Schweitzer Fachinformationen
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Die Sonne geht auch über Leichen auf ...
Frühmorgens im berühmten Park Güell in Barcelona: Still sitzt ein Mann auf der Bank, ihm zur Seite sein treuer Hund. Doch die Idylle trügt, der Mann ist tot, gestorben an der Überdosis eines Betäubungsmittels. War es Selbstmord oder Mord? Comissari Jaume Soler übernimmt die Ermittlungen, und schon kurze Zeit später taucht in einem anderen Park eine zweite Leiche auf. Wieder war Betäubungsmittel im Spiel. Eine weitere Übereinstimmung scheint es nicht zu geben. Zufall, oder hat Comissari Soler es mit einer Mordserie zu tun? Eine Frage, die sich auch seine Schwester Montse stellt und ihm mit eigenen Nachforschungen dazwischenfunkt ...
Das Telefon zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, trat Comissari Jaume Soler Martí auf die Terrasse und schloss die Knöpfe seines Hemdes.
»Wir stehen in deinem Vorgarten«, brummte Calderon in den Hörer. »Kannst uns fast sehen.«
Den Park Güell als seinen Vorgarten zu bezeichnen, erschien Jaume in mehrerer Hinsicht eine Nummer zu groß. Dennoch kniff er automatisch die Augen zusammen und spähte über die Dächer des Viertels bis zu den grünen Wipfeln. »Wo genau?«
»Wo es am schönsten ist. Wo alle hinwollen. Und wenn du mich fragst, sind auch schon alle da.«
Alle, bis auf ihn. Das gehörte zu den kleinen Annehmlichkeiten, seit er sich Jefe nennen durfte: leitender Kommissar bei den Mossos d'Esquadra im Bereich Kapitalverbrechen und spezialisiert auf Mordermittlungen, mit zwei ihm ständig zugeteilten Mitarbeitern. Kein wirklich hohes Tier, aber im Rahmen seiner Tätigkeit anderen gegenüber weisungsbefugt. Nicht, dass er jemals eine Führungsposition angestrebt hätte. Irgendwie war es einfach passiert, und nun war er ein Vorgesetzter. Ergo musste er morgens nicht der Erste am Schreibtisch sein. Trotzdem kam es häufig vor. Weil er es mochte, den Tag in Ruhe zu beginnen. Doch danach sah es heute definitiv nicht aus.
»Wir können nichts machen. Verstehst du? Das ist der reinste Eiertanz, wegen diesem blöden Hund. Und alles voll mit Gaffern. Am liebsten würde ich von allen die Personalien aufnehmen und jeden hier einbestellen!«
Jaume schüttelte den Kopf. Calderons schlechte Laune gehörte ganztags zum Standardprogramm, aber vor seinem zweiten Frühstück war es besonders schlimm. »Durchatmen. Die gehen auch wieder.« Immerhin versuchte der Kollege, seinen Rat zu befolgen und schnaufte laut.
»Soll dich jemand abholen?«
»Nein. Nicht nötig.« Zehn Minuten, mehr brauchte er nicht zu Fuß, wenn er die Verbindungstreppen nutzte, die die kurvige Straße abkürzten. Er durchquerte die Wohnung, schlüpfte in seine Slipper und zog die Tür von außen ins Schloss. Stille blieb zurück, der er gerne entfloh. Mit wehmütigem Blick ließ er den Aufzug links liegen. Sein selbst auferlegtes Fitnessprogramm duldete keine Ausnahme für die drei Stockwerke. »Bin unterwegs.«
»Beeil dich, Jefe.« Calderon seufzte. »Bitte.«
Fluchend steckte Jaume das Mobiltelefon weg und legte einen Gang zu. Vor dem Haus bog er scharf rechts ab, erreichte nach kurzem Spurt die Hauptstraße und winkte mit gezücktem Dienstausweis einen Wagen heran. Eine Minute später saß er im Taxi. Fitness hin oder her - Calderon hatte >bitte< gesagt -, also handelte es sich eindeutig um einen Notfall. Er musste sich sputen und Kraft sparen. Nach nur drei weiteren Minuten stieg Jaume am Parkeingang an der Carreta del Carmel wieder aus. Auf dem großzügig angelegten Vorplatz standen Souvenirverkäufer und Imbisswagen, und über die sandfarbenen Mauern reckten Palmen ihre gefiederten Blätter. Blaue Bänder zwangen die Touristenschlange an der Kasse in eine ordentliche Reihe. Wer heute ein Zeitfenster-Ticket für den Kernbereich der Anlage kaufen wollte, würde noch mehr Geduld aufbringen müssen als sonst. Denn genau dort, an einer der beiden meistbesuchten Stellen des Park Güell, wartete Calderon mit einer Leiche. Und das brachte üblicherweise jeden Zeitplan durcheinander.
