Schweitzer Fachinformationen
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I. Am Anfang des Weges
Am Anfang bin ich. Vor dem Anfang war nichts. Am Ende bin ich immer noch. Nach dem Ende kommt nichts. Mein Weg hat mich heute in die Tai-Berge geführt. Der erste Frühlingsmonat ist da, und es ist einfach nur schweinekalt. Dazu bläst der Wind durch jede erdenkliche Ritze. Ich ziehe mich warm an, aber ich kann anziehen, so viel ich will, ich friere. Ich bewege mich, aber ich kann mich bewegen, so viel ich will, ich friere. Ich mache Feuer, aber ich kann Feuer machen, so viel ich will, ich friere und friere und höre nicht auf zu frieren. Dabei soll der Winter eigentlich längst vorbei sein, nur gelingt es dem Frühling einfach noch nicht, wohltuende Temperaturen zu generieren. Meine Nase fühlt sich an, als sei sie ein Eiszapfen, meine Finger knacken bedenklich bei jeder Bewegung, und mich über andere Körperteile zu verbreiten verbietet mir die gute Sitte.
Man sagt mir, dass im ersten Frühlingsmonat die Sonne im Zeichen Yingshi stehe, zur Zeit der Abenddämmerung das Sternbild Shen und zur Zeit der Morgendämmerung das Sternbild Wei kulminiere. Seine Tage seien Jia und Yi, sein göttlicher Herrscher sei Taihao, sein Schutzgeist Goumang, seine Tiere seien die Schuppentiere, seine Note sei Jue, seine Tonart Taizu, seine Zahl acht, sein Geschmack sauer und sein Geruch muffig. Man sagt mir auch, man opfere den Türgeistern und unter den Opfergaben stehe die Milz voran. Der Ostwind löse das Eis. Die Tiere beginnen aus ihrem Winterschlaf zu erwachen. Die Fische stoßen das Eis auf. Der Fischotter opfere Fische. Die Zuggans ziehe nach Norden. All dies sagt man mir vom ersten Frühlingsmonat.
Dreihundert Meilen südlich des Du-Gebirges und zweihundert Meilen östlich des Yan-Gebirges liegt das im ganzen Land berühmte Tai-Gebirgsmassiv (im heutigen Bezirk Tai'an in der Provinz Shandong). Auf dessen Höhen kann man Jade gewinnen, und an seinen Hängen findet man metallische Mineralien. Hier wächst der glänzende Liguster, ein immergrüner Baum, der bis zu zehn Meter hoch werden kann. Seine Blätter sind glänzend dunkelgrün, an der Unterseite heller, von ledriger Konsistenz, eiförmig zugespitzt von acht bis zwölf Zentimeter Länge. Wenn er blüht, wird das Laub fast völlig von cremeweißen Blüten verdeckt. In diesem Gebirge entspringen der Huan-Fluss, der von hier aus Richtung Nordwesten ins Meer fließt, und der Gou-Fluss, der nach Nordosten in den Lao-Fluss fließt. In seinem Wasser schwimmen Xiu-Fische.
Auf der Höhe und an den Hängen lebt ein Tier namens Tongtong, das aussieht wie ein Schwein und Magen-, Gallen- und Nierensteine hat, die in der Medizin so manches Wunder wirken. Seinen Namen hat das Tier von den Geräuschen, die es von sich gibt, wenn es seinesgleichen ruft. Am Fuße des Massivs lebt in kleinen Herden ein Wasserbüffel namens Fei. Er hat den Körper eines Rindes, einen weißen Kopf und einen Schlangenschwanz. Sein Fell ist spärlich und braun über grau bis schieferfarben-schwarz gefärbt, seine Beine sind häufig vom Sprunggelenk abwärts schmutzigweiß. Wo er vorbeikommt, trocknet das Wasser. Wo er entlanggeht, vertrocknet das Gras. Und wo er erscheint, bricht eine Epidemie aus. So sagen wenigstens die Bewohner dieser Gegend.
Jeder Ort ist ein guter Ort, seine Gedanken schweifen zu lassen, also wohl auch dieser. Auch wenn es nicht viel hilft, die grässliche Kälte zu vertreiben, gehe ich am Ufer eines kleinen, gänzlich zugefrorenen Sees auf und ab und denke darüber nach, was zu tun und was zu unterlassen sei. Und da kommt mir wie so oft der Weg in den Sinn, der, den ich gehe, und dessen Beschreibung nicht nur mir solche Mühe bereitet. Und das Sinnieren über den Weg führt mich ganz natürlich zum Anfang aller Dinge und heute zur Abwechslung auch zu meinem eigenen Anfang.
Mit einem eingeschränkten Maß an Sicherheit werde ich am sechsundvierzigsten Tag des Sechtzigerzyklusses, im dritten Jahr des regierenden Herzogs nach der gegenwärtigen Zeitrechnung, ganz sicher aber am Tag, im Monat und Jahr Null oder Eins, je nach Betrachtungsweise und Einstellung, meiner eigenen Zeitrechnung (das entspricht dem dreißigsten November zweihundertfünfzig vor unserer Zeitrechnung) im Dorfe Daodejing im Kreis Ku des Staates Chu (im heutigen Kreis Luyi in der Provinz Henan), südlich des Flusses, der unser Land und unsere Pläne durchkreuzt und unser Leben bestimmt, im Tierkreiszeichen Fisch, das von allen Tierkreiszeichen das wichtigste ist, weil es Glück und langes Leben verspricht, und über dessen, nämlich des Fisches, reales Empfinden viel später mein Freund Zhuang und Herr Hui debattieren werden, nun endlich geboren.
