1. Einleitung: Das Ende Konstantins; seine Söhne haben die Herrschaft angetreten1
Inhaltsverzeichnis Vor kurzem erst feierte das ganze Menschengeschlecht mit Festlichkeiten und Freudenmahlen den Umlauf der verschiedenen Jahrzehnte, des zweiten und des dritten in der Regierung des großen Kaisers; vor kurzem erst brachten auch wir selber inmitten einer Versammlung der Diener Gottes in Lobpreisungen anläßlich seines zwanzigjährigen Herrscherjubiläums dem ruhmreichen Sieger unsere Huldigungen dar; schon haben wir ihm auch zu Ehren seiner dreißigjährigen Regierung mit unsern Worten Kränze geflochten und damit erst jüngst im Palaste selbst sein geheiligtes Haupt bekränzt. Jetzt aber steht uns der Geist2 ratlos da, da er wohl in gewohnter Weise zu ihm sprechen möchte, aber nicht weiß, wohin er sich auch nur wenden sollte, und bestürzt ist allein schon durch den fremdartigen, wunderbaren Anblick. Denn wohin er auch scharfen Auges blickte, ob nach Osten oder nach Westen, ob selbst über die ganze Erde hin oder sogar zum Himmel empor, überall und allerorts schaute er den seligen Kaiser gegenwärtig. Auf Erden sieht er, daß seine Söhne wie neue Leuchten das All mit seinem Glanze erfüllen und daß er selbst in seiner Macht fortlebt und noch kräftiger als ehedem das ganze Leben der Menschen lenkt, vervielfältigt in seinen Söhnen, die ihm nachfolgten. Hatten diese schon früher die Würde von Cäsaren gehabt, so zogen sie jetzt durch ihre Tugend der Gottesfurcht gleichsam ihn selber an und wurden zu unbeschränkten Herrschern, zu erhabenen und verehrungswürdigen Kaisern erhoben3, ausgezeichnet durch die herrlichen Eigenschaften ihres Vaters.
2. Fortsetzung der Einleitung.
Inhaltsverzeichnis Und da mein Geist sieht, wie der Kaiser, der vor kurzem noch in der sterblichen Hülle des Körpers geschaut wurde und mitten unter uns weilte, auf die seltsamste Art auch noch nach seinem Lebensende, bei dem doch die Natur alles Überflüssige als fremd verschmäht, gerade so wie vormals der kaiserlichen Paläste, Schätze, Ehren und Lobpreisungen sich rühmen kann, wird er erfaßt von maßlosem Staunen. Wenn er dann gar noch bis zu des Himmels Gewölbe sich erhebt, glaubt er auch dort zu schauen, wie die dreimal glückliche Seele des Kaisers bei Gott selber weilt, jeder sterblichen und irdischen Umhüllung ledig und glänzend in strahlendem Lichtgewande. Wenn er dann erwägt, daß sie nicht mehr durch die Schranken wenn auch langer Zeiträume im Verkehr mit den Sterblichen beengt wird, sondern mit dem immer blühenden Diadem endlosen Lebens und mit der Unsterblichkeit seliger Ewigkeit geehrt ist, so steht er erstaunt da, weil er eben nur ein sterblicher Geist ist. Kein Wort vermag er hervorzubringen; er muß seiner eigenen Schwäche das Urteil sprechen und darum sich selber Schweigen auferlegen; so räumt er denn dem stärkeren und allesumfassenden Logos den Vorzug in den wetteifernden Lobpreisungen ein; ihm, dem Unsterblichen, dem Logos Gottes, ist es ja auch allein möglich, die eigenen Worte zu bekräftigen.
3. Gott ehrt fromme Herrscher und stürzt Tyrannen.
Inhaltsverzeichnis Denn da er durch diese vorherverkündet hatte, daß denen die ihn verherrlichten und ehrten, mit überreichen Gnaden vergolten werde, daß hingegen, wer sich als seinen Widersacher und Feind erkläre, nur das Verderben seiner Seele sich erwirke, hat er somit die Verheißung seiner Worte schon dadurch als truglos erwiesen, daß er das Lebensende der gottlosen und gottfeindlichen Tyrannen fluchbeladen erscheinen ließ, seinem Diener hingegen außer dem Leben auch noch den Tod beneidenswert und ruhmreich machte, so daß auch dieser denkwürdig und nicht vergänglicher, sondern unvergänglicher Ehrensäulen würdig wurde. Wohl hat ja schon die Natur der Sterblichen einen Trost für das Ende sterblicher Vergänglichkeit gefunden und geglaubt, durch das Aufstellen von Bildwerken das Andenken der Vorfahren mit unvergänglichen Ehren zu feiern, und da die einen durch die Licht- und Schattenwirkungen der farbenprächtigen Wachsmalerei, andere durch Schnitzerei aus lebloser Materie menschenähnliche Gestalten herstellten, wieder andere auf Tafeln und Säulen tiefe Schriftzüge eingruben, wähnten sie den edlen Eigenschaften derer, die sie ehren wollten, ein ewiges Andenken zu sichern. Das war aber alles vergänglich und mußte mit der Länge der Zeit verfallen; war es ja nur das Abbild sterblicher Leiber, nicht aber ein Abdruck vom Wesen der unsterblichen Seele. Gleichwohl schien dieses denen zu genügen, die keine Hoffnung auf ein anderes Gut nach dem Ablauf des sterblichen Lebens kannten. Gott aber, Gott der gemeinsame Erlöser aller, hat denen, die die Frömmigkeit lieben, Güter bei sich aufbewahrt, die jeden sterblichen Begriff übersteigen, und er gibt in den Erstlingsgaben des Siegespreises hier auf Erden nur im voraus ein Unterpfand, um dadurch den sterblichen Augen einigermaßen die unsterblichen Hoffnungen zu bekräftigen. Das verkünden die alten Aussprüche der Propheten, wie sie aufgeschrieben stehen; das bezeugt das Leben gottgeliebter Männer, die durch verschiedenartige Tugenden ehedem geleuchtet haben und bei der Nachwelt nicht in Vergessenheit geraten; das hat auch unsere Zeit als wahr erwiesen, da Konstantin allein von allen, die je das römische Reich beherrscht haben, der Liebling Gottes, des höchsten Herrschers, und für alle Menschen ein leuchtendes Beispiel gottesfürchtigen Lebens geworden ist.
