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Historisch sind vor allem die "Verstärkungstheorie des Lernens" von Clark Hull (1943) und das dort explizierte triebtheoretische Motivationsmodell für die Erklärung des Verhältnisses von Anspannung und Leistung bedeutsam. Es verlor in der weiteren Modellbildung zur Prüfungsangst jedoch an Einfluss, u.?a. weil sich die theoretischen Annahmen auf einfache und wenig komplexe Aufgaben beziehen, wie z.?B. das Erlernen von Wortlisten, das jedoch selten Gegenstand von Prüfungen ist.
Die Literatur zu Prüfungsängsten ist in den Folgejahrzehnten vor allem von zwei Modellen geprägt: dem Interferenz-Modell und dem Defizit-Modell. Sie befassen sich vor allem mit dem Zusammenhang zwischen Prüfungsängsten und Prüfungsleistungen.
Das Interferenz-Modell (Sarason, 1988; Wine, 1980) geht davon aus, dass von Prüfungsangst Betroffene den zu lernenden Stoff prinzipiell beherrschen, aber durch interferierende Prozesse während der Prüfung nicht oder nur unzureichend in der Lage sind, den gelernten Stoff adäquat abzurufen und wiederzugeben. Als interferierende Prozesse werden beispielsweise Sorgen über das Abschneiden in der Prüfung oder prüfungsbezogene Ängste (z.?B. vor einem Blackout) bezeichnet, die einen bedeutsamen Teil der Aufmerksamkeitskapazität einnehmen. Dadurch steht weniger Kapazität für die eigentliche Prüfungsleistung bereit, was dann zu einer Leistungsminderung führt.
Die empirische Evidenz für dieses Modell und seine Voraussagen ist beachtlich: Eine Vielzahl von Studien sowohl unter Labor- als auch unter Feldbedin|23|gungen zeigt, dass - besonders bei hoch prüfungsängstlichen Personen - Bewertungssituationen zu verstärkter Selbstaufmerksamkeit, zu vermehrten aufgabenirrelevanten Gedanken, zu erhöhter Ablenkbarkeit sowie zu vermehrten Sorgen führen. Sogar für die bloße Vorstellung unterschiedlich stark relevanter Bewertungssituationen konnte eine Zunahme an negativen selbstbewertenden Gedanken sowie eine Abnahme an positiven Gedanken gezeigt werden (Heimberg, Nyman & O'Brien, 1987). Ein weiterer Beleg für die Annahmen des Interferenz-Modells ist in dem Befund zu sehen, nach dem die kognitiv-aufmerksamkeitsbezogene Komponente von Prüfungsangst in weit höherem Maße mit der Einschränkung durch Prüfungsängste zusammenhängt als physiologische Faktoren (Hollandsworth, Glazeski, Kirkland, Jones & van Norman, 1979). Nicht zuletzt unterstützen auch die positiven Effekte systematischer Aufmerksamkeitstrainings auf Prüfungsängste die Annahmen des Interferenz-Modells.
Anfang der achtziger Jahre gewann ein zweites Modell an Bedeutung: Das Defizit-Modell postuliert, dass Personen mit Prüfungsängsten Defizite in Lern- und Studiertechniken aufweisen und so bereits während der Lernphase für die Prüfung Probleme beim Aufnehmen und Behalten des Stoffes bestehen - entweder aufgrund von ungenügend ausgeprägten Studierfähigkeiten oder wegen zu gering ausgeprägter intellektueller Fähigkeiten. Dadurch wird der Lernstoff im Vergleich zu nicht prüfungsängstlichen Personen schlechter beherrscht (Culler & Holahan, 1980; Paulman & Kennelly, 1984). Prüfungsangst resultiert nach diesem Modell aus der Wahrnehmung der Defizite im Vergleich zu den eigenen Standards oder dem Vergleich mit anderen. Die Verschlechterung der Arbeitsleistung unter Angst wird nach diesem Modell nicht direkt durch die Effekte von Angst erklärt, sondern durch die Moderatorfunktion von Ängsten: Bei hochängstlichen Personen wirken sich die Lern- und Studierdefizite in stärkerem Maße auf die Leistung aus als bei niedrig ängstlichen.
