Schweitzer Fachinformationen
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Er könnte so viel für mich tun, wenn er nur wollte. Er könnte alles für mich tun. Es ist, als ob alles in der Welt für mich in einem Kübel voller Eingeweide wär und man sich wundern muss, wie's darin überhaupt noch Platz für etwas anderes sehr Wichtiges geben kann. Er ist ein großer Kübel voller Eingeweide, und ich bin ein kleiner Kübel voller Eingeweide, und wenn es in einem großen Kübel voller Eingeweide keinen Platz mehr gibt für etwas anderes Wichtiges, wie kann es da Platz in einem kleinen Kübel voll Eingeweide geben. Aber ich weiß, dass es da ist, denn Gott hat den Frauen ein Zeichen dafür gegeben, wenn etwas Schlimmes passiert ist.
Es ist ja nur, weil ich allein bin. Wenn ich es nur fühlen könnte, dann wär's anders, weil ich dann nicht allein wär. Aber wenn ich nicht allein wär, würde jeder es wissen. Und er könnte so viel für mich tun, und dann wär ich nicht allein. Dann könnte ich ganz gut allein sein.
Ich würde ihn zwischen mich und Lafe kommen lassen, wie Darl zwischen mich und Lafe gekommen ist, und darum ist Lafe auch allein. Er ist Lafe, und ich bin Dewey Dell, und als Mutter starb, musste ich aus mir heraus und über mich und Lafe und Darl hinaus, um zu trauern, weil er so viel für mich tun könnte und es nicht weiß. Er weiß es nicht einmal.
Von der hinteren Veranda kann ich die Scheune nicht sehn. Dann dringt das Raspeln von Cashs Säge aus dieser Richtung her. Es ist, als wär ein Hund draußen, der immer wieder ums Haus läuft und vor jeder Tür stehn bleibt und wartet, dass man ihn einlässt. Er sagte: Ich mach mir mehr Sorgen als du, und ich sagte: Du weißt nicht, wie das ist, sich solche Sorgen zu machen, dass ich mir keine machen kann. Ich versuche es, aber ich kann nicht lange genug denken, um mir Sorgen zu machen.
Ich zünde in der Küche die Lampe an. Der Fisch, in zerfetzte Stücke gehackt, blutet sich still in der großen Pfanne aus. Ich stelle sie schnell in den Schrank und lausche in den Flur. Sie hat zehn Tage zum Sterben gebraucht, vielleicht weiß sie nicht, dass es vorbei ist. Vielleicht will sie nicht gehn, bis Cash. Oder vielleicht, bis Jewel. Ich nehme die Schüssel mit dem Gemüse vom Schrank und den Brotbacknapf vom kalten Herd und bleib stehn und seh zur Tür.
«Wo ist Vardaman?», fragt Cash. Im Lampenlicht sehn seine mit Sägemehl überstäubten Arme wie mit Sand bestreut aus.
«Ich weiß nicht. Ich hab ihn nicht gesehn.»
«Peabodys Gespann ist durchgegangen. Sieh zu, dass du Vardaman findest. Das Pferd wird sich von ihm bändigen lassen.»
«Gut. Sag ihnen, sie sollen zum Essen kommen.»
Ich kann die Scheune nicht sehn. Ich habe gesagt, ich weiß nicht, wie man sich Sorgen macht. Ich weiß nicht, wie man weint. Ich hab's versucht, aber ich kann nicht. Nach einer Weile kommt das Geräusch der Säge wieder herüber, dunkel kommt es im Staubdunkel über den Boden gekrochen. Dann kann ich ihn sehn, wie er am Brett entlang hin und her geht.
«Ihr kommt jetzt zum Essen», sage ich. «Sag's ihm.»
Er könnte alles für mich tun. Und er weiß es nicht. Er ist seine Eingeweide, und ich bin meine. Und ich bin Lafes Eingeweide. So ist das. Ich weiß nicht, warum er nicht in der Stadt geblieben ist. Wir sind Leute vom Land und nicht so gut wie die Leute aus der Stadt. Ich versteh nicht, warum er nicht geblieben ist. Jetzt kann ich das Scheunendach sehn. Die Kuh steht unten am Weg und muht. Als ich mich umdrehe, ist Cash weg.
