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1.
Die Bewohner der Stadt Ninive waren Götzendiener und führten ein zügelloses Leben. Da beschloss Allah, ihnen den Propheten Yunus zu schicken, um sie zu bekehren. Doch die Bewohner von Ninive wollten nicht auf ihn hören. Sosehr Yunus versuchte, sie von der Nutzlosigkeit ihrer Götzendienerei und der Güte von Allahs Geboten zu überzeugen, sie gingen beharrlich über seine Ratschläge hinweg. Yunus warnte sie: Wenn sie weiterhin falsche Götter anbeteten, würde Allah sie bestrafen. Doch anstatt die Strafe Allahs zu fürchten, erwiderten sie, sie hätten vor seinen Drohungen keine Angst. Also beschloss der Prophet erzürnt, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Und da er fürchtete, dass die Strafe Allahs kurz bevorstehe, verließ er Ninive. Im Koran heißt es: Denk an Yunus, als der erzürnt von dannen ging und glaubte, Allah werde ihn dafür nicht strafen. Wie viel Unglück musste er dann erdulden!
Yunus war gerade erst aus der Stadt aufgebrochen, als der Himmel die Farbe wechselte, es war, als stünde er in Flammen. Bei diesem Anblick gerieten die Bewohner von Ninive in Angst. Sie wussten nur zu gut, welches Schicksal die 'Ad und Thamud und das Volk Noahs ereilt hatte. Nach und nach kam der Glaube über sie und berührte ihre Herzen. Da stiegen sie auf den Berg und begannen, Allah um Erbarmen und Vergebung zu bitten. Der Berg hallte von ihren Klagen wider. Allah, der erkannte, dass ihre Reue aufrichtig war, sah von seiner Bestrafung ab und segnete sie. Der Sturm, der sie bedroht hatte, zog über die Stadt hinweg, und die Bewohner von Ninive beteten um Yunus' Rückkehr.
Inzwischen hatte Yunus ein Boot bestiegen und war den ganzen Tag lang mit einigen anderen Reisenden durch ruhige Wasser gesegelt. Als die Nacht hereinbrach, veränderte sich das Meer mit einem Mal. Ein schrecklicher Sturm peitschte auf das Boot ein und drohte, es in Stücke zu schlagen. Hinter dem Boot durchpflügte ein großer Walfisch mit offenem Maul das Wasser. Allah hatte ihm befohlen, vom Meeresgrund aufzusteigen und dem Boot zu folgen. Der Sturm tobte weiter, und der Kapitän befahl seiner Besatzung, Ballast abzuwerfen. Die Seeleute warfen die gesamte Ladung über Bord, aber das genügte nicht. Da beschlossen sie, einen der Mitreisenden ins Meer zu werfen, um die Last noch weiter zu verringern. So, dachten sie, würden sie den Zorn der Götter besänftigen. »Lasst uns Lose ziehen und sehen, wer ins Meer geworfen werden soll«, sagte der Kapitän.
Auch Yunus, der keinem derartigen Aberglauben anhing, sah sich gezwungen, ein Los in die Schale zu legen, und beim ersten Mal wurde sein Name gezogen. Aber der Kapitän und seine Besatzung wollten ihn nicht ins Meer werfen. Sie wussten, dass er der Gerechteste unter ihnen war. Da beschlossen sie ein zweites und ein drittes Mal, das Los entscheiden zu lassen, doch immer wurde Yunus' Name gezogen. Also stand der Entschluss fest. Yunus musste ins Meer geworfen werden. Der Prophet trat auf die Brücke des Bootes und sah, wie um ihn herum der Sturm wütete. Es war stockfinster. Ein schwarzer Nebel verdunkelte die Sterne. In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass hinter allem, was da geschah, die Hand Allahs war. Yunus hatte ohne dessen Erlaubnis den ihm zugewiesenen Ort verlassen. So fügte er sich in Allahs Entschluss. Er rief dessen Namen an, warf sich ins sturmgepeitschte Meer und verschwand in den Wellen. In diesem Moment kam der Wal und verschlang ihn. Sein Gebiss schloss sich hinter ihm wie die Riegel eines Gefängnisses, und dann tauchte der Wal in die Tiefe. Nun umfingen Yunus drei Schichten von Dunkelheit, eine nach der anderen. Die Dunkelheit im Magen des Wals, die Dunkelheit des Meeres und das Dunkel der Nacht. Anfangs glaubte Yunus, er sei tot, doch dann bemerkte er, dass er sich bewegen konnte. Da dachte er an Allah und rief dessen Namen an. »La ilah illah anta subhanaka inni kuntu mina'z-zalimin. Es gibt keinen anderen Gott als Dich, Lobpreis sei Dir. Ich war ein Ungerechter.« Yunus fuhr fort, Allah mit diesen Worten anzurufen. Als der Wal seine Gebete hörte, begriff er, dass er den Propheten verschluckt hatte. Auch Allah vernahm Yunus' Anrufungen und sah seine aufrichtige Reue. Da hieß er den Wal, zurück an die Oberfläche zu kommen.
