Schweitzer Fachinformationen
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Jim spielt den Dummen. Es wäre zu gefährlich, wenn die Weißen wüssten, wie intelligent und gebildet er ist. Als man ihn nach New Orleans verkaufen will, flieht er mit Huck gen Norden in die Freiheit. Auf dem Mississippi jagt ein Abenteuer das nächste: Stürme, Überschwemmungen, Begegnungen mit Betrügern und Blackface-Sängern. Immer wieder muss Jim mit seiner schwarzen Identität jonglieren, um sich und seinen jugendlichen Freund zu retten.
Percival Everetts "James" ist einer der maßgeblichen Romane unserer Zeit, eine unerhörte Provokation, die an die Grundfesten des amerikanischen Mythos rührt. Ein auf den Kopf gestellter Klassiker, der uns aufrüttelt und fragt: Wie lesen wir heute? Fesselnd, komisch, subversiv.
"Es ist ein Sprachfeuerwerk und ein überaus kluges Buch. So geht Weltliteratur." Denis Scheck, WDR, 31.03.24"Witziger und dabei böser ist die amerikanische Gegenwartsliteratur lange nicht gewesen. Womöglich nicht mehr seit Mark Twain." Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.24"Eine literarische Auseinandersetzung mit dem Rassismus, wie es sie noch nicht gab." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 25.03.24"Man kann sich vorstellen, dass diese Story alles bereithält, was ein furioser Abenteuerroman braucht: Spannung und Wendungsreichtum, Cleverness und Gefühl, mithin einen eingängigen und dadurch packenden Stil. Doch zur Brillanz des Textes trägt darüber hinaus seine analytische Intelligenz bei." Björn Hayer, Der Freitag, 21.03.24"Mit 'James' revidiert Everett den amerikanischen Kanon auf subversive Weise und schafft dabei großartige Literatur. Sein kraftvoller Erzählfluss trägt die Tiefenschichten philosophischer Reflexion in sich, aber der Leser kann auch an der Oberfläche bleiben und sich von den überraschenden Wendungen der Geschichte mitreißen lassen." Martina Läubli, Neue Zürcher Zeitung, 16.03.24"Ein meisterhaft komponierter, exzellent geschriebener, die twainsche Utopie weiterdenkender Roman. Eine grandios gebaute, satirische, anrührende, höchst unterhaltsame Abenteuergeschichte. Absolut zeitgenössisch, radikal, inspirierend." Ulrich Rüdenauer, SWR lesenswert, 17.03.24"Eine Abenteuergeschichte, die scharfzüngig und humorvoll strukturellem Rassismus die Stirn bietet." SRF-Bestenliste April, 28.03.24
Die kleinen Halunken versteckten sich drüben im hohen Gras. Der Mond war nicht ganz voll, leuchtete aber kräftig, und er stand hinter ihnen, deshalb konnte ich sie sehen wie am helllichten Tag, obwohl es tiefe Nacht war. Vor der dunklen Leinwand blinkten Leuchtkäfer. Ich wartete an Miss Watsons Küchentür, kippelte mit dem Fuß auf einer lockeren Treppenstufe, wusste, dass Miss Watson mir morgen sagen würde, ich solle sie reparieren. Ich wartete darauf, dass sie mir eine Schüssel Cornbread gab, das sie nach dem Rezept meiner Sadie zubereitet hatte. Ein Sklavenleben besteht zum großen Teil aus Warten - Warten, Warten und nochmal Warten. Warten auf Anweisungen. Warten auf Essen. Warten aufs Tagesende. Warten auf den gerechten und verdienten christlichen Lohn am Ende von allem.
