Schweitzer Fachinformationen
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Nach dieser Meldung rief die brasilianische Regierung als einzige offen zum Widerstand auf. Doch bevor irgendwer zur Waffe greifen konnte, hatten die Nalise bereits ganz Südamerika dem Erdboden gleichgemacht. Die grausamen Bilder von einstürzenden Häusern und verkohlten Leichen schienen dem Rest der Welt keine andere Möglichkeit zu lassen, als sich zu unterwerfen. Binnen fünf Stunden hatten die Außerirdischen die Herrschaft über die Erde restlos übernommen.
Ich wurde von dem Bimmeln und Klirren des Windspiels aus meinen Gedanken gerissen, als ein voluminöser Pelzmantel mit Frau unsere Kneipe betrat. Hinter ihr kämpfte ein untersetzter Mann mit seinem Regenschirm. Erst versuchte er ihn zuzumachen und als das nicht funktionierte, wand er ihn umständlich durch die Tür, um ihn dann aufgespannt neben der Garderobe zu drapieren. »Kann ich Ihnen die Jacken abnehmen?«, fragte meine Mutter, die eilig zu den beiden gelaufen war.
»Gucci-Brillen - hätte nie gedacht, dass sich unsere Gäste mal so verändern würden«, murmelte mein Vater. Er stand hinter der Theke und zapfte dem wohl einzigen unserer Stammgäste, der uns noch geblieben war, ein Bier. Obwohl das mittlerweile kaum noch bestellt wurde, sondern stattdessen Rotwein und Häppchen am besten weggingen, war er nicht hinter der Theke wegzubekommen. Die paar Male, die wir es schafften, ihn dazu zu überreden, »diesen hochtrabenden Blödsinn« - wie er es nannte - zu servieren, hatte er dabei eine derart finstere Miene verzogen, dass wir ihn lieber weiter dort stehen und ab und zu ein Bier zapfen ließen und ihn ansonsten von den Gästen fernhielten.
Vor Jahren hatte meine Mutter einen schöpferischen Anfall gehabt, in dem sie unbedingt die Kneipe »ganz neu und ganz modern« gestalten wollte. Daraufhin hatte sie meinen Vater dazu gezwungen, im gesamten Bereich hinter der Theke bunte Fliesen zu verlegen. Wir anderen hatten die Idee scheußlich gefunden, aber sie war so begeistert davon gewesen, dass wir sie nicht aufhalten wollten. Jetzt stand mein Vater also grummelig vor pastellrosa, türkisen und weißen Fliesen und gab vor dem Kalender mit »lebensbejahenden Sprüchen« (wie meine Mutter es nannte) ein ziemlich komisches Bild ab.
Der Stammgast saß neben mir auf einem Barhocker und seufzte schwer: »Auf nichts kann man sich in diesen Tagen noch verlassen.« Er warf einen traurigen Blick zu der Dartscheibe, wie er es an dieser Stelle immer tat, und nahm einen großen Schluck des Biers, das mein Vater ihm wehmütig nickend hinstellte.
»Weißt du, was mit den anderen aus dem Dartclub passiert ist?«, fragte ich, bereute es jedoch sofort.
»Na was wohl«, brummte mein Vater, und die beiden Herren verfielen wieder in Schweigen.
Ich beschloss, dass sich dringend jemand um die Gäste kümmern sollte und rutschte von meinem Hocker. Ich ging an den Tischen vorbei, an denen überwiegend Menschen mit schicken Anzügen und kleinen Handtaschen saßen, zu den zwei Neuankömmlingen. Früher hätte niemand wie sie freiwillig unsere muffige Kneipe betreten, doch mittlerweile waren wir die Einzigen weit und breit, die noch geöffnet hatten. Und die Stammgäste kamen nicht mehr, weil sie Angst hatten. Niemand konnte noch wissen, ob er seinen Job am nächsten Tag verlieren würde, oder sogar sein Zuhause, sein Leben. Ausgehen war zum Statussymbol geworden. Nur wer in irgendeiner Weise mit den Nalise zusammenarbeitete, konnte sich sicher genug dafür fühlen.
»Was kann ich Ihnen zu trinken bringen?«
Die Frau, die ihren Pelz mittlerweile abgelegt hatte und ohne ihn irritierend dünn war, versicherte sich mit einem kurzen Blick bei ihrem Mann und sagte dann: »Weißweinschorle, für uns beide.«
»Gerne«, erwiderte ich und trat den Rückzug in die Küche an, während die beiden ihr angeregtes Gespräch über die Aktienkurse fortführten.
»Wir sollten dringend in Waffenfirmen investieren - das ist der Markt der Zukunft«, machte ich die näselnde Stimme des Mannes nach und brachte meinen Bruder damit zum Lachen.
»Dass ich daran nicht früher gedacht habe«, antwortete Emanuel und wendete schmunzelnd ein Steak in der Pfanne.
Er war ein Jahr älter als ich und schmiss mit einem unglaublichen Talent die Küche. Unterstützt wurde er dabei von unserer Mutter, die gerade mit liebevoller Präzision Salat auf einem Teller drapierte. Gleich würde sie damit zu den Gästen rauschen, mit ihnen schäkern und weitere Bestellungen aufnehmen. Sie hatte für das was sie tat eine Energie wie kaum ein anderer, war überall gleichzeitig und trotzdem nie erschöpft.