Nun wird ja ständig irgendwo irgendwer geboren, einer irgendwann angeblich nach einer merkwürdig unfleischlichen Kopulation eines, noch dazu heiligen Geistes mit einer Jungfrau, und dann logischerweise als Sohn eines Gottes, in Bethlehem oder Nazareth, ein anderer zu ebenso unbekannter Zeit, aber wohl immerhin nach einem natürlichen Geschlechtsakt natürlicher Wesen, als Haschemit in Mekka, und wieder ein anderer, auch wohl wieder auf natürliche Weise, als Shakyamuni in Lumbini. Während aber all jene und alle nicht genannten Anderen denn doch sehr gewöhnlich sind, bin ich alleine das, was mit außergewöhnlich nur ausgesprochen unzureichend bezeichnet werden kann.
Ich bin also trotz meiner Einzigartigkeit natürlich nicht das Ergebnis einer unbefleckten Empfängnis, ich bin nicht einmal in der Lage - geschweige denn willens - mir vorzustellen, wie so etwas überhaupt funktionieren kann. Ich bin vielmehr sicher, dass meine Eltern bei meiner Erzeugung viel Freude aneinander haben. Anders möchte ich es mir jedenfalls nicht ausmalen. Und meine Mutter liegt auf einer bequemen Unterlage in den Frauengemächern eines gepflegten Anwesens, nicht im piekenden Stroh eines Stalles.
Und dann komme ich.
"Seid gegrüßt, werte Frau Mutter!"
"Der kann ja sprechen!"
"Seid gegrüßt, werte Frau Großmutter!"
"Das ist doch unmöglich!"
Nichts ist unmöglich!
"Seid gegrüßt, werte Frau Muhme!"
"Ein Wunder! Welch ein Wunder!"
Es gibt natürlich keine Wunder. Aber warum sind Mutter, Oma und Tante so überrascht? Nur, weil ich sie, wie es sich für einen erstgeborenen Sohn, Enkel und Neffen gehört, begrüße? Ich kann doch nichts dafür, dass man andere Neugeborene erst schlagen muss, damit sie wenigstens anfangen zu schreien. Ich bin nun einmal von Anfang an anders. Und daran ändert sich auch nichts, bis ich die Welt nach Westen verlasse. Ich kann übrigens auch lesen und schreiben und überhaupt alles, was Andere auch nach viel mühseliger Lernerei entweder schlecht oder gar nicht beherrschen. Das merkt aber erst einmal niemand, da weder Bambusstreifen noch Pinsel oder Tusche zur Hand sind.
Die aufgeregten Weiberleute rufen die Männer der Familie auf den Plan. Gerade spielen sie noch Karten und trinken ein Schäpschen, da stürzen sie herein und besehen sich die Bescherung.
"Seid gegrüßt, werter Herr Vater!"
"Das ist doch ."
"Seid gegrüßt, werter Herr Großvater!"
"Das kann doch nicht ."
"Seid gegrüßt, werter Herr Ohm!"
"Das gibt es doch nicht!"
Oh doch!
Den Herren bleibt im Nebel ihres leichten Rausches die Spucke weg. Sie machen einen etwas ratlosen und verstörten Eindruck. Als Erster fängt sich mein Vater.
"Wieso hat das Kind einen Bart?"
"Wieso hast du keinen Bart?"
"Wir müssen ihm einen Namen geben!"
"Wie soll er denn heißen?"
"Langnase."
"Die ist aber ganz klein und knuddelig."
"Kullerauge."
"Die sind aber ganz schmal und verschmitzt."
"Schlappohr."
"So ein Unfug."
"Schmollmund."
"Quark."
Namensgebung ist immer wieder Anlass zu Streitereien, warum soll das in meiner Familie anders sein als in deiner. So dauert es also ein Weilchen, aber schließlich nennen sie mich Er, das hört sich an wie Öhr und bedeutet Ohr, und so heiße ich Li Er, weil unser Familienname Li lautet, aber unter diesem Namen kennt mich kein Schwein. Mich fragt man nicht, wie ich gerne heißen möchte, aber das ist mir egal. Später nennt man mich Lao Dan und Laozi, aber diese Namen sind für ein Neugeborenes erst einmal ungeeignet. Namen und Begriffe werden mich allerdings zeit meines ganzen Lebens auf allen Wegen begleiten.
Nun, da ich einen Namen habe, kann ich auch eigene Entschlüsse fassen. Und während um mich herum noch ein großes Durcheinander herrscht, drehe ich mich um und verlasse den Ort und die Zeit des Geschehens. Sofort verblasst mein Name, es verblassen die Erinnerungen der Familienmitglieder an die...
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