Schweitzer Fachinformationen
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»Eintausend Dollar! Das ist mein letztes Angebot!«
Die Dame sah nicht so aus, als ob sie erwarten würde, dass man ihr Angebot ablehnte.
»Nein.«
»Wie können Sie da nur Nein sagen?«
In der Tat, wie konnte sie nur? Es war ja nicht so, dass sie das Geld nicht gebraucht hätte. Eintausend Dollar waren für sie eine horrende Summe und natürlich wäre es ein großer Spaß, bei dieser Sache mitzumachen, aber dennoch konnte sie nicht anders, als das großzügige Angebot der aufgebrachten Millionärsgattin abzulehnen.
Mit buchstäblich quietschenden Reifen war diese kurz zuvor auf dem Kinner-Flugplatz vorgefahren und trotz ihres offensichtlich fortgeschrittenen Alters behände aus dem Wagen gehüpft. Amelia hatte sich noch gewundert, was es mit der Frau wohl auf sich hatte, die ihre Hand jetzt an die Stirn hob, um damit die Sonnenstrahlen abzuschirmen, und dann aus der Entfernung ihre kanariengelbe Maschine musterte. Kurze Zeit später war sie schon in der großen Halle verschwunden. Von dort fanden dann ein paar Wortfetzen ihren Weg über das Flugfeld bis zu Amelia. Sie konnte die Stimme Netas erkennen, ihrer Fluglehrerin, die andere musste zu der Frau aus dem Auto gehören. Von einer Art Wettstreit war da die Rede und dass Zeit Geld sei und dass sie genügend Geld habe nur eben nicht genügend Zeit. Aber Neta sagte so etwas wie dass ihr das egal sei und dass sie ihr nicht helfen könne. Amelia hörte, wie Neta vorwiegend ein Wort wiederholte, nämlich Nein. Nein, das gehe nicht. Nein, unmöglich, das sei nicht zu schaffen. Nein, nein, nein.
Schließlich war die resolute Frau, die »Nein!« offenbar nicht als Antwort gelten ließ, auf das Rollfeld gestürmt und wild entschlossen auf Amelia zugesteuert, die neben ihrer Kinner-Maschine stand und den Öldruck überprüfte.
»Sie«, hatte die Frau ausgerufen, »genau Sie! Sie sind perfekt!«
»Perfekt wofür?«, hatte Amelia gefragt.
»Ich zahle Ihnen viel Geld, wenn Sie mich auf der Stelle in unser Feriendomizil nach Santa Barbara fliegen.«
Die kleine, dicke Dame in ihrem teuren, aber für diese Jahreszeit recht unpassenden Pelzcape mit den sorgfältig in eine Wasserwelle gelegten grauen Locken reichte Amelia gerade einmal bis zum Kinn. Aber jeder Zoll an ihr sprach die unmissverständliche Sprache der reichen Oberschicht. Geld, so ihr Credo, löste alle Probleme, und als Amelia auf ihr Angebot nicht sofort reagierte, taxierte sie sie von unten und fragte: »Sie sind doch Pilotin?«
»Eigentlich«, setzte Amelia an, »bin ich erst dabei, meinen Pilotenschein . «
»Können Sie fliegen oder nicht?«, wollte die resolute Dame wissen.
»Ja«, beantwortete Amelia ihre Frage wahrheitsgetreu, »ja, das kann ich. Aber das heißt nicht, dass ich .«
»Worauf warten Sie dann noch? Ich gebe Ihnen fünfhundert Dollar!«
Für Amelia war das viel Geld, nein, für beinahe jeden, den sie kannte, waren fünfhundert Dollar viel Geld. Dennoch zögerte sie.
»Ich könnte Probleme bekommen. Ohne Pilotenschein darf ich nicht .«
Die Pelzträgerin fiel ihr ins Wort. »Achthundert Dollar!«
»Nein, wirklich, Sie verstehen nicht, ich .«
Da nannte die Dame die horrende Summe von tausend Dollar und Amelia fühlte, wie sie ein leichter Schwindel ob dieses exorbitanten Honorars überkam.
»Wie war doch gleich der werte Name?«, fragte Amelia höflich.
»Jenkins, Mrs Josephine Jenkins!« Und sie fügte hinzu: »Von den Stahl-Jenkins. Wir produzieren jedes fünfte in den Staaten verkaufte Essbesteck und liefern sogar nach Uruguay. Besonders beliebt sind unsere Campingmesser.«
Es klang, als hätte Mrs Jenkins diesen Text schon häufig aufsagen müssen. Amelia bemühte sich um einen Gesichtsausdruck, der Mrs Jenkins vermittelte, dass sie gebührend beeindruckt war, teilte ihr dann aber mit, dass sie sich trotz der ihr dargebotenen hohen Summe außerstande sehe, etwas für Mrs Jenkins tun zu können. Es tue ihr leid.
»Aber dann gewinnt er!«, rief Mrs Jenkins verzweifelt aus.