Ich goss zwei Weißweinschorlen ein, stellte sie auf ein Tablett und brachte sie zu dem skurrilen Paar, darauf konzentriert nichts zu verschütten. Mittlerweile sprachen die beiden über die Aerodynamik von Langstreckenraketen oder sowas. Was auch immer genau Aerodynamik sein sollte.
Ich ließ meinen Blick über die Gäste schweifen, um zu sehen, ob jemand noch etwas bestellen wollte oder ich irgendwo abräumen konnte. Dabei fielen mir zwei Männer auf, die etwas abseits von den anderen über einen Tisch gebeugt saßen. Sie waren bei weitem nicht so teuer gekleidet, gehörten jedoch auch nicht zu unseren Stammkunden. Der eine sah mit seiner schmuddeligen Jeansjacke und dem Dreitagebart so aus, als wäre er in seinem früheren Leben mal ein Frauenheld gewesen, hätte nach der Invasion aber beschlossen, dass Körperpflege eigentlich überbewertet wurde. Er schien auf den Glatzkopf einzureden, der immer wieder wachsame Blicke über seine Schulter warf. Das gefiel mir ganz und gar nicht.
Ich wollte gerade zu ihnen gehen, da räusperte sich jemand neben mir. Ich drehte mich zu dem kahlköpfigen älteren Herrn um, der schon seit Stunden mit seiner jungen Begleitung hier saß und einen Gang nach dem anderen bestellte.
»Ich habe gehört, Sie seien eine außergewöhnlich talentierte Klavierspielerin«, sagte er und sein von tiefen Falten durchzogenes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Bis vor einem halben Jahr habe ich in Paris Musik studiert«, erwiderte ich und lächelte verkrampft, weil ich nicht ganz mit dem Kompliment umzugehen wusste. Ich wollte das Gespräch auf eine höfliche Art schnell beenden, denn ein weiterer kurzer Blick zu dem anderen Tisch verstärkte meine Befürchtungen. Die beiden hatten doch irgendetwas vor.
»Oh wie schön«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Wissen Sie, ich war früher Dirigent, bis ich dann pensioniert wurde. Das war eine verrückte Zeit... Bei einer Aufführung in Prag, da waren die Journalisten ja völlig - einen kannte ich ja noch aus meiner Studienzeit...«
Ich sah ihn weiterhin an und nickte an Stellen, an denen ich glaubte, dass es passend war, doch es war mir schlichtweg nicht möglich, ihm zuzuhören. Zu viele Bilder rasten durch meinen Kopf, was passieren würde, wenn es sich bei den Männern wirklich um Rebellen handelte und sie in unserer Kneipe entdeckt wurden.
Ich wischte mir meine schwitzigen Hände an meiner Jeans ab. Seit ein paar Sekunden sahen mich der Mann und seine Begleitung nun schon erwartungsvoll an und mir fiel auf, dass sie mich wohl irgendetwas gefragt haben mussten. »Bitte was?«, fragte ich unschuldig lächelnd, überspielend, dass ich nichts mitbekommen hatte.
»Ob Sie uns mal etwas vortragen könnten«, wiederholte er freundlich. »Chopin zum Beispiel.«
Mit Blick auf all das Essen, das sie bereits bestellt hatten und in Gedanken daran, dass wir momentan jeden Cent gebrauchen konnten, blieb mir wohl nichts anderes übrig.
»Gerne«, sagte ich also, und ging zu dem Flügel, den wir in der Mitte des Raumes aufgestellt hatten.
Vor ein paar Monaten hatte ich das Musikstudium abgebrochen, denn seit der Übernahme der Erde war Kunst noch brotloser geworden als schon zuvor. Es zählte nur noch, irgendwie Essen nach Hause zu schaffen und von den Nalise nicht als »Nutzloser« eingestuft zu werden. Ich nickte dem Paar mit dem Musikwunsch zu, dann begann ich zu spielen.
Nach kurzer Zeit war es, als wäre ich völlig abgetrennt, eins mit der Musik, die einfach so aus meinen Fingern floss. Ich war völlig versunken in der Melodie, merkte noch nicht einmal, wie die Gäste neugierig ihre Köpfe zu mir wandten - bis ich fast unbewusst etwas hörte das so klang wie endlich zurückschlagen. Ich sah in die Richtung des Gesprächfetzens, zu den beiden Männern, die mir eben schon aufgefallen waren. Der eine schob dem anderen gerade etwas über den Tisch zu. War das eine Pistole? Ich verspielte mich kurz vor Schreck, fing mich dann aber wieder und konzentrierte mich, das Lied zu Ende zu spielen. Mein Herz raste. Die beiden Männer waren offensichtlich Rebellen, sonst wären sie nicht bewaffnet. Wie konnten sie es wagen, meine Familie in Gefahr zu bringen?!
Ich schaffte es, das Stück einigermaßen unfallfrei über die Bühne zu...
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