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Der Architekturführer von Theodor Unger (1882, S. 10) hält zum Stadttheater in der Reuterstraße 10 folgendes fest:
"Umbau einer Hälfte der Reitbahn am ehemaligen Königl. Marstalle. Aeußeres einfacher Putzbau. Inneres in Renaissance-Formen hübsch ausgestattet." (Abb. 1). Errichtet hatte das Reithaus 1714 Remy de la Fosse (Mlynek/Röhrbein, 1991, S. 79)
Abb. 1: Königliches Reithaus (Königliche Manege): Ansicht von der Schillerstraße (früher Reitwall) Foto: Georg Alpers jun. (Historisches Museum Hannover). Das nach Kriegszerstörungen stehengebliebene Portal wurde 1953 abgebaut und steht seit 1967 neben dem Historischen Museum an der "Roßmühle"
Der Umbau erfolgte 1877 durch den Architekten Ferdinand Wallbrecht, der ein Jahr später in der anderen Hälfte der Reitbahn (Am Marstalle 7) auch ein Konzerthaus für 1800 Personen in zwei verbundenen Sälen von einfacher Renaissance-Dekoration erstellte. Eröffnet wurde der Konzertsaal am 28. Dezember 1878 mit dem Orchester der königlichen Oper und fremden Solokräften, wobei auch die schöne Orgel des Konzerthauses "in Verwendung" kommen sollte (vgl. HC, No. 9493, 25.12.1878). Die Kritik der Veranstaltung bringt der Courier am 1.1.1879 (No. 9501), wobei neben der künstlerischen Anerkennung allerdings bemängelt wird, dass die Temperatur im Saale "beengend" war und somit für die Ventilation noch einiges zu tun sei. Auch hielt es die Kritik für zweckmäßig, das Podium für Chor und Orchester zu erhöhen. Eine weitere Bewährungsprobe für die Räume des neuen Konzertsaals boten die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Dienstjubiläum von Stadtdirektor Hermann Rasch bei einem nachmittäglichen Festessen: "Sie haben diese Probe glänzend bestanden und damit ist sichergestellt, daß Hannover um ein vorzügliches Local bereichert ist, das einem großen, längst gefühlten Bedürfnis abhilft" (HC, No. 9590, 22.2.1879).
Die hannoverschen Adressbücher verzeichnen bis 1888 Ferdinand Wallbrecht auch als Eigentümer der Liegenschaft des Stadttheaters - mit Ausnahme der Jahre 1881/82, wo Kommissionsrat Carl Röpke als Eigentümer erscheint, der lt. "Hannover-Chronik" (Mlynek/Röhrbein, 1991, S. 135) das Stadttheater 1877 auch eröffnet hat. In einer Anzeige im Courier (No. 8943, 7.2.1877) kündigt Röpke neben diversen Konzertprojekten für die Sommersaison 1877, die im umgebauten Tivoli und dem zum "Flora-Garten" ausgestalteten Bella Vista stattfinden sollten, übrigens auch Konzerte in dem ". durch blühende und grünende Topfgewächse, Rasenbeete, Kieswege und Bosquets der Natur nahegeführten Palmengarten in der großen Glashalle des ehemaligen Reitinstituts an der Göthestraße." an. Röpke ist also neben seinen anderen hannoverschen Aktivitäten in dem Objekt des ehemaligen Reitinstituts zweifach engagiert, nämlich in der ehemaligen Reit-sowie in der Glashalle. Der endgültige Ausbau des Palmengartens mit Zementgrotten und schmiedeeisernen Lauben zwischen Wassergewächsen, Schlingpflanzen und Palmen erfolgte 1881 durch den Architekten Otto Goetze (vgl. Unger, 1882, S. 12). Der Hannoversche Courier (Nr. 10874) berichtet am 3. April 1881, dass mit dem gestrigen Besuch des Magistrats in "Röpkes Palmengarten" dessen Eröffnung vollzogen sei. Die Leipziger Illustrierte Zeitung (13.8.1881) bringt einen Stich von Carl Grote und lobt, dass hier 2000 Menschen "promenieren, sich restaurieren und verconcertieren lassen können".
Abb. 2: Konzerthaus und Palmengarten auf einer 1900 geschriebenen Postkarte (Sammlung des Verfassers)
Interessant ist, dass der Verfasser der Karte zwar das schöne Konzert am Sonntag, dem 9. Dezember 1900 lobt, am Rande aber notiert: "Es ist aber nicht recht warm hier!". Es dürfte also seinen guten Grund gehabt haben, dass die zugehörige Anzeige (HC, Nr. 22903, 9.12.1900), die zwei Abonnements-Concerte des Philharm. Tivioli-Orchesters avisiert, den ausdrücklichen Hinweis trägt: "Die Concerte finden in dem durch neue Heizanlage erwärmten Palmengarten statt." Erwähnt sei noch, dass ab Frühjahr 1902 im Courier Anzeigen erscheinen, wonach das Concerthaus an der Goethebrücke baldmöglichst neu verpachtet werden solle (Pachtpreis 11.000 Mark) und auch der Palmengarten zum 1. Oktober 1902 zur Neuverpachtung anstehe (Pachtpreis 15.000 Mark). Unterschrieben sind die Anzeigen mit "Hannoversche Immobilien-Gesellschaft" (HC, Nr. 23672. 16.3.1902). In diese, 1890 gegründete Gesellschaft hatte Ferdinand Wallbrecht 77 Immobilen eingebracht, darunter auch Konzerthaus und Palmengarten. Neuer Pächter des Concerthauses wird 1902 H. Scharpenberg, Nachfolger des Palmengartens wurde der von Carl Spieker betriebene Wintergarten (Abb. 3), dem 1910 für kurze Zeit in neu errichteter Halle der Eispalast (Abb. 4) folgte, bis dieser durch die Kammer-Lichtspiele abgelöst wurde (vgl. Ertel, 2018, S. 28 f.). Die Überreste der eindrucksvollen Halle wurden im Vorfeld der Errichtung des neuen ÜSTRA-Verwaltungsgebäudes zwischen Oktober 1957 und Mitte Januar 1958 abgerissen (vgl. Narten/Uhlenhut, 2017, S. 291 und die dortige Abbildung auf S. 290).
