Schweitzer Fachinformationen
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Übelkeit, kalter Schweiß, zitternde Hände. Angst durchfährt meinen Körper wie eine Schockwelle. Ich versuche mehrmals tief ein- und auszuatmen. Die Passagiere führen für sie bedeutsame Gespräche. Für mich zählt zu diesem Zeitpunkt nur eines: heil ankommen. Die Turbinen steigern hörbar ihr Tempo.
Wie oft habe ich davon geträumt, auszuwandern. Jetzt, wo dieser Augenblick gekommen ist, fühlt es sich wie ein schwerer Rucksack voller Steine auf meinem Rücken an. Ich sitze zwischen Babygeschrei und zwei diskutierenden Typen im Flugzeug, bekomme kaum noch Luft, obwohl mir die Klimaanlage eiskalt ins Gesicht weht. In diesem Moment beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Mein Ziel für die Auswanderung heißt: mutig und erfolgreich zu sein. In New York kann ich hoffentlich von meinem alten Leben Abschied nehmen. Der erste Schritt ist es, alleine zu fliegen und meine größte Angst zu überwinden.
Das Flugzeug rollt zur Startbahn. Kaum dass ich mich versehe, legt der Flieger an Geschwindigkeit zu und rast über die Bahn. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis wir in die Lüfte abheben.
Goodbye, Österreich!, denke ich mir, als ich die Lichter der Stadt, die wie Krakenarme auseinandergleiten, unter mir entdecke. Der Himmel ist schwarz. Nur über den Horizont zieht sich ein schmaler roter Schimmer, die Vorankündigung zum Sonnenaufgang.
Heute ist mein Tag! Nie wieder lasse ich zu, enttäuscht zu werden. Obwohl ich daran selbst Schuld habe. Musste ich mich auf einen Arbeitskollegen einlassen? War es nicht vorprogrammiert, dass diese Beziehung zum Scheitern verurteilt war? Meine Mutter hatte mich immer wieder gewarnt, wenn ich bei ihr zu Besuch war. Sie hatte leider recht. Zum Glück hatte mein Chef Kontakte zu der Zentrale in New York und besorgte mir diese Stelle als Empfangsdame. Innerhalb von zwei Monaten musste ich die Wohnung in Wien kündigen und mir in New York etwas Neues suchen. Dank meiner Tante, die dort schon lange lebt, war es zum Glück kein Problem, die Green Card zu bekommen. Nie und nimmer hätte ich einen weiteren Tag mit Philip im gleichen Haus arbeiten können. Warum musste er sich auch ausgerechnet Nina, meine Sekretärin, angeln? Der Gedanke daran versetzt mir einen Stich in der Brust. Nachdem er mir nach einem Jahr wundervoller Beziehung den Laufpass gegeben hat, ist für mich meine heile Welt zusammengebrochen. Immerhin bin ich dreißig! Da tickt die innere Uhr. Ich träumte von gemeinsamen Kindern und was tut er? Angelt sich ein junges Küken, das gerade die Zwanzig geknackt hat.
Zwei Wochen später flirtet er tagtäglich vor meinen Augen mit Nina. Die meiner Ansicht nach nicht einmal etwas Attraktives an sich hat. Ausgenommen ihren ausladenden Vorbau und ihr blondes lockiges Haar. Ihr Mund ist schmal und ihre Nase dagegen ein großer Klumpen im Gesicht.
Nein!, ermahne ich mich in Gedanken. Ich darf über sie nicht schlecht denken. Trotzdem quält es mich jeden beschissenen Tag, dass er sich für sie entschieden hat. Offenbar bin ich hässlicher als sie, und das trifft mich hart. Wie soll ich nur einen Kerl finden, der mich als etwas ganz Besonderes sieht? Ich habe genug von diesen Arschlöchern, die einem in den ersten paar Wochen das Blaue vom Himmel lügen, nur um einen in die Kiste zu bekommen. Diese Machokerle sollen mir in Zukunft gestohlen bleiben. Ich suche mir besser einen Nerd, der ganz unscheinbar durch die Straßen läuft. Dann brauche ich wenigstens keine Angst davor zu haben, dass ihn mir eine andere Frau wegschnappt. Genau!
»Was darf ich Ihnen zum Trinken anbieten?«, fragt mich die Stewardess. Ihre blonden schulterlangen Haare sind glatt geföhnt. Sie zeigt mir ihr perfektes Zahnpastalächeln, das herzlich wirkt. Warum müssen die Flugbegleiterinnen immer so vollkommen durchgestylt sein?
»Ein stilles Wasser bitte«, antworte ich leise.
Sie reicht mir den Becher und einen kleinen süßen Snack und marschiert weiter.
Noch immer ist mein Körper angespannt. Das ist mein erster Langstreckenflug ganz alleine. Die letzten Nächte habe ich kaum geschlafen, so nervös war ich davor.
Ich nippe am eisgekühlten Wasser und dann stelle ich den Plastikbecher auf dem winzigen Tisch vor mir ab. Danach öffne ich die Packung Kekse. Plötzlich sackt der Flieger kurz ab. Einige der Passagiere geben ein lautes »Ohh« von sich. Ich gerate in Panik und fuchtle wild mit den Armen. Was, wenn mein letztes Stündlein nun geschlagen hat? Es kommt, wie es kommen muss. Der Becher kippt, und das kühle Nass markiert den Typen neben mir wie ein Hund seinen Busch.