Konsistent mit den Annahmen dieses Modells konnte eine Reihe von Studien zeigen, dass hoch prüfungsängstliche Studierende tatsächlich geringere Studierfertigkeiten aufwiesen als niedrig ängstliche. Bruch (1981) berichtete sogar eine vergleichsweise hohe Korrelation von r = -.42 zwischen Studierfertigkeiten und Prüfungsängstlichkeit; ein Zusammenhang, der in nachfolgenden Arbeiten allerdings nicht in dieser Größenordnung repliziert werden konnte. Insgesamt weist die Studienlage zum Zusammenhang zwischen Studierfertigkeiten und Prüfungsangst jedoch kein einheitliches Bild auf. Auch Personen mit guten Studierfertigkeiten berichten über kognitive Interferenzen in Prüfungssituationen. Beobachtungen und Befunde dieser Art sind mit den Annahmen des Modells nur schwer zu vereinbaren.
|24|Merke: Frühe Prüfungsangstmodelle
Interferenz- und Defizit-Modell waren ursprünglich konkurrierende Modelle zur Erklärung von Prüfungsangst und Prüfungsleistung. Das Interferenz-Modell betont dabei die für das Lernen und die Prüfung hinderliche Funktion von irrelevanten Gedanken, während das Defizit-Modell von tatsächlichen Defiziten bei Lern- und Arbeitsstrategien ausgeht.
Von einigen Forschungsgruppen wurden jedoch Vorschläge entwickelt, nach denen sich diese Modelle sinnvoll ergänzen können. Mit einem die Interferenz- und Defizitideen integrierenden Konzept könnte beispielsweise erklärt werden, dass geringere Studierfertigkeiten zur Wahrnehmung eigener Defizite führen können. Die Beschäftigung mit möglichem Versagen verstärkt Prüfungsängste weiter. Der Teufelskreis wird dadurch komplettiert, dass die Ängste selbst sich wiederum negativ auf Studierfertigkeiten und das Lernverhalten auswirken. Sowohl die Beeinträchtigung von Lernverhalten als auch das konkrete Verhalten in Prüfungen wirken sich auf die Prüfungsleistungen aus.
Eine nächste Generation von theoretischen Modellen bezog stärker motivationstheoretische Annahmen mit ein: das Selbstregulationsmodell von Carver und Scheier (1984, 1991) sowie das Selbstwertmodell von Covington (1992).
Das Selbstregulationsmodell beschreibt Mechanismen der Selbststeuerung, die weit über den Geltungsbereich der Prüfungsangst hinausgehen. Personen nutzen demnach zur Erreichung von persönlichen Zielen Rückmeldungsschleifen, in denen sie den Ist-Zustand mit dem gewünschten Zielzustand vergleichen. Beispielsweise könnte hiernach die Diskrepanz zwischen dem notwendigen Ziel: "Das Referat muss in zwei Wochen fertig sein" und dem Ist-Zustand: "Zwei wichtige Abschnitte fehlen noch" zu einem Defiziterleben und damit zu prüfungsbezogenen Ängsten führen.
Dabei kann die Zielerreichung durch eine Vielzahl von Bedingungen, Ereignissen oder emotionalen Zuständen beeinträchtigt oder gar verhindert werden. Eine Diskrepanz zwischen Ist- und Zielzustand erzeugt Anspannung oder - bei größer werdendem Unterschied - gar Angst, was wiederum hinderlich für die Umsetzung des geplanten bzw. notwendigen Verhaltens sein kann. Übertragen auf Prüfungssituationen und Prüfungsangst ist es eine wichtige Folge dieser Annahmen, dass nicht die Bewertungsangst in Prüfungssituationen das zentrale Agens für starke Prüfungsängste ist (es ist für die meisten Menschen angemessen, in Bewertungssituationen angespannt zu sein), sondern das Erleben einer Diskrepanz zwischen der Anforderung, die |25|Prüfung meistern können zu müssen, und dem aktuellen Erleben der eigenen, als zu gering eingeschätzten Kompetenzen und Ressourcen. Wenn hingegen Personen in Prüfungszeiten in starkem Umfang ihre Aufmerksamkeit auf das kontinuierliche Beobachten ihrer Ängste verwenden, wird ihr Verhalten in Hinblick auf die Vorbereitung der Prüfung oder hinsichtlich des Verhaltens in der Prüfung selbst dysfunktional.
Ein Problem dieses Modells ist, dass es hinsichtlich der angenommenen Auswirkung von Angst uneindeutig bleibt. Angst kann danach einerseits ein begünstigender Faktor für Prüfungsleistungen sein, andererseits aber auch Ursache von Schwierigkeiten bei der Selbstkontrolle oder auch Folge misslungener Selbstkontrolle - oder eine Mischung aus beidem.
Das Selbstwertmodell von Covington (1992) fokussiert auf die motivationalen Bedingungen von Lernen und den Zusammenhang zwischen Selbstwert und Lernen bzw. Lernerfolg. Ausgehend von der Annahme, dass der Selbstwert einer Person stark von den...
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