Schweitzer Fachinformationen
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»Viele Politiker und Politikerinnen neigen dazu, die Marktordnung nach Adam Smith für alle privaten Güter und den >Leviathan< von Hobbes - den wir heute als >souveränen Staat< kennen - für alle gemeinschaftlichen Güter zu empfehlen. Doch diese Gegensätze - privat gegen öffentlich, Markt gegen Staat - sind ärmlich. Das Denken in Gegensätzen kommt auch daher, dass sich die Politische Ökonomie in zwei Disziplinen geteilt hat: die Politik- und die Wirtschaftswissenschaft. [.] Zum bedauerlichen Erbe dieser Überspezialisierung gehört, dass in der Politik in der Regel weitreichende Vorschriften gemacht werden, die oft auf stilisierten Vorstellungen über die Wirkmächtigkeit von Institutionen beruhen.«
Elinor Ostrom, 201157
Mit der Gemeingutökonomie soll das profitmaximierende System durch konfluierende profitfreie Räume abgelöst und eine profitfreie Gesellschaft aufgebaut werden. Diese Ablösung kann nicht auf der Anbieterseite des kapitalistischen Marktes durch »solidarische Optimierung« der Produktion erfolgen. Der Schwerpunkt politischen und ökonomischen Denkens und Handelns muss von der Produktion, in der konkurrierend im Überfluss produziert wird, auf die Reproduktion verlagert werden. Der menschliche Bedarf löst die Rendite als Triebfeder der Wirtschaft ab. Die in jeder Gesellschaft vorhandenen kooperationswilligen Menschen schließen sich in Kooperativen zusammen und übernehmen schrittweise Infrastruktur und Ressourcen für ihre eigene Reproduktion.
Die Gemeingutökonomie geht also von den Verbrauchern als Akteuren aus, die zunächst die Dienstleistung der Distribution der von ihnen benötigten Produkte organisieren und damit beginnen, profitfreie Räume zu schaffen. Anschließend wird dann schrittweise die Produktion in diesen Prozess integriert. Infrastruktur und Ressourcen werden als Solidarkapital Gemeingut. Entsprechende Entscheidungsstrukturen werden entwickelt und implementiert.
John Bellers hat bereits 1696 sowohl die Schädlichkeit des Kapitalertrages als auch die Nützlichkeit des Arbeitsertrags erkannt und die Lösung des Problems mitgeliefert: »Da die Arbeitskraft der Armen die Goldgrube für die Reichen darstellt, [.] warum sollten also die Armen nicht imstande sein, sich selber zu erhalten, indem sie diese Reichtümer zum eigenen Vorteil ausnützten, und dabei noch etwas übrig behielten? Man brauchte sie nur in Form eines »Vereins« oder einer Kooperation zu organisieren, in der sie ihre Tätigkeiten gemeinschaftlich ausüben könnten.«58 Es sollte sie nicht einmal irgendjemand organisieren, sie könnten es selbst tun. Lex Janssen meint 2014 in etwa das Gleiche: »Wir müssen uns um unsere eigenen Interessen kümmern und die Kompetenz erwerben, wie wir unsere Grundbedürfnisse möglichst unabhängig vom Markt befriedigen können. Es geht mir darum, dass sich die Menschen buchstäblich in Sicherheit bringen, indem sie ihre Geldabhängigkeit verringern - und dadurch weniger erpressbar werden. Nicht immer mehr Luxusgüter, sondern gesunde Lebensmittel, Wasser, bezahlbarer Wohnraum und lokale Mobilität gilt es politisch zu sichern. Wenn ich etwas auf dem Markt kaufe, benötige ich Einkommen und muss auch die Gewinnerwartungen der Unternehmen bezahlen. Wenn ich beispielsweise eine Bürgerenergieanlage betreibe, kostet deren Anschaffung Geld, aber danach geht es nicht um Profite, sondern um Selbstversorgung.«59 Die Gemeingutökonomie konzentriert sich auf Projekte, die von den Konsumenten auf der Abnehmerseite des kapitalistischen Marktes mit der Reproduktion befasst sind. Sie beginnt mit Dienstleistungsprojekten in der Daseinsvorsorge, zunächst im Lebensmittelbereich (Dorfläden, Versorgungsgemeinschaften, Konsumgenossenschaften etc.).
