Schweitzer Fachinformationen
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Am kommenden Samstag, dem 28. April, fuhren Marie und Stephan nach Dorsten. Anne van Eyck hatte vorgeschlagen, Liekes Wohnung in Augenschein zu nehmen. Man müsse sich Lieke und ihrem Zuhause nähern, um sich in den Fall einzufühlen, hatte sie gesagt und angefügt, dass es gut sei, wenn man einander besser kennenlerne, zumal Anne van Eyck einen Eindruck von Marie gewinnen wollte, der sie - wie sie sich ausdrückte - Liekes Seele anvertrauen wolle.
Der Hof der van Eycks lag einige Kilometer außerhalb der Stadt Dorsten. Es war ein stattliches, in hellroten Ziegeln errichtetes Gebäude im hier vorherrschenden Stil des beginnenden Münsterlandes, etwa 200 Meter neben der nach Wulfen führenden Landstraße gelegen und mit dieser über eine asphaltierte Zuwegung verbunden, die beidseits mit hoch wachsendem Strauchwerk und vereinzelten Ahornbäumen gesäumt war, deren maigrüne Kronen weit ausragend Schatten spendeten und den Besucher wie durch ein Gewölbe zu der sauberen Hofanlage gelangen ließen, die friedlich in der prallen Nachmittagssonne lag. Als Marie und Stephan ausstiegen, fühlten sie sich wie in einer anderen Welt. Nichts erinnerte hier an die Hektik der nahen Großstädte des Ruhrgebietes. Es war eine Oase der Ruhe und Beschaulichkeit, die selbst von der ohnehin nur schwach befahrenen Landstraße abgeschnitten schien und unvermittelt ein Wohlgefühl vermittelte, das sie sanft umhüllte und mit dem Duft der zahllosen blühenden Sträucher verzauberte.
Anne van Eyck trat durch eine grüne Holztür auf die sonnendurchflutete Hoffläche. Sie trug blaue Shorts und ein schwarzes Top, das ihren schlanken attraktiven Körper betonte. Stephan sah seinen ersten Eindruck von ihr bestätigt: Sie achtete sehr auf ihre gepflegte Erscheinung, schmückte sich dezent und betonte eine unaufdringliche Eleganz. Ihre zu einem kurzen Zopf zusammengebundenen dunklen Haare waren von einigen grauen Strähnen durchzogen, die Anne van Eycks reife Schönheit nur noch unterstrichen. Sie ging lächelnd auf ihren Besuch zu, betrachtete Marie mit einladender Neugier und drückte ihre Hand herzlich und lange, als würde dieser Händedruck besiegeln, dass Anne van Eyck das Rätsel um Liekes Tod nun auch in ihre Hände legen wolle.
»Ich habe mir von Ihnen bereits ein Bild gemacht«, gestand Anne van Eyck mit einem Augenzwinkern. »Ihr Freund hatte mir ja schon etwas von Ihnen erzählt, aber ich habe unserer heutigen Begegnung schon vorgegriffen und nach Ihnen im Internet geforscht.«
»Da muss ich ja gar nichts mehr über mich erzählen«, erwiderte Marie lächelnd. Es war das scheue Lächeln, das Stephan schon immer so sehr an ihr mochte, offen und zugleich schüchtern geheimnisvoll, gewinnend wie ihr weicher klarer Blick, der niemals auswich. So wie Marie heute aussah, mochte Anne van Eyck vor 20 Jahren ausgesehen haben. Stephan spürte, dass das Alter Frauen dieses Typs nicht ihre sinnliche Attraktivität nahm. Sie blieben in gewisser Weise zeitlos, was ihn mit Stolz erfüllte und zugleich bewusst machte, dass ihm mit Marie, ihrem reinen und klaren Charakter, ihrer Sanftmut, ihrem reifen und geistvollen Wesen und ihrer Schönheit besonderes Glück widerfahren war.
