Schweitzer Fachinformationen
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In "Mädchen, Frau etc." verwebt Bernardine Evaristo die Geschichten schwarzer Frauen über ein Jahrhundert zu einem einzigartigen und vielstimmigen Panorama unserer Zeit. Ein beeindruckender Roman über Herkunft und Identität, der daran erinnert, was uns zusammenhält.Die Dramatikerin Amma steht kurz vor dem Durchbruch. In ihrer ersten Inszenierung am Londoner National Theatre setzt sie sich mit ihrer Identität als schwarze, lesbische Frau auseinander. Ihre gute Freundin Shirley hingegen ist nach jahrzehntelanger Arbeit an unterfinanzierten Londoner Schulen ausgebrannt. Carole hat Shirley, ihrer ehemaligen Lehrerin, viel zu verdanken, sie arbeitet inzwischen als erfolgreiche Investmentbankerin. Caroles Mutter Bummi will ebenfalls auf eigenen Füßen stehen und gründet eine Reinigungsfirma. Sie ist in Nigeria in armen Verhältnissen aufgewachsen und hat ihrer Tochter Carole aus guten Gründen einen englischen Vornamen gegeben.Auch wenn die Frauen, ihre Rollen und Lebensgeschichten in Bernardine Evaristos Mädchen, Frau etc. sehr unterschiedlich sind, ihre Entscheidungen, ihre Kämpfe, ihre Fragen stehen niemals nur für sich, sie alle erzählen von dem Wunsch, einen Platz in dieser Welt zu finden.
Stimmen zum Buch: "Evaristo hat die Gabe, von ihren Figuren mit Sympathie und Anmut zu erzählen und dabei deren Anspruchshaltung sanft aufs Korn zu nehmen. Der lockere Ton und der Humor geben diesem Roman seinen Auftrieb." The New York Times"Komplex, scharfsinnig, schmerzhaft, witzig, aufschlussreich und vor allem unterhaltsam." The Boston Globe"Evaristos Fähigkeit, zwischen den Stimmen, Orten und Stimmungen zu wechseln, erinnert an eine außergewöhnliche Dirigentin und ihr Orchester." The Paris Review "Bernardine Evaristo gehört zu den Autorinnen, die von jedem gelesen werden sollten, überall." Elif Shafak"Bernardine Evaristo hat einen halben Booker-Preis bekommen, aber sie verdient den ganzen Ruhm." The Washington Post"Sprüht vor Vitalität" Financial Times"Der Roman des Jahres." Washington Review of Books
Amma
geht an der Promenade des Wasserlaufs entlang, der ihre Stadt zerteilt, frühmorgendliche Frachtkähne ziehen langsam vorbei
links von ihr liegt die nautisch gestaltete Fußgängerbrücke mit dem schiffsdeckhaften Weg und den Segelmast-Pylonen
rechts von ihr die Biegung im Fluss, wo er vorbei an der Waterloo Bridge nach Osten fließt, hin zur St. Paul's Cathedral
sie spürt die Sonne aufgehen, noch ist es luftig, bevor Hitze und Abgase die Stadt verstopfen
weiter vorne auf der Promenade spielt jemand etwas passend Erhebendes auf der Geige
heute Abend hat Ammas Stück, Die letzte Amazone von Dahomey, im National Theatre Premiere
sie denkt daran zurück, wie sie mit dem Theater angefangen hat
wie sie und ihre Komplizin Dominique sich den Ruf erwarben, Stücke zu stören, die ihr politisches Empfinden verletzten
hinten aus dem Parkett ihre kraftvollen Schauspielerinnenstimmen hören ließen, um dann schleunigst zu verschwinden
Protest, glaubten sie, müsse öffentlich sein, penetrant und absolut nervtötend für die, denen er galt
sie weiß noch, wie sie einem Regisseur, in dessen Stück sich halbnackte schwarze Frauen aufführten wie die Bekloppten, ein Glas Bier über den Kopf geleert hat
um sich dann in die Gassen von Hammersmith zu verdrücken
mit Gebrüll
danach verbrachte Amma Jahrzehnte im Off, schleuderte als Rebellin Handgranaten auf das Establishment, das sie ausschloss
bis der Mainstream zu schlucken begann, was mal radikal war, und sie auf einmal hoffte, Teil davon zu werden
was aber erst geschah, als vor drei Jahren eine Frau das künstlerische Ruder am National übernahm
und der Anruf kam, nach so langer Zeit höflicher Absagen all ihrer Vorgänger, eines Montagmorgens gleich nach dem Frühstück, als Ammas Leben sich leer vor ihr erstreckte und sie sich auf nichts als Internetserien freuen konnte
ein tolles Stück, müssen wir machen, würden Sie auch die Regie übernehmen? ich weiß, es ist kurzfristig, aber vielleicht hätten Sie ja diese Woche mal Zeit für einen Kaffee?
