Schweitzer Fachinformationen
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Als ich nach Vallerås zog, gab ich mich nicht der Illusion hin, dass ich Abenteuer erleben würde. Ich rechnete mit Ruhe und Ordnung. Gerade deshalb hatte ich mich ja zu diesem Ortswechsel entschlossen.
Bis dahin war ich den größten Teil meines Lebens politisch aktiv gewesen, aber zum Zeitpunkt des Umzugs war ich der Menschen überdrüssig geworden, die sich um die Macht drängten. Viel zu viele erfolglose Eiferer, die einmal Visionen gehabt haben, kämpften nach ein paar Jahren nur noch um Raum in den Massenmedien, während das, was unbedingt getan werden musste - das, was für die Bürgerinnen und Bürger wirklich eine Rolle spielte -, der Willkür und einer Inkompetenz überlassen wurde, die ich nur noch mit größter Mühe verteidigen konnte. Ein Elend, das war es. Und das ist es übrigens noch immer.
Schon damals betrachtete ich unsere Kommunalpolitiker zugegebenermaßen mit milderem Blick. In der Provinz gab es immer schon eine Zusammenarbeit von rechts und links, dort kann man sich auf ein Schießgelände oder eine Braugenehmigung für Nonnen einigen, je nachdem, auf welcher Seite der Mittellinie man gerade steht. Was mich anspricht. Eine Prise Pragmatismus hat schon manchen Krieg verhindert.
Doch ich wollte mich eigentlich gar nicht mit den kommunalen Angelegenheiten befassen. Der Umzug nach Vallerås fühlte sich ganz einfach wie eine Befreiung an, und ich hatte vor, die Politik ganz an den Nagel zu hängen. In Vallerås gab es die Nähe zum Meer und den Wald im Binnenland. Hier gab es ein reiches Vereinsleben und vieles andere. Auf mehr Zeit für meine Familie hatte ich mich ebenfalls gefreut, nach all den Jahren im Dienste der Allgemeinheit. Ein Politiker kennt keine geregelte Arbeitszeit, das ist einer meiner Glaubenssätze. Er muss rund um die Uhr für die Wählerinnen und Wähler erreichbar sein. Für mich war jetzt endlich die Zeit gekommen, diese Verantwortung anderen zu überlassen.
Aber es ist schwer, alten Hunden das Bellen abzugewöhnen, wie ich immer sage. Und so wollte es das Schicksal, dass ich auf dem Posten des Bürgermeisters der Gemeinde landete. Ein bisschen Schmeichelei hier, ein bisschen Überzeugungsarbeit dort, ein ehrlicher Wahlkampf und so weiter. So kam ich ans Ziel. Zu meiner großen Überraschung.
Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal meinen neuen Arbeitsplatz aufsuchte, fast auf den Tag genau vor zwanzig Jahren. Ein elegantes Gebäude mit geschmückter Fassade und sauber geputzten Fenstern. Ich stieg die Treppen hoch, wurde von meinen engsten Kollegen empfangen und dann durch das Haus geführt und den übrigen Mitarbeitern vorgestellt. Es hat übrigens immer schon entscheidend zu meinem Erfolg beigetragen, dass ich mir Mühe gebe, die Leute in meiner Umgebung kennenzulernen und sie mit Namen anzusprechen. Den Menschen zu sehen. Versuche, jeden einzelnen nach seinen Fähigkeiten zu schätzen, auch wenn diese Fähigkeiten oftmals nicht auffindbar sind. Darauf kann ich nicht oft genug hinweisen.
Während dieses Rundgangs lernte ich damals Ejnar Svensson kennen. Und obwohl es mir in Anbetracht des eben Betonten peinlich ist, muss ich zugeben: Ich kann mich einfach nicht daran erinnern, dem Burschen damals begegnet zu sein.
Nicht die geringste Erinnerung.
Und doch sollte er nicht nur meine politische Laufbahn verändern, sondern überhaupt die gesamte stolze Geschichte von Vallerås. Ich sollte das, was er tat, in eine Heldentat verwandeln und die Lebensumstände eines ganzen Ortes auf den Kopf stellen. Eine verblüffende Abfolge von Ereignissen, die ihresgleichen sucht. Sie werden es begreifen, wenn Sie gleich mehr erfahren haben.
Ejnar Svensson arbeitete in einem kleinen Raum am Ende eines abgelegenen Ganges. Er war mit einem Teil unseres öffentlichen Beschaffungswesens betraut, und damit hatte er sich all die Jahre befasst, die er damals schon dort saß. Wie lange das auch immer gewesen sein mochte. Es gab niemals irgendeinen konkreten Grund, da genauer nachzufragen. Ejnar Svensson saß, wo er saß, und tat, was er tat, und das offenbar zur allgemeinen Zufriedenheit, da er Jahr für Jahr Büro und Arbeitsbereich behielt, während Menschen in leitenden Positionen und Entscheidungsträger kamen und gingen.
Das kann an seiner Kompetenz gelegen haben. Aber auch an der Tatsache, dass es noch anderen so ging wie mir. Man bemerkte den Burschen einfach nicht. Er war wie ein Stück Zellophan. Undefinierbare Haarfarbe, Brille in einem ansonsten nichtssagenden Gesicht, Kleidung in vagen Farben. Hätte ein früh gealterter Fünfunddreißigjähriger oder ein erstaunlich jung gebliebener Sechzigjähriger gewesen sein können. Vermutlich hatte er immer schon so ausgesehen, vielleicht war er so geboren worden, wie er da mit seinem speckigen Anzug und seiner Aktentasche in der rechten Hand stand und ging. Das ist keine abwegige Vorstellung.