Abb. 3: 1904 gelaufene Postkarte des Wintergartens (Sammlung des Verfassers)
Der Courier berichtet hierzu: "Der Inhaber des Wintergartens, Herr Spieker, hat einen größeren Gebäudekomplex an der Reuterstraße von der Immobiliengesellschaft käuflich erworben und beabsichtigt diesen Komplex nach Berliner Muster in einen modernen Eispalast umzuwandeln, der elegant ausgestattet werden und jung und alt im Sommer wie im Winter die Freuden des Schlittschuhlaufens bieten soll" (HC, Nr. 28475, 26.1.1910).
Abb. 4: Postkarte des neuen "Eispalasts" (Sammlung des Verfassers)
Der "Eispalast" wurde von Robert Otzen (Professor an der TH Hannover) 1910 an Stelle des früheren Wintergartens als Eisenbetonhalle erbaut. Er selbst berichtet hierzu in der Fachzeitschrift "Armierter Beton" 1911: "Die Absicht war, einen Bau zu errichten, der zur Hälfte als Eislaufbahn dienen, zur Hälfte aber, entsprechend dem früheren Wintergarten, als Varieté ausgebildet werden sollte. Nach dieser Absicht war das erste Projekt durchgebildet. Behördlicherseits wurde dann die Anordnung eines Hofes zwischen Eispalast und Wintergarten verlangt, wodurch sich der Bauplatz als zu klein erwies; es mußte daher der Erwerb der anliegenden Grundstücke für den Ausbau des Wintergartens ins Auge gefaßt werden. Vorläufig kam nur das Teilprojekt 'Eispalast' zur Ausführung . Während der Eingangsbau (der vom früheren Wintergarten her stehengeblieben war und nur umgebaut wurde) sowie das Maschinenhaus der gegebenen Verhältnisse wegen in Mauerwerk- und Eisenkonstruktion ausgeführt sind, wurde der ganze Hallenbau in einheitlicher, reiner Eisenbetonbauweise durchgebildet" (Otzen/Müller, 1911, S. 377). An den im Abstand von 4,44 m errichteten Bindern wurden in Höhe von 4,16 m über dem Fußboden Konsolen seitlich ausgekragt, die eine 2,5 m weit ausladende Galerie trugen. Die Eisfläche betrug 40 m x 20 m, und die Kältemaschine lieferte L.A. Riedinger Maschinen- und Bronzewarenfabrik in Augsburg. Beleuchtet wurde der Eispalast mit 1.400 Glühlampen und 20 Bogenlampen.
Im August 1911 berichtet der Courier (HC, Nr. 29448, 29.8.1911) dann davon, dass das seit längerer Zeit projektierte Varieté-Theater an der Goethestraße nach Sicherstellung der Finanzierung nun in Angriff genommen werden solle. Die gesamte Bauausführung sei der Firma Boswau & Knauer übertragen und der prächtige Fassadenentwurf stamme von dem hiesigen Architekten Herrn Schädler (gemeint ist wohl Hermann Schaedtler, d.V.).
Doch zu der für den Spätsommer 1912 angekündigten Eröffnung kam es nicht, denn am 7. Dezember 1911 erscheint im Courier die gerichtliche Bekanntmachung zur Zwangsversteigerung des Eispalastes (früher Wintergarten) und des im Hofraum befindlichen Wohnhauses des Restaurateurs Karl Spieker (HC, Nr. 29618, 7.12.1911).
Spieker eröffnete dann aber mit seinem neuen Partner A. Mest nach Umbau des ehemaligen Eispalastes dort im August 1912 die Kammer-Lichtspiele und hatte damit für die Zukunft auf das richtige Pferd gesetzt: "Am Sonntag konnte der riesengroße Theatersaal die Besucher nicht fassen, so daß viele wieder umkehren mußten, ohne Einlaß zu bekommen; es sollen mehr als 5000 Personen nur an diesem Tag den 'Kammer-Lichtspielen' einen Besuch abgestattet haben" (HC, Nr. 30067, 20.8.1912).
Doch zurück zu dem als "Restauranttheater" betriebenen Stadttheater, dessen Direktion in den ersten Jahren Eduard Behrens übernimmt. Über die voranschreitenden Bauarbeiten am Stadttheater informiert der...
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