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Zurück im Palazzo fuhr Reto sein Notebook hoch und las die Post. Nichts Besonderes war dabei, Werbung und ein paar Newsletter, die er längst abbestellen wollte. Eine Mail war von Verleger Lüthy, lakonisch wie immer:
"Wann höre ich endlich von dir?"
Lüthy erinnerte ihn ständig daran, weshalb er mietfrei in seinem Palazzo wohnte und nervte ihn mit Mahnungen wegen des ausgemachten Manuskripts. Das hätte Reto schon vor zwei Monaten liefern müssen.
Anschließend sah er die italienischen Zeitungen online durch. Die Leiche im Canal von gestern Nacht war in keinem Blatt erwähnt. Die Polizei hielt die Informationen unter Verschluss. Das war sehr ungewöhnlich.
Mit einem 'bling' kündigte sich eine Mail an.
Mailto: Reto Caminada
From: Jeanette Hungerbühler
Date: 30. Nov. 11 19:54 h
Liebster Reto!
Liebster? Interessant. Nicht schlecht. Er las weiter.
Liebster Reto! Ich habe Deine Liste durch einige Telefonbücher dieser Welt geschickt. Klar dass die geläufigen Namen Mary und William und so weiter in allen englischsprachigen Ländern haufenweise vorkommen. Die etwas fremder klingenden Namen weniger, sie finden sich besonders in New York und in London. Und in Ostafrika. Nachdem sich in den beiden Städten Bürger der ganzen Welt tummeln, ist die Liste nicht spezifisch für sie. Sie ist aber spezifisch für Ostafrika, deshalb bin ich dafür, dass du dort ansetzt, wenn du weiter kommen willst. Ich nehme an, dass die Namen von Menschen gemeint sind, auch wenn andere Alternativen nicht auszuschließen sind.
Schau, schau, hier spricht die Juristin aus der Liebsten!
Die Zahlenspalten dürften Datumsangaben sein. Sie dürften dem Namen auf der entsprechenden Zeile zuzuordnen sein. Die Daten in der zweiten Spalte umfassen einen Zeitraum von 1937 bis vor kurzem, also eine Zeitspanne, in der seither geborene Menschen noch leben können. Es werden deshalb Geburtsdaten sein. Die wenigen Zahlen in der Namensspalte machen mir Kummer. Vielleicht hatte der Betreffende keinen Namen, oder er war unbekannt? Die Datumsangaben der vierten Spalte sind schwerer zu deuten. Nicht allen Namen ist ein Datum zugeordnet. Die Daten könnten deshalb ein Ereignis kennzeichnen, das für manche Personen auf der Liste zutrifft, für andere nicht. Diese Daten gehen nur drei Jahre zurück. Ich verstehe nicht, was "do" bedeuten soll. Nachdem zu allen Zeilen mit den Buchstaben do ein Datum in der vierten Spalte gehört, liegt die Annahme nahe,
die Anwältin vergisst ihren Jargon niemals, dachte Reto
dass sich das do an diesem Tag ereignete.
Ich habe zwar eine Vermutung, die möchte ich aber mit dir persönlich besprechen. Wann kommst du nach Zürich? Kuss und alles Liebe Deine Jeanette
PS: Die Datei enthielt einen versteckten tag. Er lautet: di Stefano. Er könnte das Mordopfer sein, wenn der Stick, den er dir gab, ihm gehörte.
Ich habe ein bisschen wegen der Verpackung gesurft. Eine Tochter von BatlinPharma Suisse, BATLIN COLOMBIA, mit Sitz in Medellín, Kolumbien, betreibt in Malindi, Kenya, ein Hotel und ein Spital. Kenya liegt in Ostafrika. Komisch, findest du nicht?
Es gibt etwas, was ich Dir nicht schreiben kann.
Nach den turbulenten Ereignissen des Tages hatte er keine Lust, zu Da Franco nach nebenan zu gehen, er bereitete das Abendessen selbst zu, ein einfaches Rezept, das von seiner Mutter stammte.
Aus einem Glas eingemachten Schweinefleischs das weiße Fett oben abschöpfen und darin eine klein geschnittene Zwiebel und etwas Knoblauch in einer Pfanne anschwitzen, das Fleisch dazugeben und auf kleiner Flamme anbraten, bis es zerfällt und sich mit dem Gemüse vermengt. Zum Schluss ein oder zwei Eier darüber schlagen, kräftig mit Salz und Pfeffer abschmecken, und fertig ist das Festmahl.
Gerade als er ein Ei aufgeschlagen hatte, war Beat Lüthy am Telefon.
"Salü Reto, wie geht's denn so?"
Er erwartete das übliche Gewinsel, das sich schon mit der Mail angekündigt hatte, und gab sich reserviert.
"Es geht so. Wo brennt's?"
"Du, Reto, ich habe einen kleinen Auftrag für dich. Interessiert?"
"Ich muss hier von der Insel weg, Beat. Alle gehen mir auf die Nerven. Ich will für eine Weile auf meinem Hof nach dem Rechten sehen."
