Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Der Rahmen verwindet sich unter den Tritten. Der Reifen verbeißt sich in den lockeren Boden. Der Puls rast. Nur noch wenige Meter und das Plateau ist erreicht. Ich halte an, wische mir den Schweiß von der Stirn und öffne das Trikot. Einen Moment durchatmen. Langsam geht der Puls runter. Die Sonne steht tief, bald wird sie verschwinden. Ich schaue ins Tal und sehe mein Göttingen. Ich bin nicht lange gefahren, aber dennoch fühle ich mich unglaublich weit entfernt. Alles richtig gemacht!
Ein paar Handgriffe noch: Ich rolle Matte und Schlafsack aus, bereite mir auf dem Gaskocher mein Abendsessen. Im Tal gehen die Lichter an. Irgendwo dort unten: meine Familie, mein Zuhause, mein Leben. Ich sitze am Kocher und sehe mein »normales« Leben einmal von außen. Habe meinen Alltag, meine Routinen, meine Komfortzone für eine Nacht verlassen, ohne sie jedoch gegen eine andere Routine, eine fremdbestimmte Umgebung einzutauschen. Mein kleines Abenteuer besteht darin, ganz bei mir zu sein. Meine Bikepacking-Tour ist ein Weg zu mir selbst.
Peter Handke schrieb einmal: »An den Orten, zu denen ich gefahren wurde, bin ich nie gewesen.« Zwar glorifizierte er in »Die Abwesenheit« vor allem das Gehen; die Idee lässt sich aber gut aufs Radfahren übertragen. In beiden Fällen ist der Mensch der Motor. Nach dieser Lesart muss der Weg nicht das Ziel sein, gehört zum Ziel aber zwingend dazu - einen Zielbogen gibt es nur, wenn man vorher irgendwo an der Startlinie gestanden hat. Diese Startlinie kann auch eine mentale sein: Der Gedanke »Jetzt fahre ich los!« reicht schon aus, um in den Ich-bin-unterwegs-Modus umzuschalten.
Ebenso wie das Backpacking (Rucksackwandern) bedenkt man das Bikepacking sinnvollerweise von der Ausrüstung her. Der Einfluss der Ausrüstung auf das Reisen ist enorm. Der Backpacker will selbstständig mobil sein (auch in schwierigem Gelände) und hält dafür seine Ausrüstung leicht, klein, stabil und zweckmäßig. Wie weit die Ausrüstung dafür verdichtet wird, hängt stark vom gewünschten »Restkomfort« ab. Und von den Witterungsbedingungen.
Das Bikepacking überträgt diese Idee aufs Fahrrad: Mit leichtem Gepäck durchs Gelände kurbeln. Pfadfindertum trifft Mountainbiking. Charakterisierend fürs Bikepacking ist die Abkehr vom klassischen ausladenden Taschen-Sixpack aus Hecktaschen, Fronttaschen, Heckrolle und Lenkertasche mit entsprechenden Trägern. Des Bikepackers Geraffel wird direkt im und am Rahmen, am Lenker und am Sattel verzurrt. Mit einer auf diese Weise sehr schwerpunktgünstig angebrachten Minimalausrüstung lässt sich auch schwieriges Terrain bewältigen. Ein herkömmliches Reiserad (samt Gepäck für eine Langstrecken-Tour) wäre damit überfordert.
Ein Abenteuer erleben? Für die meisten Menschen ist dies angesichts einer dicht getakteten Lebensweise im städtischen Raum kaum noch vorstellbar. Das liegt auch daran, dass die Medien uns darauf konditioniert haben, groß zu denken: Wer bei »Abenteuer« gleich Weltumseglung und Achttausender-Besteigung vor Augen hat, verliert das in der Nähe liegende leicht aus dem Blick. Der britische Abenteurer und Autor Alastair Humphreys hat daher den Begriff des »Microadventure« geprägt als etwas, das mit minimalem Aufwand verbunden und auch für ganz normale Menschen mit einem gewöhnlichen Alltag machbar ist.
Ein wichtiges Merkmal ist der Perspektivwechsel. Er kann bereits darin bestehen, das gewohnte Umfeld in einem neuen Licht zu sehen - z. B. dem des Mondes und der Sterne, denn die Ur-Form des Mini-Abenteuers besteht darin, einfach mal im Garten den Schlafsack auszurollen. Von dort aus sind der Entdeckerfreude keine Grenzen gesetzt. Wenn dann zu einer Radtour in den Sonnenuntergang noch eine Nacht unter freiem Himmel hinzukommt, wird aus dem Bike-Microadventure ein sogenannter Overnighter.
Mein Wort des Jahres ist nicht »postfaktisch«, sondern »postkompetitiv«: Rennen und Wettkampf sind vielleicht nicht unbedingt Vergangenheit, aber im Job, in der Familie, mit dem Finanzamt und im Verkehr ist ohnehin ständig Vollgas gefragt, wenn du deinen Teil vom Erfolgskuchen abkriegen und für deine Rechte einstehen willst. Das ist schon anstrengend genug - warum sich zusätzlich noch beim Abenteuern in der Freizeit unter Stress und Erfolgsdruck setzen? Schalte also einen Gang zurück: Pulsmesser und Wattvorgaben können zuhause bleiben, Strava bleibt abgeschaltet, und der bitterernst ausgefahrene Ortsschildsprint oder die Bergauf-Battle fallen aus.