4. Gott hat Konstantin geehrt.
Inhaltsverzeichnis Das hat auch Gott selbst durch hilfreichen Beistand beim Beginn, im Verlaufe und am Schlusse der Regierung seines treuen Dieners Konstantin auf augenscheinliche Weise bekräftigt, da er den Mann aufgestellt hat, als Lehrmeister dem Menschengeschlechte ein gottesfürchtiges Beispiel zu geben. Ja, allein ihn hat er unter allen Gewalthabern, von denen man seit unvordenklichen Zeiten gehört hat, wie einen stark glänzenden Stern und einen starkstimmigen Herold der untrüglichen Gottesfurcht hingestellt, bei ihm auch allein die sichere Gewähr für die eigene Gottesfurcht durch mannigfaltige Gnaden gegeben, die er ihm zuteil werden ließ.
5. Konstantin hat in Frömmigkeit über dreißig Jahre die Alleinherrschaft geführt und über sechzig Jahre gelebt.
Inhaltsverzeichnis Der Zeit nach zeichnete er ihn aus durch eine Regierung von drei vollen Jahrzehnten und noch etwas mehr, während er die Dauer seines Lebens unter den Menschen auf das Doppelte davon festsetzte. Da er in ihm ferner das Bild seiner eigenen machtvollen Alleinherrschaft erstrahlen ließ, machte er ihn zum Sieger über die ganze Schar der Tyrannen und zum Vernichter der gegen Gott ankämpfenden Giganten, die im Wahnwitz ihres Herzens sogar gegen den unbeschränkten Herrscher des All die Warfen ihrer Gottlosigkeit erhoben hatten. Während aber diese gleichsam nur einen Moment aufleuchteten, um sofort wieder zu erlöschen, hat der alleinige Gott seinen Diener, der allein gegen viele stand, mit göttlicher Rüstung bewaffnet, durch ihn die Welt von der Rotte der Gottlosen gereinigt und ihn für alle Völker aufgestellt, daß er sie die Gottesfurcht lehre, er, der es mit lauter Stimme vor aller Ohren bezeugte daß er den wahrhaftigen Gott erkenne und den Irrglauben an die falschen Götter verabscheue.
6. Konstantin war Gottes Knecht und Besieger der Völker.
Inhaltsverzeichnis Da nun Konstantin wie ein treuer und guter Diener also wirkte und lehrte und sich offen als Knecht und Diener des höchsten Herrschers bezeichnete und bekannte, hat Gott es ihm sogleich vergolten und ihn zum Herrn und Herrscher gemacht, zu einem Sieger, der allein von allen Gewalthabern, die je gelebt haben, unbezwinglich und unüberwindbar war, im Gegenteil immer siegte und sich allzeit der Denkmale seiner Siege über die Feinde freuen konnte. Einen solch mächtigen Herrscher ließ Gott ihn werden, wie man von keinem auch der ältesten Zeiten vernommen hat und weiß; denn so gottgeliebt und dreimalselig ward Konstantin, so fromm und durchaus glücklich, daß er mit aller Leichtigkeit mehr Völker als die früheren Kaiser sich unterwarf und seine Herrschaft von Leid bewahrt sah bis zum letzten Augenblick.
7. Vergleich mit dem Perserkönig Kyrus und dem Makedonierkönig Alexander.
Inhaltsverzeichnis Vom Perser Kyrus rühmt wohl die alte Kunde, daß er der glänzendste unter den Herrschern aller Zeiten gewesen sei. Doch nicht darauf, sondern auf das Ende seines langen Lebens sollte man sehen, und da wird berichtet, daß er keinen glückseligen Tod, sondern ein Ende voll Schmach und Schande von der Hand eines Weibes gefunden hat. Vom Makedonier Alexander singen die Söhne der Griechen, daß er Hunderte von Stämmen mannigfaltiger Völker sich unterworfen hat, doch auch dieses, daß er, noch ehe er zum Manne herangereift war, vom frühen Todeslos ereilt dahingegangen ist, hinweggerafft durch seine Ausschweifungen und Schwelgereien. Nur zweiunddreißig Jahre hat dieser im ganzen gelebt und davon nahm seine Regierungszeit nur den dritten Teil ein; und er ist durch Blut gewatet, ein Mann, der wie ein Sturmwind dahinfuhr und ohne Rücksicht auf ein Alter schonungslos ganze Völker und Städte der Sklaverei überantwortete. Kaum aber stand er ein wenig in der Blüte seiner Jahre, noch trauerte er um seinen Liebling4, da trat furchtbar an ihn das unabwendbare Verhängnis heran und raffte ihn hinweg, kinderlos, heimatlos, losgerissen vom Boden, dem er entsprossen, auf fremder, feindlicher Erde, auf daß er nicht noch lange Zeit dem Menschengeschlechte Schmach und Verderben bringe. Sogleich aber ward sein Reich zerstückelt,...