Ich bringe die Buttermilch rein. Pa und Cash und er sitzen am Tisch.
«Wo ist der große Fisch, den der Junge gefangen hat, Schwester?», fragt er.
Ich stelle die Milch auf den Tisch. «Ich hatte doch nie die Zeit, ihn zu kochen.»
«Einfach nur Steckrüben sind reichlich wenig für einen Mann meiner Größe», sagt er. Cash isst. Rund um seinen Kopf hat der Hut einen Schweißrand in sein Haar gedrückt. Sein Hemd ist fleckig und verschwitzt. Er hat sich Hände und Arme nicht gewaschen.
«Hättest dir die Zeit eben nehmen müssen», sagt Pa. «Wo ist Vardaman?»
Ich gehe zur Tür. «Ich kann ihn nicht finden.»
«Na komm, Schwester», sagt er. «Mach dir keine Gedanken wegen dem Fisch. Er wird sich schon noch halten. Komm her und setz dich.»
«Ich mach mir deswegen keine Gedanken», sage ich. «Ich will noch melken, bevor's mit dem Regen losgeht.»
Pa tut sich auf und schiebt die Schüssel weiter. Aber er fängt nicht an zu essen. Seine Hände zu beiden Seiten des Tellers sind halb geschlossen, sein Kopf ist leicht vorgeneigt, seine Haare stehen im Lampenlicht wirr in die Höhe. Er sieht aus wie ein Stier, den eben die Keule getroffen hat und der nicht mehr lebt und noch nicht weiß, dass er tot ist.
Aber Cash isst, und er auch. «Du isst jetzt besser was», sagt er. Er sieht Pa an. «Wie Cash und ich. Du hast es nötig.»
«Ja», sagt Pa. Er rappelt sich hoch wie ein Stier, der in einem Wasserloch kniet und angegriffen wird. «Sie wird's mir nicht missgönnen.»
Sobald ich außer Sichtweite des Hauses bin, gehe ich rasch. Unten am Hang steht die Kuh und muht. Sie drückt schnüffelnd die Schnauze an mich und bläst ihren Atem süß und heiß durch mein Kleid gegen meine heiße Nacktheit und stöhnt. «Du musst noch ein bisschen warten, dann kümmere ich mich um dich.» Sie folgt mir in die Scheune, wo ich den Eimer abstelle. Sie atmet stöhnend in den Eimer hinein. «Ich hab dir doch gesagt, du musst noch ein bisschen warten. Ich hab mehr zu tun, als ich schaffen kann.» In der Scheune ist es dunkel. Als ich vorbeigehe, kickt er gegen die Wand, ein einzelner Huftritt. Ich gehe weiter. Das zersplitterte Brett steht hochkant wie ein Zaunpfahl. Dann kann ich die Böschung sehen, spüren, wie die Luft wieder über mein Gesicht streicht, langsam, und oben auf der Böschung, weniger dunkel und leeren Blicks drängen sich die Kiefern, geheimnisvoll und wartend.
Die Kuh, ein Umriss vor dem Scheunentor, stößt mit dem Maul gegen den Umriss des Eimers und muht stöhnend.
Ich gehe am Kuhstall vorbei; er ist fast schon hinter mir. Ich lausche darauf, dass es etwas sagt, schon lange Zeit, bevor es das Wort sagen kann, und das, was in mir lauscht, hat Angst, es könnte keine Zeit mehr sein, es zu sagen. Ich spüre, wie mein Körper, meine Knochen, mein Fleisch sich zu trennen beginnen vom Alleinsein und sich öffnen, und dieses langsame Bald-nicht-mehr-Alleinsein ist schrecklich. Lafe, Lafe. «Lafe.» Lafe. Lafe. Ich beuge mich ein wenig vor, einen Fuß vorgestellt, ein leerer Schritt. Ich fühle das Dunkel an meiner Brust vorüberjagen, vorbei an der Kuh; ich will mich dem Dunkel entgegenstürzen, aber die Kuh hindert mich, und das Dunkel stürzt sich auf den süßen Blast ihres stöhnenden Atems voll Geruch nach Wald und Schweigen.
