um ihr im Namen der Gemeinde zu gratulieren und einen großen Blumenstrauß zu überreichen. Weil, so meinte der Fürnkranz, so ein hundertster Geburtstag sollte schon gebührend beachtet werden. Da gab ihm der Strobel zwar recht, blieb aber trotzdem auf der Hut. Schließlich wusste er immer noch nicht, was das alles mit ihm zu tun hatte. Und siehst du, diesmal war die Vorsicht vom Strobel unbegründet. Weil, der Fürnkranz verlangte nichts Unmögliches von ihm, sondern fragte ihn nur, ob er vielleicht seine Ausgehuniform anziehen und mitgehen könne, um der Sache ein bisschen mehr Glanz zu verleihen. Ja, wirklich, so drückte sich der Fürnkranz aus. Der Strobel solle mitgehen, um der Sache mehr Glanz zu verleihen. Also ich finde, dass das ein nettes Kompliment war. Man könnte dem Herrn Bürgermeister allerdings auch unterstellen, dass er dem Postenkommandanten einfach nur Zucker in den Hintern blies, um ihm ein Nein schwerer zu machen. Aber wie dem auch sei. Noch bevor der Strobel eine Antwort geben konnte, informierte ihn der Fürnkranz darüber, dass auch ein Fotograf vom Bezirksanzeiger kommen würde, um ein paar Bilder zu schießen, die dann in der nächsten Ausgabe erscheinen sollten. Dann drosch er noch so Phrasen wie: ›Ehre, wem Ehre gebührt‹, ›Man muss die Feste feiern, wie sie fallen‹ und ähnlichen Mist. Das hätte er sich aber auch sparen können, weil der Strobel sowieso schon wusste, dass er um die Geschichte nicht drum herumkommen würde. Und das wollte er auch gar nicht. Für die Jocha Mutter machte er das nämlich gerne. Ich meine, er kannte ihre Lebensgeschichte vom Hörensagen und wusste deshalb, dass es die Frau immer sehr schwer gehabt hatte. Von daher war er überzeugt, dass sie sich eine kleine Ehrung zu ihrem Hundertsten redlich verdient hatte. Auch wenn es aus seiner Sicht vielleicht ein bisschen spät war, um von der Elisabeth Notiz zu nehmen. Andererseits, so überlegte er sich, war spät immer noch besser als gar nicht. Deshalb sagte er sein Kommen für Mittwoch, 10.00 Uhr Vormittag, natürlich zu. Sehr zur Freude vom Bürgermeister, der ihn daraufhin auf einen Kaffee einlud. Das heißt, er wollte eigentlich lieber ein Bier mit ihm trinken. Aber das lehnte der Strobel angesichts der frühen Stunde und der Tatsache, dass er im Dienst war, entschieden ab. Deswegen halt Kaffee. Schwarz ohne Zucker. So wie er ihn mochte. Allerdings zu einem hohen Preis. Weil, der Herr Bürgermeister hat geredet und geredet und geredet. Wie der sprichwörtliche Ölmann. Nichts von dem, was er von sich gab, war für den Gendarmen in irgendeiner Form interessant. Von Minute zu Minute fiel es dem Strobel schwerer, den konzentrierten Zuhörer zu mimen. Krampfhaft überlegte er, mit welcher Ausrede er sich aus dem Staub machen konnte. Zu seinem Glück brauchte er dann aber keine, weil der Fürnkranz selbst draufkam, dass er noch zu einem wichtigen Termin musste, und sich verabschiedete. Erleichtert blieb der Strobel noch eine Weile sitzen, um die Ruhe auszukosten, bevor er zurück zur Dienststelle ging. Die Sonne tat ihm gut und erhellte seine Laune. Er fühlte sich so richtig wohl und genoss die Wärme, als er die Hauptstraße entlangging. Um diese Jahreszeit war der Ort fast schon hübsch. Kaum ein Haus, vor dessen Fenstern keine üppig bepflanzten Blumenkästen angebracht waren. In diesem Jahr hatten die Ortsbildverschönerer offensichtlich die Farben Rot und Weiß auserkoren und bestimmt, wer welche Farbe verwenden musste. Rote Blumenkästen, weiße Blumenkästen. Von einem Haus zum nächsten. Immer schön abwechselnd. Das gefiel sogar dem Strobel gut, dem die Blumenkästen normalerweise nicht einmal auffielen. Seine Laune war für einen Montag überdurchschnittlich gut und er pfiff ein Liedchen. Am Hauptplatz angekommen, blieb er stehen, bewunderte die Blumenbeete, die der Sokol, seines Zeichens Gemeindegärtner, angelegt hatte, und beobachtete eine Gruppe von Kindern, die wie die Wilden auf ihren Fahrrädern durch die Gegend bretterten und dabei fröhlich lachten. Da und dort waren Frauen in den Vorgärten mit irgendwelchen Gartenarbeiten beschäftigt oder kehrten den Staub vor den Türen ihrer Häuser weg. Aber nicht unter den Teppich. Da war nur Platz für die Geheimnisse. Die Ruhe, die Blumen und die spielenden Kinder luden wirklich zum Verweilen ein. Man könnte auch sagen, dass der Ort sein wahres Gesicht in diesem Jahr hinter einer besonders hübschen Maske versteckte. Aber so sah der Strobel das natürlich nicht. Der freute sich einfach nur über das schöne Wetter. Genau wie die Kinder. Von daher stand ihm der Sinn nicht wirklich nach Arbeit und er ließ sich auf halbem Weg auf einer Bank nieder, um die Stimmung noch ein bisschen in sich aufnehmen zu können und über das vergangene Wochenende nachzudenken. Insgesamt gesehen, hatten er und seine Frau Doktor nämlich zwei sehr schöne Tage miteinander verbracht. Am Samstag waren sie mit dem Schiff von Korneuburg aus in die Wachau gefahren, hatten dort übernachtet und waren am Sonntag zurückgefahren. Das hatte dem Strobel unheimlich gut gefallen. Zumindest bis zu dem Moment, als seine Herzdame anfing, über das Zusammenziehen zu reden. Da hatte es ihm so ein kleines bisschen die Sprache verschlagen. Ich meine, nicht, dass du jetzt denkst, der Strobel hätte das überhaupt nicht gewollt oder so. Das ist nämlich nicht ganz richtig. Es kam nur so überraschend. Außerdem war er sehr zufrieden mit ihrer Beziehung und hatte bis dahin keine Gedanken an eine Veränderung verschwendet. Schon gar nicht an eine so gravierende. Aus seiner Sicht war alles bestens. Während der Woche Tratschen. Am Wochenende Hollabrunn. Da sah er keinen Fehler. Natürlich war ihm bewusst, dass er seine Flamme dann jeden Tag sehen würde, und das konnte er sich auch recht gut vorstellen, aber andererseits war er halt auch ein sehr bequemer Mensch. Soll heißen, dass ihm die Vorstellung, jeden Tag mindestens eine Stunde im Auto zu sitzen und zwischen Hollabrunn und...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: PDFKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat PDF zeigt auf jeder Hardware eine Buchseite stets identisch an. Daher ist eine PDF auch für ein komplexes Layout geeignet, wie es bei Lehr- und Fachbüchern verwendet wird (Bilder, Tabellen, Spalten, Fußnoten). Bei kleinen Displays von E-Readern oder Smartphones sind PDF leider eher nervig, weil zu viel Scrollen notwendig ist. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.