Die Idee hinter diesem Buch
Wenn man kein Branchenspezialist ist, muss man Spezialist darin sein, etwas zum ersten Mal zu tun - also neue Sachverhalte schnell zu verstehen. In meiner Firma investieren wir daher mehr Zeit in das Hinterfragen als in die Entwicklung von Ideen. An dieser Stelle daher eines meiner Lieblingszitate:
"If you define the problem correctly,
you almost have the solution."
(Steve Jobs)
Briefings werden mit Logik geschrieben und geben häufig bereits viel vor. Es gibt aber immer versteckte Ziele und hinter quantitativen Zielen gibt es immer noch ein größeres und übergeordnetes oder auch persönliches Ziel.
Im Folgenden ein Beispiel für eine typische Anfrage, die so oder ähnlich in einem Satz zusammengefasst an uns gerichtet wird: "Wir möchten eine Social-Media-Kampagne umsetzen, um unser Image bei potenziellen Bewerbern zu verbessern und die Bewertungen in Arbeitgeber-Portalen zu steigern."
Der Weg (Social Media) ist vorgegeben, obwohl es noch andere Kanäle und Wege gibt. Es stellt sich die Frage, warum das Image schlecht ist, sonst müsste es ja nicht verbessert werden. Und was wird unzureichend bewertet, also was genau kritisieren die Bewerber?
Dies ist keine versteckte Kritik an Auftraggebern. Wir sehen es als unsere Aufgabe, unser Briefing selbst zu erarbeiten: durch das Stellen der richtigen Fragen. So stellen wir sicher, dass es ein kollektives Verständnis für den "eigentlichen" Auftrag gibt.
In diesem Beispiel litt das Unternehmen wie viele andere unter dem Fachkräftemangel. Gleichzeitig waren der Recruiting-Prozess und der Umgang mit Bewerbern - vorsichtig ausgedrückt - optimierungsbedürftig.
Man hätte nun eine Vielzahl ausgefallener Kampagnenideen erfinden und sie unterhaltsam präsentieren können. Aber hätte das das Problem nachhaltig gelöst?
Ich vergleiche das gerne mit einem Besuch beim Arzt. Man hat Beschwerden, Bauchschmerzen etwa, und schildert dies dem Doktor. Dieser hinterfragt es genauer: "Wann treten die Schmerzen auf? Wie lange halten sie an? Was haben Sie bisher dagegen unternommen?" Und vieles mehr. Abschließend erstellt der Arzt eine Diagnose und einen Behandlungsplan, um den Patienten von seinem Leiden dauerhaft zu befreien.
Alternativ hätte der Arzt ein Schmerzmittel verschreiben können. Damit wäre der Patient schnell von den Symptomen befreit, allerdings nicht dauerhaft. Die eigentlichen Ursachen für die Beschwerden werden so nicht behoben.
In den vielen Jahren haben wir gelernt, dass es nicht einfach mit dem Stellen von Fragen getan ist. Schließlich geht es darum, Schwachstellen aufzudecken, und so kann es passieren, dass man sein Gegenüber in Verlegenheit bringt.
Kommen wir auf das obige Beispiel mit der Recruiting-Kampagne zurück. Das Problem des Fachkräftemangels erstreckte sich über mehrere Abteilungen: Das Recruiting liegt in der Verantwortung der Personalabteilung. Unsere Ansprechpartner kamen aber aus dem Marketing.
Es ist die Bestimmung einer Marketingabteilung, Marketing zu machen und Agenturen damit zu beauftragen. Wie wir in diesem Beispiel gesehen haben, liegt die Ursache des Problems jedoch in anderen Abteilungen.
Das bedeutet, die Marketingabteilung hat keinen direkten Einfluss auf die Personalabteilung und sieht es auch nicht als ihre Aufgabe an.
Die Erkenntnis ist, dass die Erwartungshaltung an uns als Agentur die ist, Marketing zu machen und nicht Probleme zu lösen, die anderswo gelagert sind. Wir möchten aber keine Symptome mit Schmerzmitteln behandeln, sondern die Ursachen lösen. Wir möchten uns nicht an Dingen messen lassen, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen.
Für uns ist Marketing alles. Jeder Kontaktpunkt mit dem Kunden ist Marketing. Daher müssen Silos aufgebrochen werden und Abteilungen zusammenarbeiten. Das Marketing in Unternehmen sollte daher abteilungsübergreifend fungieren.
Deshalb haben wir ein Workshop-Konzept entwickelt, mit dem wir alle beteiligten Abteilungen sowie alle benötigten Entscheider zusammenbringen und auf die gemeinsamen Ziele ausrichten. Wir verstehen uns daher mehr als Produktentwickler.
Selbst wenn wir als Außenstehende bereits eine Lösung im Sinn haben, ist es ratsam, erst einmal einen Schritt zurückzugehen und weiter zu hinterfragen. So helfen wir unseren Kunden, sich gewisse Fragen selbst zu beantworten, bevor sie den zweiten Schritt vor dem ersten machen.
Kunden rufen mich an und fragen nach spontanen Ideen. Man stecke hier gerade fest und ob ich einen Vorschlag hätte, was man da schnell unternehmen könne. Es ist ein großes Risiko, auf die Schnelle Vorschläge zu unterbreiten, ohne ein genaueres Gesamtbild zu haben.