Diese weißen Jungs, Huck und Tom, beobachteten mich. Sie spielten immer irgendein Phantasiespiel, in dem ich entweder ein Schurke oder ein Opfer war, auf jeden Fall aber ihr Spielzeug. Sie hüpften da draußen bei den Sandflöhen, Moskitos und anderen stechenden Biestern herum, kamen mir aber kein bisschen näher. Es lohnt sich immer, Weißen zu geben, was sie wollen, deshalb trat ich in den Garten und rief in die Nacht hinaus:
»Wersndas da draußnim Dunkeln?«
Sie rumorten unbeholfen herum, kicherten. Die beiden könnten sich nicht mal an einen Blinden und Tauben anschleichen, während eine Blaskapelle spielt. Ich hätte lieber Zeit damit vergeudet, Leuchtkäfer zu zählen, als mich mit den beiden abzugeben.
»Chglaub, ich setzma lieber meine alten Knochng auf die Veranda hier un schau nomma nach dem Geräusch da. Vlleich isssas da draußen ja irngso'n Dämon oder ne Hexe. Chbleib hier, da isses sicher.« Ich setzte mich auf die oberste Stufe und lehnte mich an den Pfosten. Ich war müde, also schloss ich die Augen.
Die Jungs tuschelten aufgeregt miteinander, und ich konnte sie so deutlich hören wie eine Kirchenglocke.
»Schläft er schon?«, fragte Huck.
»Ich glaub ja. Ich hab gehört, Nigger können einfach so einschlafen«, sagte Tom und schnipste mit den Fingern.
»Pssst«, sagte Huck.
»Ich sag dir was, wir fesseln ihn«, sagte Tom. »Wir fesseln ihn an'n Verandapfosten, wo er sich gegenlehnt.«
»Nein«, sagte Huck. »Was, wenn er aufwacht und Rabatz macht? Dann kommt raus, dass ich draußen bin und nich im Bett, wie ich eigentlich sein sollte.«
»Okay. Aber weißt du was? Ich brauch Kerzen. Ich schleich mich in Miss Watsons Küche und hol mir welche.«
»Und wenn du den Jim aufweckst?«
»Ich weck niemand auf. 'n schlafenden Nigger weckt nicht mal Donner auf. Weißt du denn gar nix? Kein Donner, kein Blitz, keine brüllenden Löwen. Ich hab mal von einem gehört, der hat sogar n Erdbeben verschlafen.«
»Was meinst du, wie so n Erdbeben sich anfühlt?«, fragte Huck.
»Wie wenn dich dein Pa mitten in der Nacht aufweckt.«
Die Jungs krochen ungelenk auf allen vieren, und nicht besonders leise, über die knarzenden Verandadielen und durch die Halbtür in Miss Watsons Küche. Ich hörte sie da drin herumwühlen, Schranktüren und Schubladen öffnen. Ich hielt die Augen geschlossen und ignorierte einen Moskito, der auf meinem Arm landete.
»Na bitte«, sagte Tom. »Ich nehm mir einfach drei.«
»Du kannst einer alten Frau nich einfach Kerzen klauen«, sagte Huck. »Das is Diebstahl. Was is, wenn sie's dem Jim in die Schuhe schieben?«
»Na gut, ich lass ihr einen Nickel da. Das is mehr als genug. Die werden keinen Sklaven verdächtigen. Wo soll denn ein Sklave nen Nickel herhaben? Und jetz nix wie weg hier, bevor sie auftaucht.«
Die Jungs traten auf die Veranda. Ich glaube, ihnen war nicht im Entferntesten klar, wie viel Krach sie machten.
»Hättest ihr auch nen Zettel dalassen sollen«, sagte Huck.
»Is alles nich nötig«, sagte Tom. »Der Nickel is mehr als genug.« Ich spürte, wie sich die Blicke der Jungs auf mich richteten. Ich rührte mich nicht.
»Was machst'n du da?«, fragte Huck.
»Spiel dem ollen Jim nen kleinen Streich.«
»Lass lieber, du weckst ihn bloß auf.«
»Halt die Klappe.«
Tom trat hinter mich und packte oberhalb meiner Ohren meine Hutkrempe.
»Tom«, beschwerte sich Huck.
»Pssst.« Tom lüpfte mir den Hut vom Kopf. »Ich häng den ollen Hut bloß an den ollen Nagel da.«
»Und wozu soll das gut sein?«, fragte Huck.