Anne van Eyck führte sie seitwärts am Haus vorbei auf einem plattierten Weg zur rückwärtig gelegenen Hofseite. Sie passierten eine weitere hölzerne grüne Tür, die nach Beschreibung der Mandantin diejenige zur Wohnung von Lieke war. Dann standen sie im Garten, der verwildert, aber nicht ungepflegt wirkte. Kräuter und wie zufällig verstreute Zierpflanzenbeete wechselten einander ab. Gelbe und rote Blüten leuchteten bunt im Sonnenlicht. Der Garten verlor sich nach hinten in dichtem Gebüsch, das stellenweise in die Beete hineinragte, als wollte es in die Anpflanzungen vorstoßen. Der Garten bot ein Schauspiel wild durcheinander gewürfelter Gewächse, das Buschwerk im Hintergrund eine löcherige Kulisse, hinter der höhere Sträucher wie eine abschließende Wand aufragten, die das Areal von einem dichten Laubwald abgrenzte, dessen hellgrünes Blätterdach sanft im leichten Wind rauschte. Inmitten des Gartens lag eine gepflegte Rasenfläche, auf der - beschattet von einem großen Sonnenschirm - ein rustikaler dunkel gebeizter Holztisch mit zwei ebensolchen Holzbänken stand. Der Tisch war mit Erdbeerkuchen, Sahne, Kaffee und Gebäck gedeckt, und gerade, als Marie und Stephan die gesamte Anlage bestaunt hatten und an dem Tisch Platz nehmen wollten, erschien endlich Hermann van Eyck, Annes Ehemann und wie sie Unternehmensberater, eine sportliche und drahtige Erscheinung, Ende 50, graues meliertes volles Haar und Stoppelbart. Er begrüßte die Gäste so herzlich, wie es seine Frau getan hatte, und wählte seine Willkommensworte mit Bedacht, während er sich mit ausgestreckter Hand langsam drehte und stolz den Garten präsentierte, den er unbescheiden als ein Paradies vorstellte, in dem er in der warmen Jahreszeit jede freie Minute mit seiner Frau verbrachte.
Sie kamen leicht ins Gespräch und mussten nicht nach Themen ringen. Es war, als hätte sich die Unbeschwertheit dieses schönen Tages auf sie übertragen. Marie erzählte von ihrer Tätigkeit als Lehrerin an einem Dortmunder Gymnasium, die sie nicht ausfülle, und ihre Freude, gemeinsam mit Stephan die Hintergründe seiner manchmal verzwickten Fälle zu erforschen, die häufig zu unvermuteten Lösungen führten. Stephan schilderte seine Hassliebe zu seinem Beruf, die ihn stets zu den vielen typischen Vertretern seiner Zunft auf Distanz hielt, die mit streng gescheitelten Haaren, feinem Zwirn und dickbauchigen Lederkoffern in die Gerichte liefen, mit gewichtiger Gebärde plädierten und dabei in erster Linie ihre Geltungssucht und ihr Gewinnstreben bedienten.
Die van Eycks betrieben seit knapp 15 Jahren ihre Unternehmensberatung, die erst in der Stadt Dorsten ansässig war, bevor sie vor etwa drei Jahren auf den Hof umsiedelten, der schon seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr der Landwirtschaft diente und zuletzt von einem Künstler bewohnt worden war, dessen Tod den van Eycks Gelegenheit bot, das Gebäude samt großem Grundstück anzumieten und fernab der geschäftigen Betriebsamkeit der Städte in einer Atmosphäre zu leben und zu arbeiten, die andere nur im Urlaub genießen konnten.
