GLOBALE AUFGABEN, TIEFE PARTNERSCHAFTEN
Die Entwicklungsperspektiven sind weltweit schwierig. Mit der nachlassenden Inflation wird es zwar allmählich etwas leichter, Projekte zu finanzieren. Aber die anhaltenden Folgen der Pandemie, der Krieg in der Ukraine, der Gaza-Krieg und die wachsende geopolitische Fragmentierung sorgen überall für ungewöhnlich verhaltene Wachstumsaussichten. Im Kampf gegen Armut und auf dem Weg zu einer grüneren Wirtschaft geht es nur langsam vorwärts. Deshalb sind Partnerschaften so wichtig, zusammen mit einem Fokus auf regionale Kernprioritäten.
NACHLASSENDES WACHSTUM UND GEOPOLITISCHER KONTEXT IM WANDEL
Jahrzehntelang konzentrierte sich die globale Wachstumsverlangsamung auf fortgeschrittene Volkswirtschaften. Doch jetzt erreicht sie auch Schwellen- und Entwicklungsländer. Prognosen zufolge kommt das weltweite Wachstum im Zeitraum 2024-2028 nicht über 3,1 Prozent hinaus. Das hat schwerwiegende Folgen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Gleichzeitig spiegeln sich im verhaltenen Wachstum teils auch geopolitische Spannungen. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine schürt schon seit über zwei Jahren Unsicherheit. Im Oktober 2023 kam der Konflikt in Gaza dazu. Da eine regionale Eskalation bislang verhindert werden konnte, halten sich wirtschaftliche Ausstrahlungseffekte und die Marktreaktion noch in Grenzen.
Seit der großen Finanzkrise 2008 stagnieren die weltweiten Finanzströme. Darin zeigt sich ein längerfristiger globaler Trend zur geopolitischen Fragmentierung. Die Stagnation könnte sich negativ auf den Kampf gegen den Klimawandel und auf die UN-Entwicklungsziele auswirken, für die im großen Stil globales Kapital mobilisiert werden muss. Erfreulich ist, dass Handelsströme, die Schwellen- und Entwicklungsländer betreffen, Ende 2023 ein Wachstum von fast 5 Prozent verzeichneten. Laut Handels- und Entwicklungskonferenz der UN (UNCTAD) legte der Handel aber nur unter Ländern zu, die ähnliche Werte vertreten - sogenanntes "friend-shoring".[6]
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie trafen vor allem Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Ihre Regierungen verfügen über wenig finanziellen Spielraum, und sie hatten nur begrenzt Zugang zu Impfstoffen. Viele dieser Länder sind bis heute nicht auf ihren Vor-Corona-Wachstumstrend zurückgekehrt. Pandemie und Ukraine-Krieg machen jahrzehntelange Fortschritte im Kampf gegen Armut zunichte, weil die Verteuerung von Energie und Nahrungsmitteln arme Menschen am stärksten belastet. Laut Weltbank leben etwa 700 Millionen Menschen weltweit in extremer Armut, sie verfügen über weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag.[7] Bei Kindern ist die Wahrscheinlichkeit, in extremer Armut zu leben, mehr als doppelt so hoch wie bei Erwachsenen.
SCHULDENPROBLEM NICHT GELÖST
Schwellen- und Entwicklungsländer müssen ihre Ausgaben für wichtige soziale Sicherheitsnetze und dringend benötigte Infrastruktur wegen hoher Schulden einschränken. Mit dem Ausbruch der Pandemie wurden weltweit mehr Schulden aufgebaut, im öffentlichen wie im privaten Sektor. Nach der Pandemie ließen starkes Wachstum und eine höhere Inflation das nominale Bruttoinlandsprodukt in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ansteigen, sodass die Schuldenquote dort sank. Anders in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern: Hier kletterte die öffentliche Schuldenquote weiter nach oben. Und selbst in den Ländern, in denen sie fällt, könnte eine Kombination aus anhaltendem Haushaltsdefizit und nachlassender Inflation die Entwicklung schon bald wieder umkehren.
Die steigende Verschuldung der Schwellen- und Entwicklungsländer fiel ungünstigerweise mit restriktiveren Finanzierungsbedingungen zusammen. Dahinter verbarg sich eine Kombination aus höheren inländischen Leitzinsen, einer geringeren globalen Risikobereitschaft und einem starken US-Dollar. Mittlerweile werden die Bedingungen allmählich wieder gelockert. Erstmals seit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg kehren einige afrikanische Länder an die internationalen Anleihemärkte zurück. Allerdings sind die Schwellen- und Entwicklungsländer heute höher verschuldet, sodass sie trotz gelockerter Bedingungen höhere Zinsen auf ihre Staatsanleihen zahlen müssen als vor Corona. Im Dezember 2023 bewegte sich der Anteil der Schwellenländer mit Anleiherenditen, die mehr als 10 Prozentpunkte über US-Staatsanleihen lagen, bei 19 Prozent. Damit ist das Hoch vom Juli 2022 bei 32 Prozent zwar überwunden, dennoch bleibt dieser Anteil deutlich über den 5 Prozent von 2019.[8]
Durch eine höhere Inlands- und Auslandsverschuldung, die auf hohe Zinsen trifft, sind die Kosten vieler Länder für den Schuldendienst enorm unter Druck geraten. Dieser Druck wird weiter steigen, wenn billige Kredite zu den aktuellen, höheren Zinssätzen refinanziert werden. Vor allem Länder südlich der Sahara müssen einen höheren Schuldendienst leisten, der zudem schneller ansteigt als in anderen Regionen. Schwache Wechselkurse verschärften die Probleme von Ländern mit hohen Fremdwährungsschulden zusätzlich. Als die US-Notenbank 2022 ihre Geldpolitik aggressiv straffte, ließ der höhere US-Dollar in einigen Ländern die Verschuldung in die Höhe schnellen, mitsamt den Kosten für den Schuldendienst. Aufgrund all dieser Faktoren gibt es aktuell 10 Länder mit niedrigem Einkommen, die überschuldet sind, und 26 mit hohem Überschuldungsrisiko.[9]
Diese Situation erfordert ein besonnenes und stabiles politisches Umfeld. 2024 stehen jedoch vielerorts Wahlen an - laut Moody's in mindestens 42 Staaten. Sie stehen für etwa 2 Milliarden Menschen, für 44 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und für 50 Prozent der weltweiten Staatsverschuldung.[10] Während die Medien vor allem auf die USA blicken, sorgt der Urnengang auch in anderen Ländern für erhöhte politische Unsicherheit: etwa in Indien, Indonesien, Mexiko oder Südafrika.