»Wer?«, fragte Amelia.
»Mullard, mein Mann!«, sagte Mrs Jenkins und bebte dabei förmlich vor unterdrücktem Zorn. »Er hat mit mir gewettet. Er sagte, er schaffe mit seinem 1919er Dodge Speedster die Strecke von L. A. nach Santa Barbara schneller als jedes Flugzeug, worauf ich ihm geantwortet habe, dass er ein schrecklicher Angeber sei und sein dämliches Automobil niemals schneller sein könne als ein Flugzeug. Dann haben wir gewettet und nun finde ich niemanden, der mich nach Santa Barbara fliegen will, damit ich vor ihm dort ankomme! Es ist eine Katastrophe!«
Mrs Jenkins wirkte plötzlich sehr unglücklich, fast hilflos. Amelia zupfte verlegen an dem mit Öl beschmierten Tuch herum, das sie in den Händen hielt.
»Eine Wette also«, stellte sie fest.
»Ja«, bestätigte Mrs Jenkins. »Mullard kann ein echter Dickschädel sein. Immer muss er recht behalten. Man stelle sich nur vor, was passieren würde, sollte er die Wette verlieren!«
»Das wäre .«, setzte Amelia an.
». so eine Genugtuung!«, stieß Mrs Jenkins seufzend hervor. »Und wenn es dann noch eine Frau gewesen wäre, die es ihm und seinem dummen, hässlichen Auto so richtig gezeigt hätte, ach, das wäre zu schön gewesen!«
Amelia schaute zur großen Halle hinüber, wo sie Neta ausmachen konnte, wie sie in der Tür stand und sie beide, Amelia und Mrs Jenkins, aus der Distanz beobachtete. Sie versuchte, in Netas Gesicht zu lesen, was sie wohl über Mrs Jenkins' Anliegen dachte, aber das war von hier aus nicht zu erkennen. Außerdem konnte man ohnehin nie so genau wissen, was Neta gerade dachte.
Mrs Jenkins rückte ihr Cape und ihren Hut zurecht und war schon drauf und dran, sich ihre äußerst schmerzliche Niederlage einzugestehen, als Amelia plötzlich das ölverschmierte Tuch in ihre Lederjacke stopfte und sagte: »Na gut, ich mach's.«
Mrs Jenkins begann zu strahlen.
»Wirklich?«, fragte sie.
»Ja, aber wir müssen uns beeilen.«
»Meine Rede!«, rief die resolute Millionärsgattin und machte sich daran, in das kleine quietschgelbe Flugzeug zu klettern, als Amelia sie darauf hinwies, dass es in der Luft ziemlich kalt werden könne.
»Aber ich habe doch mein Pelzcape!«, hielt Mrs Jenkins gut gelaunt dagegen. »Und außerdem ist heute der 3. Juli! Wir haben Hochsommer!«
Amelia schaute wieder zur Halle hinüber. Neta stand noch immer im Türrahmen. Natürlich wäre es Amelia lieber gewesen, sie hätte Neta nicht mit in die Sache hineingezogen. Das Fliegen ohne Pilotenschein war kein Kavaliersdelikt. Andererseits brauchte sie eine zuverlässige Hand beim Anwerfen des Propellers und beim Entfernen der Bremsklötze.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte sie an Mrs Jenkins gewandt und lief dann mit ein paar schnellen Schritten auf Neta zu.
»Sag mir nicht, dass du dich hast kaufen lassen«, begrüßte Neta sie.
»Tausend Dollar!« Amelia sah sie verschmitzt an. »Du bekommst die Hälfte, wenn du mir beim Starten hilfst.«
»Du hast keinen Pilotenschein«, stellte Neta unbeeindruckt fest.
»Und du keine Courage«, hielt Amelia dagegen.
Neta lachte auf. »Als ob es darum ginge. Courage, dass ich nicht lache! Du lässt dich für tausend Dollar kaufen. Das ist alles.«
»Na wenigstens bin ich nicht billig zu haben!«
Neta lachte noch einmal, aber es klang bitter und nicht so, als amüsierte sie sich. Sie setzte Amelia in einigen Sätzen auseinander, was sie von der Sache hielt und dass sie beide, sollte das Ganze je herauskommen, ihre Lizenz verlieren würden beziehungsweise Amelia sich den Pilotenschein abschminken konnte.
»Aber du musst wissen, was du tust«, stellte Neta am Ende klar. »Die Entscheidung liegt bei dir.«
»Ich fliege.«
»Also gut«, sagte Neta, »dann legen wir mal los.«
Amelia und Neta halfen Mrs Jenkins so gut sie konnten beim Einsteigen in die Maschine. Das war kein leichtes Unterfangen, denn Mrs Jenkins war wie gesagt recht klein, dick und nicht mehr die Jüngste. Doch endlich nahm sie, pelzbehangen und mit einer dreireihigen Perlenkette um den Hals, auf dem Vordersitz Platz,...
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