Anne van Eyck war gebürtige Holländerin, was man ihrem unauffälligem Akzent anmerkte. Sie erzählte von ihrer Heimat Amsterdam, wo sie noch heute gemeinsam mit ihrem Mann eine Stadtwohnung an einer der Grachten besaß. Es war ein Kleinod mit hohen stuckverzierten Decken, großen Fenstern, die zum Wasser hinausgingen, und einem repräsentativen Wohnzimmer im Erdgeschoss, das als besonderen Schatz einen Kachelofen mit Seefahrermotiven barg. Die Amsterdamer Wohnung schien das städtische Pendant zu dem Hof auf dem Land zu sein: Eine Perle hier wie dort, eine Wirklichkeit gewordene Märchenwelt, gespeist von allen Attributen, die man sich gemeinhin für ein schönes Leben wünscht.
Hermann van Eyck wiegelte Stephans Bewunderung bescheiden ab. Alles sei nur Produkt harter Arbeit, die oft genug ihre Schatten werfe und immer wieder dazu zwinge, mit strenger Disziplin die unternehmerischen Ziele zu verfolgen und sich unablässig um die Kunden zu kümmern. Zu ihnen zählte eine stattliche Anzahl mittlerer und größerer Unternehmen, die die van Eycks geschickt und erfolgreich in allen betrieblichen Belangen und Entwicklungen berieten. Es stand außer Zweifel, dass die van Eycks es geschafft hatten, doch der Erfolg musste immer wieder neu erarbeitet werden.
Erst jetzt, als Anne van Eyck die Kaffeetafel abdeckte, mündete die leichte Plauderei in ein vertiefendes Gespräch und fand schließlich zu dem Thema, das Marie und Stephan hergeführt hatte: Lieke.
»Wir kommen über ihren Tod einfach nicht hinweg«, seufzte Anne van Eyck.
»Meine Frau hat Ihnen erklärt, worum es geht«, fasste ihr Mann zusammen, »wir wollen Klarheit gewinnen und die Chance erhalten, mit Liekes Tod abzuschließen. Ich möchte nicht verhehlen, dass meine Frau und ich durchaus unterschiedlicher Auffassung darüber sind, ob Liekes Tod ein Unfall oder ein Verbrechen war. Sie wissen, dass Anne vermutet, dass ihre tödliche Alkoholfahrt kein selbst verschuldetes Unglück war. Ich für mich kann akzeptieren, dass es ein Unfall war, auch wenn die Umstände ihres Todes merkwürdig erscheinen. Es war der Wunsch meiner Frau, die von der Staatsanwaltschaft eingestellten Ermittlungen quasi auf privater Ebene wieder aufzunehmen und die Hintergründe neu zu durchleuchten. Ich muss gestehen, dass ich dies zunächst nicht wollte, weil ich mir sicher bin, dass wir zu keinen anderen Ergebnissen kommen. Doch heute begrüße ich, dass wir so verfahren, und ich unterstütze meine Frau und somit auch Sie, Frau Schwarz und Herr Knobel, ausdrücklich, damit wir endlich wissen, woran wir sind. Denn Liekes Tod wird auch zwischen meiner Frau und mir immer ein Thema bleiben, solange wir keine Klarheit haben. Ihre Arbeit ist deshalb auch für uns, also für Anne und mich, und somit in gewisser Weise für das Glück unserer Ehe von Bedeutung.«
Hermann van Eyck unterbrach sich und sah abwechselnd Marie und Stephan mit feierlichem Ernst an. Stephan bemerkte, dass er wie seine Frau differenziert und wie sie sein Anliegen ähnlich nüchtern formulierte. Dies schien Ausdruck jener Professionalität zu sein, mit der beide ihrem Beruf nachgingen. Die Unternehmensberatung van Eyck konnte mit besten Referenzen aufwarten. Stephan und Marie hatten das geschäftliche Profil auf der Homepage der van Eyck Consulting studiert. Die Seite war übersichtlich strukturiert und informativ gestaltet. Gelungene Porträtfotos der Eheleute van Eyck rundeten die Seite ab.
»Wenn Sie dazu neigen, sich mit den amtlichen...
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