"Reto, stell dir vor, der Schweizerische Verlegerverband hat mich ausgezeichnet, sie verliehen mir den Titel 'Verleger des Jahres'. Sie wollen jetzt eine Würdigung meiner Person für die Medien. Da soll alles Positive rein, was es über eine so angesehene Schweizer Persönlichkeit wie mich zu sagen gibt, du weißt schon, was ich meine, jahrelanger verdienter Vorsitzender des Verlegerverbandes, internationale Kontakte, Mitglied des Medienbeirats des DRS, ehrenhalber Betreuer des Magazins ,OUT' für Obdachlose, Gemeinderat von Intragna, Sponsor des Behindertensports im Tessin und so weiter."
Reto konnte keine allzu große Begeisterung für Lüthys Ehrung aufbringen. Ihn plagten andere Sorgen.
"Ich musste gestern einen Mord mit ansehen und jetzt sind sie hinter mir her, ich reise ab."
"Eins nach dem andern. Schreibst den Text, das Honorar ist zweitausend Franken, Umfang etwa drei Seiten, eine Prise Humor rein, das schadet nie, aber nicht zu giftig, also genau das Richtige für dich."
Reto sagte zu, die zweitausend Franken kamen ihm gerade recht.
"Was war das mit dem Mord?", fragte Lüthy.
"Auf dem Heimweg, gestern Nacht, sah ich, wie sie einen umlegten und in den Canal warfen. Erschossen. Wenn du mich fragst, dann sage ich, das sieht nach Camorra aus. Verstehst du, dass ich hier weg will, so schnell wie möglich."
"War die Polizei da?". Die Stimme des Verlegers war lauter geworden und hatte eine höhere Stimmlage eingenommen.
"Nein. Wieso fragst du das?"
"Sie war nicht bei dir?"
Reto hörte die Angst in Lüthys Stimme, sein Palazzo könne in eine Mordsache hineingezogen werden.
"Nein, niemand war hier im Haus."
"Aber Reto, da hast du doch den Plot, nach dem du schon lange suchst. Setz dich auf deinen Hintern und schreibe!"
"Das hab ich schon gemacht, Kapitel eins ist schon skizziert."
Er wunderte sich über sich selbst, wie glatt er log. Eine Notlüge. Er konnte dem Verleger doch nicht erklären, dass er bei Rotwein in der Bar saß, als der Mord vor seiner Haustüre geschah.
"Ich schicke es dir zusammen mit deinem Ehrungstext."
"Nur her damit, her damit, sage ich."
"Noch was, Beat. Ich brauche Informationen über die BatlinPharma in Basel. Nichts, was im Internet steht, eher etwas Privates. Wie komme ich da ran?"
Lüthy schwieg kurz. Dann räusperte er sich.
"Ich habe ein paar Kontakte in Basel über meinen pro-bono-Job beim Roten Kreuz. Übrigens, vergiss den nicht bei dem Text über meine Ehrung. Ich hör mich mal um."
Er legte wie immer grußlos auf. Das betonte seine persönliche Note, über solche zeitraubenden, bürgerlichen Untugenden wie Gruß und Abschied erhaben zu sein.
Reto war während des Gesprächs in den Salon gewandert und in seinem Lehnstuhl am Marmorfenster gelandet.
Er schreckte auf. Es roch verbrannt.
Das war sein Abendessen. Gewesen.
Also doch zu Franco. Zuvor ging er nochmals die Onlinenachrichten durch.
Da, im römischen Messaggero, fand er eine unscheinbare Notiz.
Rom/Venedig (m/g). Wie die venezianische Polizei verlautbart, wurde in der Nacht vom 29. auf den 30. November eine männliche Leiche in dem die Inselgruppen Venedig und Giudecca trennenden Canal de la Giudecca aufgefunden. Der Mann, es handelt sich laut Pressemitteilung der Polizei um einen bekannten 34-jährigen römischen Journalisten, wurde durch Schussverletzungen getötet und anschließend in den Canal verbracht. Der Tote weise keine Symptome auf, die auf Ertrinken schließen ließen. Den vorläufigen Ermittlungen der Questura zufolge handele es sich eindeutig um eine Gewalttat und nicht um Selbstmord. Von dem Täter fehle noch jede Spur. Die Tatumstände deuteten auf die Täterschaft einer kriminellen Vereinigung hin.
In eigener Sache: Bei dem Toten handelt es sich um das verdiente Mitglied der innenpolitischen Redaktion des MESSAGGERO, Giuseppe di Stefano. Er war zuletzt wegen seiner mutigen Berichte über die neapolitanische Camorra aufgefallen. Ein würdigender Nachruf und eine ausführliche Zusammenfassung seiner Arbeiten über die Camorra finden sich in unserer morgigen Ausgabe.
Giuseppe di Stefano, der Name kam ihm bekannt vor.
Giuseppe di Stefano?
Reto schlug sich mit der flachen Hand vor...
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