INVESTITIONSLÜCKEN WACHSEN
Angesichts des schwierigen makrofinanziellen Umfelds steigt der Mittelbedarf für die grüne Wende und die UN-Entwicklungsziele der Agenda 2030. Der UNCTAD-Weltinvestitionsbericht[11] beziffert die jährliche Finanzierungslücke für die UN-Ziele in den Entwicklungsländern auf 4 Billionen US-Dollar. 2015, als die Ziele verabschiedet wurden, lag der Fehlbetrag noch bei 1,5 Billionen US-Dollar. Zusätzlich werden dort jährlich Investitionen von 1,7 Billionen US-Dollar in grüne Energie benötigt. Doch grüne ausländische Direktinvestitionen fließen weiter vor allem in fortgeschrittene Volkswirtschaften.
Multinationale Entwicklungsbanken haben gezeigt: In wirtschaftlich turbulenten Zeiten, wenn andere Kreditquellen versiegen, können sie den Kreditfluss in Gang halten und damit eine Schlüsselfunktion erfüllen. Da die Finanzierungsbedingungen in vielen Ländern und Volkswirtschaften schwierig bleiben, sind vergünstigte Kredite unverzichtbar. Unsere Entwicklungspartner stehen vor großen Herausforderungen. Investitionen, die ihre Finanzlage gefährden, sind nicht nachhaltig - auf dieser Erkenntnis beruht die Global-Gateway-Initiative. Globale Partnerschaften werden sich deshalb noch stärker etablieren, um eine Zukunft in Wohlstand für alle zu ermöglichen.
ZUSAMMEN MIT PARTNERN, REGION FÜR REGION
Die EIB ist seit über 60 Jahren außerhalb der EU aktiv, über EU-Mandate und Finanzierungen auf eigenes Risiko. Jetzt passt die EIB Global ihre Aktivitäten an den Entwicklungsbedarf der einzelnen Regionen, lokale Gegebenheiten und die Prioritäten der EU-Außenbeziehungen an. Unter NDICI, dem EU-Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit, wurden alle für die EIB Global maßgeblichen Mandate vereint.
Um die EU-Ausrichtung sicherzustellen, wird der strategische Fokus der EIB Global nach Regionen festgelegt. Der Strategie-Fahrplan der EIB Global enthält folgende regionale Prioritäten:[12]
Erweiterungsländer: Die EIB Global unterstützt die EU-Erweiterungsstrategie. Sie hilft den Ländern bei ihren Beitrittsvorbereitungen, vor allem bei der wirtschaftlichen Konvergenz und der Integration in die EU, und fördert den Wiederaufbau der Ukraine.
EU-Nachbarschaft: Die EIB Global setzt die Europäische Nachbarschaftspolitik um, etwa die EU-Agenda für den Mittelmeerraum und die Strategie für die Östliche Partnerschaft; unter dem Wirtschafts- und Investitionsplan und dem Grünen Deal finanziert sie Projekte für mehr Stabilität, Wohlstand und Resilienz.
Afrika südlich der Sahara: Die EIB Global unterstützt Global Gateway und die UN-Entwicklungsziele, im Fokus: smartes, gerechtes Wachstum, geschlechtergerechte Investitionen und Klimaanpassung in weniger entwickelten Ländern.
Lateinamerika, Karibik, Asien, Zentralasien und Pazifik: Die EIB Global konzentriert sich unter Global Gateway auf den großen Bedarf an Klimafinanzierungen und die Anpassung sowie auf strategische Vernetzung und Partnerschaften.
Dieser Teil gibt Auskunft darüber, welche Prioritäten die EIB Global in den einzelnen Regionen verfolgt und was sie erreicht hat. Zunächst richten wir den Blick aber auf die Ukraine und die Anstrengungen der EIB Global für das Land im Krieg.
UKRAINE
2023 nahm die Ukraine Beitrittsverhandlungen mit der EU auf, während Russland seinen Angriffskrieg fortführte. Die EIB Global setzte sich weiter dafür ein, schneller Mittel in Richtung Ukraine fließen zu lassen, um die Widerstandsfähigkeit des Landes, seinen künftigen Wiederaufbau und Wohlstand zu unterstützen. Aktuell konzentriert sich die EIB darauf, Städten bei der...