Amma trinkt von ihrem Americano, wie üblich mit einem Extra-Espresso für den richtigen Kick, auf dem Weg zu dem brutalistisch grauen Theaterbau
immerhin wird der bunkerhafte Beton inzwischen mit neonhellen Displays belebt, und die Bühne hat den Ruf, eher progressiv zu sein als traditionalistisch
früher musste sie immer damit rechnen, wieder rauszufliegen, sobald sie sich durch diese Türen wagte, damals, als die Leute sich fürs Theater noch richtig in Schale warfen
und alle schief anguckten, die nicht korrekt gekleidet waren
sie will, dass die Leute ihren Stücken mit Neugier begegnen, egal, was sie tragen, sie hat ja selbst ihren eigenen Scheiß-drauf-Stil, der sich, schon richtig, wegentwickelt hat vom Klischee der Jeanslatzhosen, Che-Guevara-Mützen, Palästinensertücher und des allgegenwärtigen Buttons mit den beiden verschränkten Venussymbolen (das Herz nicht auf der Zunge, sondern am Revers)
inzwischen trägt sie im Winter silberne oder goldene Sneakers, im Sommer ihre getreuen Birkenstocks
im Winter schwarze Hosen, schlabbrig oder eng, je nachdem, ob ihr in der Woche gerade 40 oder 42 passt (obenrum immer eine Größe kleiner)
im Sommer gemusterte Pluderhosen, die knapp unterm Knie enden
im Winter bunte, asymmetrische Hemden, Pullis, Jacken, Mäntel
die wasserstoffblonden Dreadlocks das ganze Jahr über darauf getrimmt, hochzustehen wie die Kerzen einer Geburtstagstorte
silberne Creolen, klobige afrikanische Armreifen und pinken Lippenstift
das ist ihr immerwährender, persönlicher Statement-Style
Yazz
hat diesen Stil unlängst als »voll der Verrückte-Alte-Look, Mum« bezeichnet, fleht sie an, zu Marks & Spencer zu gehen wie jede normale Mutter, lehnt es ab, mit ihr gesehen zu werden, auch wenn sie eigentlich zusammen unterwegs sind
dabei weiß Yazz ganz genau, dass Amma nie auch nur ansatzweise normal sein wird, und alt ist sie mit Anfang fünfzig noch lange nicht, aber das erklär mal einer Neunzehnjährigen; fürs Altwerden braucht man sich jedenfalls definitiv nicht zu schämen
erst recht nicht, wo doch die komplette Menschheit mit drinhängt
auch wenn es ihr manchmal vorkommt, als wäre sie im Freundeskreis die Einzige, die das Älterwerden feiern will
weil es doch so ein Privileg ist, nicht vor der Zeit zu sterben, erklärt sie den anderen am Küchentisch ihres kuschligen Reihenhäuschens in Brixton, wenn die Nacht hereinbricht
und sie sich über das Essen hermachen, das alle mitgebracht haben: Kichererbseneintopf, mariniertes Hähnchen, griechischer Salat, Linsencurry, Ofengemüse, marokkanisches Lamm, Safranreis, Rote-Bete-Grünkohl-Salat, Jollof-Quinoa und glutenfreie Pasta für die richtig nervigen Prinzipienreiter
wenn sie sich Wein einschenken, Wodka (weniger Kalorien) oder irgendetwas Leberfreundlicheres, falls ärztlich verordnet
dann erwartet sie Beifall von ihnen, weil sie sich gegen den Trend des Lebensmitte-Lamentos auflehnt, erntet aber nur erstauntes Lächeln, und was ist mit den ersten Arthritissymptomen, der Vergesslichkeit und den Hitzewallungen?