Verstimmt gestand Jaume sich ein, dass seine Zeitschätzung zu optimistisch gewesen war. Dabei hatte er sich eingebildet, seinen >Vorgarten< ziemlich gut zu kennen. Die versprochenen zehn Minuten schaffte er auch mit Taxiunterstützung gerade eben so.
Ein veritabler Menschenauflauf markierte sein Ziel. Überragt von zwei Mann der Reiterstaffel, die hoch zu Ross den Durchgang verwehrten. Auch ohne Ortskenntnis hätte er die Stelle somit kaum verfehlen können. Das Fell der Pferde glänzte in der Morgensonne unter wolkenlosem Himmel.
Trotz der laufenden Sanierungsarbeiten an der Plaça de la Natura riss der Touristenstrom nicht ab. Jeder wollte einmal auf dieser Terrasse gestanden haben. Jeder brauchte ein paar Schnappschüsse mit der schlangenförmig gewundenen Bank, die diese einfasste und deren Lehne zugleich die Balustrade bildete. Weltberühmt für ihr buntes Mosaikmuster und natürlich für den atemberaubenden Fernblick. Kaum einer ließ sich durch ein paar Bagger von seinem Vorhaben abbringen. Nun musste der Andrang der Gäste doppelt kanalisiert werden, zum Treppenabgang hin und um den Leichenfundort herum. Neben ein paar Unannehmlichkeiten brachte das auch unerwartete neue Fotomotive mit sich. Ein Meer aus Handys und Selfiesticks wogte über den Köpfen.
Im Vorbeigehen grüßte Jaume die Reiter, bewunderte die würdevolle Ausstrahlung und Gelassenheit von Mensch und Tier. Eine eingespielte Einheit, die es gewohnt war, angestarrt und abgelichtet zu werden.
Bei Calderon sah das anders aus. Der war weit entfernt von abgeklärter Ruhe. Mit Domenech, der auch ohne Pferd stets eine tadellose Haltung bewahrte, Kollegen der Guardia Urbana und einem Mann in Zivil bildete er einen unordentlichen Halbkreis. Ein improvisierter Sichtschutz schirmte einen Teil der Besucherblicke ab. Etwas abseits harrten die Sanitäter neben ihrem Fahrzeug aus, das ebenfalls ein wenig Deckung bot. Jaume gesellte sich zu ihnen.
»Comissari Soler«, stellte er sich vor und nickte in die Runde. »Bon dia. Worauf wartet ihr?«
»Einsatz oder Abbruch. Hängt von Doktor Mendez ab.« Ein großer Mann mit Vollbart kramte im Notfallkoffer.
»Ich dachte, wir haben einen Toten?«
»Stimmt. Aber den muss der Doktor noch untersuchen. Bisher kam er nicht ran.« In den Worten des Bärtigen lag eine gewisse Schadenfreude. »Und so lange bleiben wir. Falls doch noch einer gebissen wird.«
Die anderen lachten.
»Was wir natürlich niemandem wünschen«, ergänzte er rasch.
»Verstehe.« Jaume beschloss nicht nachzuhaken, wer mit wem aneinandergeraten war und ihrer Meinung nach einen Biss verdient hätte, und wechselte zu den Polizisten hinüber. Calderons Puls war augenscheinlich auf hundertachtzig.