Natürlich habe ich gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen und versteckte Ziele und Wünsche schnell zu erkennen. Das gehört einfach zum Job dazu. Wenn die "spontane" Idee jedoch nicht die gewünschte Lösung bringt, fällt einem die gut gemeinte Hilfe perverserweise schnell auf die Füße.
Im Laufe der Zeit habe ich daher immer mehr Frage- und Workshop-Methoden ausprobiert, kombiniert und weiterentwickelt. Jeder Kunde wird individuell behandelt, jedes Projekt individuell vorbereitet. Man kann unterschiedliche Herausforderungen nicht nach Schema F lösen. Fragen ist ein Prozess und dieser benötigt Struktur. Es reicht nicht, zahlreiche Fragen aneinanderzureihen. Die Antworten können den Verlauf der Fragen verändern, manche Dinge müssen vor anderen beantwortet werden und bestimmte Antworten können weitere Fragen aufwerfen. Es ist daher wichtig, improvisieren zu können. In diesem Buch gebe ich Ihnen dafür einen umfassenden und inspirierenden Werkzeugkasten an die Hand und zeige Ihnen, wie Sie Fragen gezielt einsetzen und kombinieren können.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und freue mich auf Ihr Feedback, Ihre Fragen und Ihre Anregungen. Schreiben Sie mir jederzeit an gefragt@menadwork.com.
Einführung
Warum muss man heute eigentlich innovativ sein? Häufig hört man: "Es läuft doch gut", "Unsere Branche ist nicht innovativ" oder "Wir haben das schon immer so gemacht - never change a running system."
Innovation wird häufig als Synonym für die Erfindung von etwas komplett Neuem und noch nie Dagewesenem genutzt. Aber das muss sie gar nicht sein. Wie ich eingangs erwähnte, gibt es viele Möglichkeiten der Verbesserung, ohne die Eigenschaften oder Funktionen des Produkts verändern zu müssen.
Lieferzeiten können verkürzt, die Produktivität kann gesteigert, der Kundenservice kann verbessert und einzigartige Garantien können geboten werden. Die Liste der Möglichkeiten ist lang und kleine Stellschrauben können große Effekte haben.
Früher hat man von "Fortschritt" anstatt von "Innovation" gesprochen. Ich finde, das trifft es viel besser, da es genau darum geht, Fortschritte zu machen.
Es ist großartig, wenn es gut läuft - in einer Zeit immer schneller werdender Veränderung und disruptiver Innovationen wird es aber immer wichtiger, andere Blickwinkel einzunehmen und neue Denkweisen zu etablieren.
Veränderung war früher ein zeitlich abgegrenztes Projekt, ein sogenanntes Change-Projekte. Heute ist Veränderung ein andauernder Zustand, ein fortlaufender Prozess, der nie aufhört. Das Angebot für Kunden ist inzwischen außerordentlich breit, um ein und dasselbe Problem zu lösen. Das macht es für Unternehmen immer wichtiger, Orientierung zu bieten und schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können.
Veränderung wird immer von außen ausgelöst und die Art und Weise, damit umzugehen, ist entscheidend. Innovation bedeutet auch, schnell zu sein - beziehungsweise schnell sein zu können.
Dies resultiert unter anderem in immer kürzer werdenden Produktzyklen. In den 1980er Jahren lag der Produktzyklus von Autos bei durchschnittlich 8 Jahren. Zwischenzeitlich hat er sich auf 2 bis 3 Jahre verkürzt. Vorangetrieben wurde die Entwicklung in diesem Bereich sicher auch durch neue Leasing- und Finanzierungsangebote, die diese Produkte für eine breitere Kundengruppe zugänglicher gemacht haben. Es wurden also Hürden genommen.
Diese Entwicklung hat zur Folge, dass immer mehr Ressourcen benötigt werden und Produkte nicht mehr so produziert werden, dass sie eine Ewigkeit halten. Ergo wird Müll am Fließband produziert.
Besonders die Generation Y stellt dies in Frage und etabliert ein ganz anderes Statusdenken. Ein eigenes Fahrzeug hat keinen Wert mehr. Teilen ist das neue Besitzen. Es ist ein anderes Werteverständnis, das Nachhaltigkeit und Freiheit in den Vordergrund stellt. Und das ist auch gut so. Vielleicht sorgt dies sogar dafür, dass sich die Produktzyklen wieder verlängern.
Heute geht es daher weniger um das Auto an sich als um Mobilität. So sehen wir, dass Automobilkonzerne Carsharing anbieten. Wettbewerber kooperieren sogar dafür, wie beispielsweise BMW und Daimler mit Share Now.
Wenn die Perspektive also auf Mobilität gerichtet wird und nicht allein auf die Automobilbranche, vergrößert und verändert sich automatisch der Markt und mit ihm die Konkurrenz. Um die Aufgabe der Mobilität zu lösen, können E-Roller oder Leihfahrräder minutenweise gemietet werden, es kann das eigene Auto vermietet oder eines von einem Fremden gemietet werden, Autos gibt es im Abo oder man ruft einen Uber-Fahrer. Und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr gibt's dazu noch genauso wie das Taxi.
Für werbetreibende Unternehmen bedeutet das, dass sie sich neue Fragen stellen sollten. Es reicht nicht, sich auf die Wettbewerber zu konzentrieren und ihnen Marktanteile...