Amma geht an der jungen Fiedlerin vorbei
lächelt dem Mädchen aufmunternd zu, was dieses erwidert
angelt ein paar Münzen aus der Tasche, wirft sie in den Geigenkasten
noch nicht bereit, das Rauchen aufzugeben, lehnt sie sich an die Ufermauer und zündet sich eine an, verabscheut sich selbst dafür
ihrer Generation hat die Werbung noch weisgemacht, sie würden dadurch erwachsen wirken, glamourös, mächtig, klug, begehrenswert und vor allem cool
dass es letzten Endes tötet, hat ihnen kein Mensch gesagt
sie schaut auf den Fluss hinunter, spürt den warmen Rauch durch die Speiseröhre wandern, die Nerven beruhigen, den Adrenalinrausch des Koffeins niederkämpfen
beinahe vierzig Jahre voller Premieren, und sie macht sich immer noch ins Hemd
was, wenn sie verrissen wird? wenn sie nur Ein-Stern-Bewertungen bekommt, was hat sich das große National Theatre bloß dabei gedacht, sich diese hundsmiserable Hochstaplerin ins Haus zu holen?
klar weiß sie, dass sie keine Hochstaplerin ist, sie hat fünfzehn Stücke geschrieben und bei mehr als vierzig Regie geführt, und wie stand es einmal in einer Kritik: auf Amma Bonsu ist Verlass, sie scheut kein Risiko
was, wenn das Publikum bei der Voraufführung mit seinen Standing Ovations nur nett sein wollte?
ach, halt die Klappe, Amma, du bist ein altgedientes Schlachtross, schon vergessen?
schau
die Besetzung ist fantastisch: sechs erfahrene Schauspielerinnen (sturmerprobte Veteraninnen), sechs in der Mitte ihrer Laufbahn (die bis hierher durchgehalten haben) und drei neue Gesichter (naive Hoffnungsträgerinnen), darunter die hochtalentierte Simone, die grundsätzlich mit glasigem Blick in die Probe getapst kommt, wieder einmal vergessen hat, das Bügeleisen auszustöpseln, den Herd auszuschalten oder das Schlafzimmerfenster zu schließen, und dann wertvolle Probenzeit damit vergeudet, in heller Panik ihre Mitbewohnerinnen anzurufen
vor ein paar Monaten hätte sie für ein Engagement wie dieses noch ihre Großmutter in die Sklaverei verkauft, jetzt gibt sie die verwöhnte kleine Primadonna, die vor zwei Wochen, als sie zufällig allein im Probenraum waren, allen Ernstes ihre Regisseurin abkommandieren wollte, ihr einen Caffè Latte mit Karamell zu holen
ich bin ja so fertig, jammerte Simone und ließ dabei durchblicken, das sei allein Ammas Schuld, weil die sie so hart rannahm
unnötig zu erwähnen, dass sie Little Miss Simone Stevenson die Meinung gegeigt hat
Little Miss Stevenson - die glaubt, nur weil sie frisch von der Schauspielschule am National gelandet ist, stünde sie schon mit einem Fuß in Hollywood
na, das wird sie
noch sehen
in solchen Momenten vermisst Amma Dominique, die sich vor Ewigkeiten nach Amerika abgesetzt hat
eigentlich müssten sie ihren Durchbruch doch teilen
sie lernten sich in den Achtzigern kennen, beim Vorsprechen für einen Film, der in einem Frauengefängnis spielen sollte (wo sonst?)
beide ernüchtert, weil sie nur für Rollen wie Sklavinnen, Hausangestellte, Prostituierte, Kindermädchen oder Kriminelle in Frage kamen
und die Rolle dann doch nie kriegten
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