Gab es ihn überhaupt wirklich? Diese Frage war berechtigt. Natürlich nur, bis er zum Klopapierkönig von ganz Schweden wurde. Oder von mir aus auch von der ganzen Welt.
Und das ist der Grund, warum ich diese Geschichte erzähle.
Ejnar war also zuständig für einen Teil der öffentlichen Anschaffungen und der Finanzen der Gemeinde. Das war nicht weiter aufsehenerregend, diesen Posten gibt es in den meisten schwedischen Ortschaften, und es war keiner, über den man damals besonders viel nachgedacht hätte. Erst später, als sich der Fokus der Medien auf öffentliche Ausgaben und das, was für alle Welt eigentlich selbstverständlich sein sollte, zu richten begann. Dass es nämlich viel leichter ist, das Geld anderer Leute auszugeben anstatt das eigene. Darauf komme ich später noch zurück.
Doch damals hielt sich dieses Interesse sehr in Grenzen, bei uns jedenfalls. Auch weil Ejnar sich offenbar mit den Finanzen auskannte und das bestellte, was bestellt werden musste, ob es sich nun um Bleistifte handelte oder um den Einsatz eines Schneepflugs. Waren und Dienstleistungen wurden wunschgemäß geliefert, und niemand hatte je einen Grund zur Klage gehabt. Unterm Strich stimmten die Zahlen, und die Finanzlage der Gemeinde war gut. So lässt sich die Situation zusammenfassen.
Bis Ejnar dann für Vallerås Toilettenpapier bestellte.
Vielleicht schlägt noch unter der grauesten Weste ein rotes Herz. Vielleicht war in seiner unmittelbaren Umgebung etwas passiert, das über lange Zeit niemandem aufgefallen war, da Ejnar nichts erzählte und niemand ihn fragte. Es steht jedenfalls fest, dass er ein einziges Mal nicht bei der Sache war, als er die inzwischen berühmte Bestellung aufgab und einen Stein ins Rollen brachte, der dann eine unkontrollierte und völlig unerwartete Lawine auslöste.
Toilettenpapier für Vallerås also - wir sprechen hier von einem Ort mit fünftausend Einwohnern, wir sprechen von Schule, Kita, dem Seniorenwohnheim, unserem eigenen Arbeitsplatz und so weiter und so fort. Da kann eine Krone mehr oder weniger schon wichtig sein. Und Ejnar hatte sich wie ein besonders kluges Schwein den Weg zu einem Stück Trüffel erschnüffelt, dem er nicht widerstehen konnte. Ein graues und einlagiges recyceltes Klopapier. Kein Schnickschnack, aber angesichts des Preises war es doch einen Versuch wert. Ejnar bestellte vier Einheiten. Völlig in Ordnung, möchte man meinen, schließlich ging er davon aus, dass es sich um vier Packungen zu jeweils zwölf Rollen handelte. Es sollte sozusagen ein Test sein. Wenn das Produkt akzeptabel wäre, wäre die Gemeinde durchaus geneigt, eine Nachbestellung aufzugeben.
Allerdings ging etwas schief. Als das Toilettenpapier angeliefert wurde, trafen keine vier Pakete ein. Sondern vier Lastwagen.
Wie Panzer kamen sie angerollt, funkelnd im Sonnenschein und mit Fahrern, die ihre Fahrzeuge lenkten, als müssten sie mit Mantel und Degen ihre Tapferkeit unter Beweis stellen. Und auf jeder Ladefläche thronte ein Berg aus umweltfreundlichem Klopapier im Wert von fast zweihunderttausend Kronen.
Das Ganze erregte eine gewisse Aufmerksamkeit. Die Lastwagen hatten den Auftrag, direkt zum Rathaus zu fahren, um ihre Fracht an unserem kleinen Lagerraum abzugeben. Nun standen dort also vier LKW-Fahrer, die ungeduldig wissen wollten, wo sie abladen könnten, während eine besorgte Rezeptionistin verzweifelt in der Gegend herumtelefonierte, um zu fragen, was sie tun sollte. Unterdessen begab sich der eine oder andere Politiker auf die Straße hinaus, um sich dieses Schauspiel anzusehen.
Endlich wurde ich informiert, in meiner Eigenschaft als Chef des Ganzen und Retter aus kommunalen Nöten. Ich lief nach unten in die Rezeption, redete von Mann zu Mann mit den Fahrern, machte mir ein Bild von der Lage und suchte eilig nach einer Lösung. Gab es eine Möglichkeit, die Ladung zurückzugeben, durch eines jener konstruktiven Gespräche, für die ich bekannt war? Konnte die Bestellung folglich annulliert werden? Die vier LKW-Fahrer warteten schon länger als üblich und wollten nichts lieber, als sich der Ladung zu entledigen, das Gaspedal durchzutreten und zu verschwinden. Zu allem Überfluss verursachten sie auch noch einen Stau. Andere Autos mussten auf den Bürgersteig fahren, um an ihnen vorbeizukommen, was zu wütenden Blicken führte, und durch geöffnete Fenster sickerten allerlei Kommentare nach draußen, die, wie ich deutlich erklären möchte, für unsere so harmonische Gemeinde nicht typisch sind.
Wir standen vor einer Herausforderung, und es fiel dem Feldherrn, also mir, zu, die Richtung zu weisen. Und zuallererst die Frage zu beantworten, die am dringendsten nach einer Antwort verlangte. Die Frage der Lagerung.
Die Lieferung war am späten Nachmittag eingetroffen, und niemand nahm ab, als man versuchte, die...
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