«Vardaman. He, Vardaman!»
Er kommt aus dem Stall. «Du verdammter kleiner Schnüffler! Du verdammter kleiner Schnüffler!»
Er wehrt sich nicht; der letzte Rest des anstürmenden Dunkels zerstiebt mit einem leisen Pfeifton. «Was ist denn? Ich hab nichts getan.»
«Du verdammter kleiner Schnüffler.» Meine Hände schütteln ihn, hart. Vielleicht konnte ich sie nicht mehr zurückhalten. Ich wusste nicht, dass sie so hart zupacken können. Sie schütteln uns beide, sie schütteln und schütteln.
«Ich hab's nie getan», sagt er. «Ich hab sie nie angerührt.»
Meine Hände hören auf, ihn zu schütteln, ich halte ihn aber noch fest. «Was tust du hier? Warum hast du nicht geantwortet, als ich dich gerufen hab?»
«Ich hab wirklich nichts getan.»
«Du gehst jetzt ins Haus und isst dein Abendbrot.»
Er weicht zurück. Ich halte ihn fest. «Lass mich los, lass mich in Ruhe.»
«Was hast du hier unten gemacht? Bist du runtergekommen, um hinter mir herzuschnüffeln?»
«Nie, nie. Lass mich jetzt los. Ich hab nicht mal gewusst, dass du hier unten bist. Lass mich jetzt!»
Ich halte ihn fest, beuge mich herunter, um ihm ins Gesicht zu sehen, taste es mit meinen Augen ab. Er ist kurz davor zu weinen. «Dann scher dich jetzt weg. Ich hab das Abendbrot hingestellt, und ich komm nach, sobald ich mit Melken fertig bin. Beeil dich lieber, sonst frisst er dir alles weg. Hoffentlich geht ihm das Gespann bis nach Jefferson durch.»
«Er hat sie umgebracht», sagt er. Er fängt an zu weinen.
«Schsch.»
«Sie hat ihm nie was getan, und er ist gekommen und hat sie umgebracht.»
«Schsch.» Ich halte ihn fest, er wehrt sich. «Sei still.»
«Er hat sie umgebracht.» Die Kuh hinter uns kommt näher, sie stöhnt. Ich schüttle ihn wieder.
«Du hörst jetzt auf damit. Auf der Stelle. Du machst dich ja noch krank, und dann kannst du nicht mit in die Stadt. Du gehst jetzt ins Haus und isst dein Abendbrot.»
«Ich will kein Abendbrot. Ich will nicht in die Stadt.»
«Dann lassen wir dich hier. Wenn du dich nicht benimmst, lassen wir dich hier. Beeil dich, sonst isst der alte grünzeugfressende Mülleimer dir alles weg.» Er geht, verschwindet langsam im Hang. Der Hügelkamm, die Bäume, das Dach des Hauses zeichnen sich gegen den Himmel ab. Die Kuh stößt mich stöhnend mit der Schnauze an. «Du musst warten. Was du in dir hast, ist nichts gegen das, was ich in mir habe, obwohl du ja auch eine Frau bist.» Sie folgt mir, stöhnend. Dann streicht die abgestandene, heiße, matte Luft mir wieder übers Gesicht. Er könnte es in Ordnung bringen, wenn er nur wollte. Und er weiß es nicht mal. Er könnte alles für mich tun, wenn er's nur wüsste. Die Kuh bläst mir ihren warmen, süßen, röchelnden Atem gegen die Hüften und den Rücken; sie stöhnt. Der Himmel liegt flach auf der Böschung, auf der geheimnisvollen dichten Kieferngruppe. Jenseits des Hangs...
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