Grundprinzipien der Gemeingutökonomie sind:
Die resultierende gesellschaftlich notwendige Arbeit muss von allen Erwerbsfähigen gegen ein existenzsicherndes Einkommen geleistet werden. Diese gesellschaftlich notwendige Arbeit schließt auch die Versorgung der noch nicht und der nicht mehr Arbeitsfähigen sowie der Kranken und Behinderten in Form eines Umlageverfahrens, speziell einer Solidarischen Bürgerversicherung60, ein. Gemeingutökonomie ist ein Bereich zwischen Privat- und Staatswirtschaft und kann als vergesellschaftete Reproduktion bezeichnet werden. Die Gemeingutökonomie geht davon aus, dass sich die Konsumenten organisieren. Sie soll es den Menschen ermöglichen, sich der Rolle als Ausbeutungsobjekt sowohl auf der Nachfrage- als auch der Anbieterseite des globalen profitmaximierenden Systems als Konsument und Produzent zu entziehen, um emanzipierte und aktive Mitgestalter des Gemeingutes Erde zu werden.
Es soll nicht mehr darum gehen, der Arbeit und des Profits wegen bedingungslos zu produzieren. Robert Kurz sagt zu Recht: »Arbeit als Verhaltensstörung der Moderne hat zu einer Gesellschaft der allgemeinen Unzurechnungsfähigkeit geführt.«61 Wir hingegen wollen nur produzieren, um uns möglichst solidarisch und nachhaltig reproduzieren zu können. Im Kapitalismus wird Gemeingut (Allmende) schrittweise in Privateigentum überführt. Mit der Gemeingutökonomie soll dieser Prozess umgekehrt und privates wieder in kollektives Eigentum überführt werden. Gemeingutökonomie heißt also, die Welt nicht mehr aus der Sicht des Anlegers als profitmaximierenden Betrieb anzusehen, in dem alle jahraus jahrein rund um die Uhr möglichst umsonst arbeiten, sondern als nachhaltigen Lebensraum für alle Menschen zu begreifen und zu gestalten, in welchem sich jeder einzelne und die Gesellschaft insgesamt nicht nur physisch, sondern auch sozial, intellektuell und kulturell reproduzieren und weiterentwickeln kann. Grundsätzlich geht es darum, das leistungslose Kapitaleinkommen über Kapitalerträge, zumindest aus dem Bereich der gesellschaftlich notwendigen Arbeit, also der Daseinsvorsorge, zu eliminieren.
»Bekanntlich war die Bilanz des 20. Jahrhunderts um ein vielfaches blutiger als die der gesamten restlichen Menschheitsgeschichte. Dies weist auf ernste Fehler und Mängel in der Struktur des wissenschaftlichen Denkens hin.«
Abdullah Öcalan62, 2015
Allein das genauere Studium, wie neoliberales Gedankengut beispielsweise über die Mont Pèlerin Society (MPS) mit massivster Unterstützung des Kapitals weltweit verbreitet wurde63, liefert ausreichende Hinweise, wie aufwendig es sein dürfte, das neoliberale durch ein solidarisches Gedankengut zu ersetzen. Dieser immense Aufwand ist nur zu leisten, wenn er durch eine funktionierende Gegenökonomie finanziert werden kann. Wenn auch Detmar Doering, Mitglied der Mont Pèlerin Society und Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung, meint: »Nicht die Arbeit schafft Kapital (so wie die Feinde des Liberalismus im Gefolge von Marx behaupten), sondern das Kapital schafft die Arbeit«64, so sind sich nach Erik Nölting doch Adam Smith, Urvater der Liberalen, und sein Gegenpart, Karl Marx, zumindest in diesem Punkt einig: »Aller Ertrag stammt aus der Arbeit, die alleinige Quelle aller wirtschaftlichen Werte ist.«65 Auch den Schöpfungsberichten der Religionen zufolge war nicht das Kapital, sondern der Mensch zuerst da! Also darf nicht das Kapital mit seinem leistungslosen Kapitaleinkommen, sondern es muss die Arbeit, das leistungsbezogene Einkommen, im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses stehen. Der Prozess der kapitalistischen Wertschöpfung kann mit der von Marx entwickelten Formel veranschaulicht werden:
W = c + v + m
Der Wert der Ware (W) setzt sich aus dem konstanten Kapital (c), dem variablen Kapital (v) und dem Mehrwert (m) zusammen. Im konstanten Kapital (c) sind die Kosten für die Ressourcen, die gesamte Infrastruktur...
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