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Kaum ein anderer Dichter hat eine so immense Wirkung auf seine Leser:innen ausgeübt wie Hermann Hesse. Generationen von ihnen entdeckten und entdecken etwas in seinem Werk, das sie ermutigt und elektrisiert - sei es die Ermunterung zum Eigensinn, zum Engagement oder zur Selbstbehauptung, sei es, dass sie durch ihn einen anderen Blick auf die Welt und ihr Leben gewinnen.
Nicht wenige haben sich auch künstlerisch von ihm inspirieren lassen, indem sie seine Gedichte in hunderten von Liedern und Songs vertont oder seine Romane und Erzählungen verfilmt haben. Aber auch Schriftsteller:innen haben sich immer wieder produktiv mit ihm auseinandergesetzt - und das bis heute:
In Inspiration Hermann Hesse kommen deutschsprachige Autor:innen zu Wort, die sich von Motiven oder Figuren aus Hesses Werk zu neuen Erzählungen, Essays und autobiographischen Skizzen haben anregen lassen. Die Ergebnisse sind so vielfältig, überraschend und aufregend wie die Impulse, die Leser:innen auch heute noch bei der Lektüre »ihres« Hermann Hesse erfahren.
Am Morgen bei einer Tasse Tee die Meldung in der Süddeutschen Zeitung: Angela Merkel begrüßt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei seinem Antrittsbesuch mit einem Hesse-Zitat: »Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« - Hesse in der Politik?
Auf zum Schreibtisch. Als ich meinen Computer hochfahre, schiebt sich ein Musikvideo ins Bild. BTS, die derzeit erfolgreichste Popgruppe der Welt, stellt ihr neues Video, »Wings«, online: Wörtliche Zitate aus Demian werden eingesprochen, das Bild des Sperbers und der Blick in die Flammen visualisiert - Hesse in der Popmusik?
Auf der Suche nach einem Geschenk für den Kindergeburtstag surfe ich ein bisschen im Netz und entdecke unter den Playmobilfiguren einen Hinweis auf Michael Sommers »Weltliteratur to go«: Siddhartha nachgespielt mit Playmobilfiguren! Der Träger des Grimme Online Awards komprimiert und aktualisiert die Handlung in vergnüglichen kleinen Szenen. - Hesse in Playmo-Land?
Am Abend schalte ich im Fernsehen einen nun wirklich nicht Hesse-verdächtigen Krimi ein, Die Toten am Meer. Und dann: Der Mörder kündigt seine Taten mit Strophen des Hesse-Gedichts »Pilger« an! - Hesse im Krimi?
Nach diesem durch und durch Hesse-intensiven Tag beschließe ich, mich auf die Suche nach weiteren Spuren Hermann Hesses zu machen. Ganz offensichtlich ist der Autor ja aktuell wie eh und je. Aber wo fange ich an? Ich gehe auf die Jagd nach amerikanischer, japanischer und deutschsprachiger Literatur, denn in diesen Ländern begann in den sechziger, siebziger Jahren die große Hesse-Welle. Ist sie verebbt, oder lassen sich noch Spuren finden, vielleicht sogar bis in die Gegenwart?
Hesse ist, wie eine erste Übersicht zeigt, allgegenwärtig. In den USA wurden Hesses Romane bereits in den sechziger Jahren von der Beat Generation und Counterculture als visionäre Texte rezipiert, die außergewöhnliche psychische Erfahrungen und spirituelle Unabhängigkeit ermöglichten. Die quasireligiöse Hesse-Verehrung gipfelt in den szenisch verdichteten Skizzen der legendären Busfahrt Ken Keseys und seiner Hippie-Kommune »Merry Pranksters«. Tom Wolfe, der diese Reise beschreibt (The Electric Kool-Aid Acid Test, 1968; dt. Unter Strom. Die legendäre Reise von Ken Kesey und den Pranksters, 1987), lässt die Leserinnen und Leser an der psychedelischen Reise mit ihren LSD-Trips, ihren Visionen und Ritualen teilhaben. In Hesses Morgenlandfahrt sieht die Kommune ihre einzigartige Reise bereits beschrieben, gedeutet und begleitet: »It was like the man [i.e. Hesse] had been on acid himself and was on the bus.«
Später avanciert Hesse in den USA zum Autor der gebildeten Mittelschicht. Wer etwas auf sich hält, liest Hesse. So wird etwa der soziale Aufstieg des weißen Jugendlichen Dylan Ebdus in Jonathan Lethems Roman The Fortress of Solitude (2003; dt. Die Festung der Einsamkeit, 2004) durch die Lektüre des Steppenwolf markiert, die sein Kumpel abfällig kommentiert: »Those guys suck« (diese Typen nerven). Hier gilt Hesse nicht mehr als Lektüre der Brooklyn-Gang, sondern als Kultbuch der weißen Gegenkultur.
Einzelne Schriftsteller allerdings setzen sich in kritischer Reflexion mit Hesses Werken auseinander. So dient dem postmodernen Autor Thomas Pynchon Demian als Matrix der weltanschaulichen Dichotomien und ihrer Verstrickungen (Gravity's Rainbow, 1973; dt. Die Enden der Parabel, 1981). Der deutsche Ingenieur Kurt Mondaugen wird einerseits kritisiert als Verführter eines bipolaren Denkens, das ihn menschliche Grausamkeiten taten- und emotionslos registrieren lässt, andererseits sucht aber gerade Mondaugen wie Emil Sinclair einen Zustand jenseits der Gegensätze.