Gleiches gilt übrigens auch für das Biwak: Es muss nicht zum Härtetest wie bei den Spezialeinheiten oder in einer Doku zum Überleben in der Wildnis werden. Martialisches Survival-Getue und apokalyptisches Prepper-Gehabe finden in diesem Buch nicht statt. Wenn du Lust hast, dein Feuer ohne Streichholz zu entfachen, dann tu es - aber auch mit dem Feuerzeug oder sogar einem Grillanzünder kannst du eine tolle Tour haben. Es ist DEIN Abenteuer!
Es geht um dich.
Es geht um das, was für dich ein Abenteuer ist.
Es geht um das, was in deinem Leben gerade möglich ist.
Es geht um das, was dir neue Wege, neue Erlebnisse, neue Eindrücke und neue Perspektiven ermöglicht.
Es geht um das, was dir Entspannung und Erholung gibt.
Es geht um das, was dich in der Balance hält.
Es geht ums Erlebnis, nicht ums Ergebnis.
Es geht ums Biken, klar.
»Die besten Radtouren sind die, bei denen es nicht ums Radfahren geht«, sagt Josh Kato, der Tour-Divide-Veteran. Das heißt nicht, dass man sich nicht vorbereiten, nicht anstrengen, nicht an seine Grenzen gehen sollte. Doch für ein erfolgreiches Rad-Abenteuer brauchst du weder Mentalcoaching noch Trainingsplan. Wenn du dich mit dem Rad auf den Weg machst, kannst du nicht nur ganz leicht aus der Komfortzone herauskommen, sondern dich auch gleich mal von sportlichen Zwängen befreien.
Wo soll es hingehen? Ob man sich diese Frage überhaupt stellen will, ist bereits die erste Entscheidung. So manches Abenteuer hat ein Ziel. Etwa eine Burgruine oder einen besonders schönen Bivy-Spot. Für andere Fahrer liegt der Reiz jedoch gerade in der Ziellosigkeit, darin, neue Wege zu finden und sich zu unbekannten Orten leiten zu lassen. Du kannst dir das nicht vorstellen? Dann hast du dein nächstes Abenteuer gefunden: Gib dir einen Ruck und probiere es aus! Verstehe das Microadventure als willkommene Gelegenheit, dich nicht nur räumlich oder zeitlich aus dem Alltag auszuklinken. Warum zum Beispiel nicht einfach einmal offline-sein? Letztes Posting an der Haustür . nächstes Posting gleicher Ort, andere Zeit: am Morgen danach!
Ein Overnighter erlaubt es dir, auch aus inneren Routinen auszubrechen. Auf spielerische Art und Weise kannst du in einem Schonraum mit Gewohnheiten brechen und Glaubenssätze in Frage stellen. Dann wird es vollends gleichgültig, wohin du fährst, denn das Abenteuer liegt hier im Erleben und in der vollkommenen Gegenwärtigkeit (nach Eckhart Tolle) des Unterwegsseins mit veränderter Geisteshaltung oder neuen Verhaltensweisen. Das bringt dich wirklich weiter. Nicht nur auf dem Trail.
Vermutlich ist der Overnighter das bekannteste zeitliche Format: für eine Nacht raus in die Natur. Wer soviel Zeit nicht hat, etwa weil er früh am Morgen auf Dienstreise muss, der macht einen »Novernighter«: radeln, große Pause (vielleicht sogar mit Kocher samt Grillen) und noch am Abend wieder heim. Immer beliebter wird das Coffeeneuring: eine Fahrt mit gepflegter bis zelebrierter Kaffeepause. Die lässt sich zu jeder Tageszeit einschieben.
Auch das Fahrzeug, bzw. der Untergrund kann Spielprinzip des Abenteuers sein: Mit dem Fatbike ist anderes möglich als mit dem Rennrad, ein Gravelbike entfaltet woanders seinen Reiz als das B+-MTB.
Sehr reizvoll sind Zufallsformate: Einfach mal falsch abbiegen, um zu sehen, wo die unbekannte Strecke hinführt. Oder an jeder Kreuzung per Würfel entscheiden.
Wer Bekanntes neu entdecken will, der sollte mal die Tageszeiten variieren: Wann bist du zum letzten Mal in den Sonnenaufgang geradelt? Genauso toll ist es, in einer wolkenlosen Vollmondnacht bis zum Morgengrauen zu fahren und dann mit einem Powernap vor dem Frühstück weiterzumachen.
Überhaupt ist es empfehlenswert, »asynchron« zur Mehrheit unterwegs sein. Etwa in Bezug auf die Jahreszeiten: das Biwak am Baggersee im Winter aufschlagen, den Skihang im Sommer hochfahren, oder am Weihnachtsabend, wenn alle Welt nach Hause strömt, zum Zelten...
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