»Können Sie nicht aufpassen!«, knurrt der Fremde auf Englisch, der mir zuvor gar nicht aufgefallen ist.
Hastig greife ich nach meiner Serviette und rubble an seinem Oberschenkel. »Entschuldigung«, wispere ich in seiner Sprache. Muss das ausgerechnet mir passieren? Reicht es nicht, dass ich hier ganz mutterseelenallein in diesem Flugzeug, auf dem Weg nach New York sitze und zittere wie Espenlaub? Ich halte den Blick auf seine harten Oberschenkel gerichtet.
Auf einmal greift er nach meiner Hand. »Also wenn ich genauer darüber nachdenke, gefällt es mir, Ihre Hand auf meinem Bein zu spüren.« Er grinst mich süffisant an. Sofort lasse ich von diesem Arsch ab und blicke in seine kaffeebraunen Augen, die mir durch Mark und Bein gehen. Ein seltsamer Schauer durchzuckt meinen Körper.
»Wie bitte?« Verschwunden ist mein schlechtes Gewissen. Für diese Aussage gehört ihm ein Kübel voll Eiswürfel zwischen seine Beine geschüttet.
»Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten, aber Sie sehen einfach bezaubernd aus.« Seine tiefe Stimme erzeugt ein Kribbeln zwischen meinen Schenkeln, ich presse die Oberschenkel zusammen. Mist, mein verräterischer Körper ist nicht besonders hilfreich.
Ich will gerade zu einem Rückschlag für diese arrogante Art ansetzen, als die Stewardess unsere Becher abräumt. Ich schließe die Augen und lehne den Kopf gegen die Flugzeugwand.
Dieser Flug endet bald, denn ich muss in Frankfurt umsteigen, und so werde ich diesem sexistischen Kerl nicht mehr begegnen. Sein Verhalten bestätigt nur, dass Männer, die aussehen, als wären sie Topmodels für Calvin Klein, nicht wirklich etwas im Kopf haben.
»Also was ist jetzt?«, fragt er und mein Herz setzt für einen Schlag aus. Ich versuche ihn zu ignorieren, ruhig zu atmen, und halte die Augen geschlossen. Am besten ich tue so, als würde ich tief schlafen und seine Worte nicht wahrnehmen, obwohl seine Bassstimme wirklich erregend klingt. Mein Körper reagiert auf diese Tonlage wie ein außer Kontrolle geratener Teenager, der seine erste große Liebe gefunden hat. Wildes Herzklopfen gepaart mit Schweißausbrüchen ist die Antwort. Ich versuche mir selbst einzureden, die Flugangst sei dafür verantwortlich, dass mein Herz mir aus der Brust zu springen droht.
Nach einer gefühlten Ewigkeit landen wir in Frankfurt und verschwunden ist die Angst. Doch beim Anblick des großen Flughafens überkommt mich erneut Panik. Wie soll ich hier meinen Anschlussflieger finden? Am liebsten würde ich sofort aus dem Flugzeug springen und loshetzen. Aber mein gut aussehender Sitznachbar zeigt keine Regung, er macht keine Anstalten, sich vom Stuhl zu erheben, sondern hat seine Augen geschlossen. Ich überlege, ob ich ihn stoßen oder doch besser ansprechen soll. Als fast alle Passagiere die Maschine verlassen haben, breitet sich ein Zittern über meinen ganzen Körper aus. Der Scheißkerl will einfach nicht aufstehen.
»Könnten Sie sich bitte vom Stuhl erheben, damit ich aussteigen kann? Ich habe nämlich nicht vor, wieder zurück nach Wien zu fliegen!«, sage ich und klopfe auf seinen muskulösen Oberarm, der steinhart ist. Mir reißt gleich der Geduldsfaden. Normalerweise versuche ich Konflikte auf der sachlichen Ebene zu regeln, aber unter Stress kann ich nicht klar denken und plärre drauflos.
Mein Nachbar öffnet seine Augen und ich blicke erneut in das schönste Dunkelbraun, das ich jemals gesehen habe. Erst jetzt bemerke ich, dass ein dichter Wimpernkranz diese faszinierenden Augen umrandet.
»Ach, ich dachte, wir genießen einen weiteren Flug gemeinsam?« Seine Mundwinkel zucken leicht und mir rutscht fast mein Herz in die Hose.
»Sie können gerne nach Wien zurückfliegen, aber ich muss meinen Anschlussflug nach New York bekommen.« Meine Stimme vibriert bei dem Gedanken daran, nicht rechtzeitig am anderen Gate anzukommen.
»Na dann möchte ich Sie nicht länger aufhalten.« Er erhebt sich vom Stuhl und ich wage einen kurzen Blick auf seinen knackigen Arsch. Oh mein Gott ist der Kerl heiß. Der wäre bestimmt eine Sünde Wert, doch ich habe mir fest vorgenommen, mich nie wieder auf so einen Schönling einzulassen.
Ich rutsche hinüber und marschiere aus dem Flugzeug. Mit einem leisen »Tschüss«, verabschiede ich mich von der Stewardess.
Während ich durch den Flughafen zu meinem Anschlussflug hetze, habe ich immerfort das Gefühl, als würde mir jemand folgen. Da ich unter Zeitdruck stehe, habe ich keine Möglichkeit, das seltsame Kribbeln auf meinem Rücken zu eruieren.
Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es zum richtigen Flieger und lasse mich auf meinen...
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