Der Prophet wurde aus dem Bauch des Wals gespien und landete auf einer abgelegenen Insel. Er war in Sicherheit, aber er litt Schmerzen. Sein Körper war von der Magensäure des Wals überzogen, und als die Sonne am Himmel emporstieg, begann seine Haut zu brennen. Yunus wiederholte unablässig seine Anrufungen. Da ließ Allah eine Kürbispflanze wachsen, um ihn vor der Sonne zu schützen und seinen Schmerz zu lindern. Allah sagte zu Yunus, dass er ohne seine Gebete bis zum Jüngsten Tag im Bauch des Wals hätte warten müssen. Yunus kehrte nach Ninive zurück und wurde von den Menschen dort freudig aufgenommen, und gemeinsam dankten sie Gott für sein Erbarmen. Der Prophet Muhammad hat gesagt: »Keiner soll sich je besser nennen als Yunus.«
»Die Geschichte ist aus. Zeit zu schlafen.«
Bruna beugt sich über ihren Sohn. Sie küsst ihn wie jeden Abend auf die Augenlider. Fährt ihm über die Stirn. Streichelt seinen Lockenkopf und pustet ihm sanft in die zerzausten Haare. Mario hat sich entschlossen, sie nicht mehr schneiden zu lassen, und so sind sie ihm in den letzten Monaten fast schulterlang gewachsen. Bruna knöpft ihm den Pyjama mit den rosa Einhörnern zu und wickelt ihn sorgfältig in die Decke ein. Dann will sie aufstehen, doch ihr Sohn hält ihre Hand fest.
»Bleib doch noch ein bisschen.«
Bruna ist müde und wäre jetzt gerne allein, aber sie wendet sich um und setzt sich an den Bettrand. Minerva schläft schon, zur Seite gedreht, die schwarzen Haarsträhnen auf dem Kissen wie Schlangen im Korb eines Beschwörers. Das Buch, in dem sie gelesen hat, ist ihr wohl aus den Händen geglitten, es liegt wahllos in der Mitte aufgeklappt.
»Ich warte auf dich«, hat sie gesagt, »dann kannst du mir erzählen, wie es im Fernsehen war.«
Aber Bruna ist zu spät nach Hause gekommen. In der Midtown lag der Verkehr lahm, so ein Andrang herrschte zu den Wahlpartys der zwei Kandidaten, die beide ihre Siegerreden in der Hand hielten. Und so ist Minerva eingeschlafen. Tom, Brunas Mann, sitzt noch mit einigen Kollegen aus dem Krankenhaus im Restaurant. Die Kinder haben allein zu Abend gegessen. Minerva hat Hühnersuppe aufgewärmt und anschließend die Küche aufgeräumt und ihren Bruder zum Zähneputzen genötigt. Dann hat sie sich vor den Fernseher gesetzt, um auf CNN die Wahlergebnisse zu verfolgen. Mario hat in einem Irving-Penn-Bildband geblättert und ist auf dem Teppich eingeschlafen, das Gesicht platt auf dem Porträt von Pablo Picasso, der ihn unter seinem Hut hindurch zu mustern scheint.
Jetzt ist es spät. Auf CNN hat die Farbe für Pennsylvania von weiß auf rosa gewechselt. Ohio ist schon seit einer Stunde rot, wie auch North Carolina. Florida lässt noch auf sich warten. Aber auch dieser dicke Penis, der ruhig daliegt, umschmeichelt von den warmen Wassern des Golfs von Mexiko, dieses riesige Wartezimmer aufs Jenseits für Millionen pensionierter Amerikaner, wird in Kürze so rot werden wie der Großteil des Landes. Auf CNN hat sich Van Jones' joviales Gesicht immer weiter verdüstert. Vor Ende der Sendung wird der afroamerikanische Kommentator vor laufenden Kameras in Tränen ausbrechen und sich schluchzend fragen, wie er das alles seinen Kindern erklären soll.
So wie sie es ihrer Mutter versprochen hatte, hat Minerva um Punkt elf den Fernseher ausgeschaltet und ihren Bruder ins Bett gebracht. Morgen schreibt sie ihre Geschichtsprüfung über den Amerikanischen Bürgerkrieg. Aber Minerva hat keine Zweifel, dass es in der Schule nur ein Thema geben wird, den Ausgang der Wahlen.
»Komische Geschichte . Ist die wahr?«, fragt Mario seine Mutter.
»Sie steht im Koran und auch in der Bibel, dort ist Yunus der Prophet Jona.«
»Dann hat es Yunus echt gegeben?«
»Kann sein. Oder vielleicht soll das Ganze nur anschaulich machen, wie sich im Leben plötzlich alles ändern kann.«
Bruna senkt den Blick und beginnt, an einem Zipfel ihres schwarzen Seidenrocks zu nesteln.
»Ich hatte mal einen Studenten, der Yunus hieß«, sagt sie und versucht, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Wie der Prophet aus dem Koran reiste auch er nach Ninive, heute heißt die Stadt Mossul.«
»Mossul . Ist das in Amerika?«
»Nein, im Irak.«
»Und ist er auch im Bauch des Wals gelandet, unter drei Schichten von Dunkelheit?«
»Ja.«
»Und wurde er auch von Gott gerettet? Hat Gott dem Wal befohlen, ihn freizulassen, weil er ein Gerechter war?«
Bruna setzt zu einer Antwort an, aber die Worte bleiben ihr im Hals stecken. Ihre Beine haben angefangen zu zittern. Ihre Faust hält noch immer den Zipfel aus schwarzer Seide umschlossen, wie um die Dunkelheit zu vertreiben. Mario umfasst ihr Gesicht mit den Händen und streicht ihr zärtlich über die Wangen, an denen langsam die Tränen hinunterrinnen. Sie hinterlassen helle Furchen in der dick aufgetragenen Fernsehschminke.
Bruna beißt sich auf die Lippen und hasst sich dafür, dass sie vor ihrem Sohn diese Schwäche gezeigt hat. Ich habe alle belogen, sagt sie sich seit Tagen immer wieder. Was werden die Kinder von ihr denken? Und Tom? Und Yunus, wie hat er sie so betrügen können? Sie hat ihm doch vertraut. Dann wischt sich Bruna die Tränen ab und wendet sich Minervas Bett zu, um sicherzugehen, dass ihre Tochter nicht aufgewacht ist. Sie weiß, dass Minerva keine Ruhe geben...
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