Auch Romane nach der Jahrtausendwende zitieren nach wie vor Hesses Werke: T.C. Boyles Drop City (2003) erwähnt den Steppenwolf, sein Roman Outside Looking In (2019; dt. Das Licht) blickt noch einmal auf die Zeit der Counterculture zurück und spielt auf Narziß und Goldmund an.
In Japan beobachten wir eine vergleichbare Entwicklung. Die Nennung Hesses in japanischen Romanen, die sich, ungefähr zwanzig Jahre später geschrieben, dennoch mit derselben Epoche gesellschaftlicher Umbrüche der sechziger, siebziger Jahre befassen, muss als Markierung eines Zeitphänomens gelten. In Haruki Murakamis Roman Naokos Lächeln, dessen Originaltitel Noruwei no Mori (1987; dt. 2001) mit der Nennung des Beatles-Songs »Norwegian Wood« das Buch bereits gesellschaftlich und zeitgeschichtlich verortet, werden intertextuelle Verweise immer wieder als Mittel eingesetzt, um einer Situation eine zusätzliche Deutungsdimension zu verleihen. In Gesprächen zwischen Freunden wird auf das »Zeichen auf der Stirn«, das Kainszeichen Demians, angespielt, und der junge Toru Watanabe liest in einer verzweifelten Situation Unterm Rad, was nicht nur den Freitod seiner Freundin Naoko erahnen lässt, sondern auch das Zusammenspiel von Sexualität und Tod thematisiert.
Auch in Japan wird Hesse zum Bildungsgut. Hesse lesen ist in. Gebildete junge Leute betreiben Kalligraphie und lesen seine Werke wie in Ryu Murakamis Roman 69 Shikusuti Nain (1987), der in der deutschen Ausgabe den Titel 69 trägt (2000). Auch die Geisha Kikuno in Yukio Mishimas Roman Kinu to meisatsu (Seide und Erkenntnis, 1964) hat eine »klassische« Bildung genossen, zu der die Kenntnis europäischer Literatur gehört. In kultivierter Geselligkeit taucht man in gepflegte Gespräche über Literatur ein, etwa über Hermann Hesse, was auf dessen feste Verankerung im Kanon hinweist.
In der japanischen Literatur wirkt noch nach der Jahrtausendwende die Auseinandersetzung mit Hesses Denkmustern inspirierend. So entwirft Sokyu Gen'yu in Aburakusasu no matsuri (2001; dt. Das Fest des Abraxas, 2007) in der Gestalt des Mönchs Jonen eine von magischem Theater und Abraxaskult geprägte alternative Existenzform jenseits von Expansion und Vermarktbarkeit.
Auch in der Literatur der deutschsprachigen Länder erscheinen Anspielungen an Hermann Hesse geradezu als Signatur des Zeitgeistes, so in Uwe Timms Roman der Studentenbewegung Heißer Sommer (1974). Oftmals werden die gesellschaftlichen Verwerfungen der siebziger Jahre aber erst in Texten der achtziger und neunziger Jahre thematisiert. In Ralf Rothmanns Bildungsroman Stier (1991) etwa erscheint Hesse als Autor der Subkultur und Begleiter auf LSD-Trips. Diese Versatzstücke einer Tradition, die sich bereits in den sechziger Jahren in der US-amerikanischen Literatur etabliert hat, taugen offensichtlich auch dem Autor der frühen Neunziger noch als Markierungen eines Zeitgefühls. Und sogar in Wolfgang Herrndorfs Jugendroman Tschick (2010) wird im Gespräch der Jugendlichen wie selbstverständlich auf den Steppenwolf angespielt.
Welche Rolle Hesse für Leserinnen und Leser in der ehemaligen DDR spielte, lässt Jana Simons literarische Reportage Denn wir sind anders. Die Geschichte des Felix S. (2002) ahnen. Als sie ihre Lieblingsbücher vorstellen sollen, nennen die meisten jungen Leute Bücher von Hermann Hesse. Auch in Ingo Schulzes Zeitporträt Neue Leben (2005) liest sich Enrico Türmer durch die acht grau marmorierten Bände, »auf deren Rücken, Gold auf Blau, das Mantra Hermann Hesse gedruckt war«. Er taucht ein in dessen Welt, eine Zuflucht wohl nicht nur der jungen Generation.
Den Autoren der Popliteratur seit den Neunzigern dagegen gilt die Hesse-Lektüre nur noch als Abklatsch des 68er-Klischees wie in Thomas Brussigs Wasserfarben (1991), Sibylle Bergs Die Fahrt (2007) oder Thomas Klupps Paradiso (2009).
In den Romanen nach der Jahrtausendwende erscheinen Hesses Texte dagegen oft als Markierungen deutscher Innerlichkeit wie in Markus Werners Roman Am Hang (2004) oder Peter Stamms Sieben Jahre (2009). In Markus Werners Roman wird in einem spannungsreichen Showdown zwischen dem ...
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