»Wie lange soll das noch dauern? Dieser Hundefänger kommt doch nicht vom Mars! Wir machen uns zum Affen, weil wir an diesem Drecksvieh nicht vorbeikommen. Himmel, Arsch und .«
»Bon dia.« Jaume legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wo ist denn die Bestie?«
Domenech grinste verstohlen und wies zu der Parkbank, die sie mit ihrer geschlossenen Reihe verdeckt hatten. Dort kreiste ein Hund um den Toten. »Guten Morgen. Die Bestie macht einen prima Job.«
»Prima Job? Du hast sie doch nicht alle!« Calderon bedachte den jüngeren Kollegen mit einer wegwerfenden Geste.
Kommentarlos verstärkte Jaume den Druck seiner Hand. Das reichte. Der hatte genug Dampf abgelassen. Unstimmigkeiten so öffentlich auszubreiten empfand er als schlechten Stil. »Konnte der Tod sicher festgestellt werden, Doktor Mendez?«
»Ja«, bestätigte der Arzt. »Aber ich bin Notarzt und kein Dompteur. Mehr an Diagnose ist mir nicht geglückt.«
Dank des treuen Wächters.
»Comissari Soler«, schob Jaume nach, »Sie haben den Hundefänger angefordert?«
»Das war ich«, meldete sich einer der Guardias und schaute Jaume herausfordernd an. »Erschießen ist keine Option.«
»Gut.« Das sah er ganz genauso. Von wem dieser Vorschlag eingebracht worden war, konnte er sich ausmalen. Er musste sich Calderon wirklich dringend zur Brust nehmen, seine Entgleisungen häuften sich in den letzten Monaten. »Wenn der Hundefänger kommt, bitte zu mir schicken. Bis dahin, zieht euch zurück. Sie auch, Doktor Mendez, machen Sie Pause, bis der Weg frei ist. Das war gute Arbeit, Männer.« Reihum reichte er allen die Hand. »Domenech, Calderon - ihr bleibt mit einem Meter Abstand hinter der Bank.«
»Was hast du vor?«
Der Hund patrouillierte in höchster Alarmbereitschaft vor seinem Herrn. Zähnefletschend und knurrend, jederzeit zum Sprung bereit. Und mit eingekniffenem Schwanz.
»Nicht schießen jedenfalls.«
»Jaja. Dieser aufgeblasene Wicht musste mich natürlich verpetzen«, murrte Calderon. »Dabei habe ich nur ausgesprochen, was alle gedacht haben. Fünf Mann mit Dienstwaffe stehen hilflos herum. Was für ein Bild. Lächerlich!«
»Klar, vor Hunderten Zuschauern einen Hund abzuknallen, macht natürlich einen besseren Eindruck.« Domenech verzog einen Mundwinkel. Ohne zwingende Notwendigkeit löste man damit schnell einen kleinen Volksaufstand mit Protestkundgebungen gegen Polizeigewalt und Willkür aus. »Glückwunsch zu dieser Idee.«
»Auf deine warte ich immer noch. Nichtstun ist keine Lösung.«
Mit einer ausholenden Armbewegung dirigierte Jaume die Streithähne weiter auf Abstand. Er selbst beschritt einen kleinen Bogen weg von der Bank, um sich dann wieder anzunähern. Dabei unterzog er die Gesamtsituation und die direkte Umgebung einer raschen Prüfung. Er hätte es bevorzugt, eine Weile allein zu sein, um sich völlig ungestört einen Eindruck zu verschaffen. Aber das war nicht drin.
Die auf den ersten Blick profane Baustelle legte das geheimnisvolle Innenleben der Plaça de la Natura bloß. Offenbarte ein Herz aus Betonkuppeln, umgeben von einem ausgeklügelten Drainagesystem, das die Mauer und die darunterliegende Säulenhalle vor dem Eindringen von Regenwasser schützte. Der über hundert Jahre alte Park litt...
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