»Wenn er aufwacht, wird er denken, das war ne Hexe. Wenn wir da bloß dabei sein könnten.«
»Okay, er hängt am Nagel, nix wie weg jetzt«, sagte Huck.
Im Haus rührte sich jemand, und die Jungs rannten weg, bogen in vollem Galopp um die Ecke und wirbelten Staub auf. Ich hörte ihre Schritte leiser werden.
Jetzt war jemand in der Küche, an der Tür. »Jim?« Es war Miss Watson.
»Ja, Ma'am?«
»Hast du geschlafen?
»Nein, Ma'am. Bin zwar mächtich müde, aber geschlafm habbich nich.«
»Warst du in meiner Küche?«
»Nein, Ma'am.«
»War sonst wer in meiner Küche?«
»Gesehn hab ich kein, Ma'am.« Genau genommen stimmte das sogar, weil ich ja die ganze Zeit die Augen zugehabt hatte. »Chhab kein in Ihrer Küche gesehn, Ma'am.«
»Schön, da ist dein Cornbread. Du kannst Sadie sagen, dass ich ihr Rezept gut finde. Ich habe es ein bisschen abgeändert. Um es zu verfeinern, weißt du.«
»Ja, Ma'am, richdich ihr aus.«
»Hast du Huck irgendwo gesehen?«, fragte sie.
»Ja, vorhin.«
»Wie lang ist das her?«
»Schonne Weile«, sagte ich.
»Jim, ich frage dich jetzt etwas. Warst du in Richter Thatchers Bibliothekszimmer?«
»In seim was?«
»Seiner Bibliothek.«
»Sie mein, das Zimmer mit den ganzn Büchern drin?«
»Ja.«
»Nein, Ma'am. Gesehn habbich die Bücher, aber im Zimmer drin warch nich. Warum frahng Sie mich das?«
»Ach, jemand hat ein paar Bücher aus dem Regal genommen.«
Ich lachte. »Was sollchn mim Buch?«
Sie lachte ebenfalls.
Das Cornbread war in ein dünnes Küchentuch eingeschlagen, und ich musste ständig von der einen in die andere Hand wechseln, weil es heiß war. Hungrig, wie ich war, hätte ich gern davon probiert, aber ich wollte, dass Sadie und Elizabeth die ersten Bissen bekamen. Als ich durch die Tür trat, kam Lizzie auf mich zugerannt und schnupperte dabei wie ein Spürhund.
»Was riecht denn da so?«, fragte sie.
»Ich vermute, das ist das Cornbread hier«, sagte ich. »Miss Wharton hat es nach dem Spezialrezept deiner Mama zubereitet, und es riecht wirklich gut. Sie hat mir außerdem mitgeteilt, dass sie ein paar Veränderungen vorgenommen hat.«
Sadie kam zu mir und gab mir einen Kuss auf den Mund. Sie streichelte mein Gesicht. Sie war sanft, und ihre Lippen waren sanft, aber ihre Hände waren von der Feldarbeit so rau wie meine und trotzdem zärtlich.
»Ich muss ihr gleich morgen früh das Küchentuch zurückbringen. Solche Sachen merken sich die Weißen immer. Ich bin fest überzeugt, dass sie jeden Tag Zeit dafür einplanen, Küchentücher, Löffel, Tassen und dergleichen nachzuzählen.«
»Wohl wahr. Weißt du noch, damals, als ich vergessen hatte, die Harke in den Schuppen zurückzustellen?«
Sadie hatte das Cornbread auf den Hackblock - eigentlich ein Stumpf - gelegt, der uns als Tisch diente. Sie schnitt es in Scheiben. Sie reichte Lizzie und mir Portionen. Ich biss davon ab, genau wie Lizzie. Wir sahen uns an.
»Dabei riecht es so gut«, sagte das Kind.
Sadie schnitt ein Stückchen ab und steckte es sich in den Mund. »Die Frau hat wirklich überhaupt kein Talent zum Kochen.«
»Muss ich das essen?«, fragte...
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