Schweitzer Fachinformationen
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Petter reckte sich nach einer Papierserviette und wischte sich den Schweißtropfen von der Stirn. Die Hitze in seinem kleinen Büro war nahezu unerträglich. Durch die hohen Fenster der Königlich Technischen Hochschule brannte die Nachmittagssonne, selbst der Tischventilator, den er sich in der Mittagspause besorgt hatte, machte die Situation kaum erträglicher.
Auf der anderen Seite des Büros saß seine Kollegin Bettina und tippte, offenbar völlig unbeeindruckt von den Temperaturen, fleißig auf ihrer Tastatur herum. Heute trug sie ihr krauses rötliches Haar in einem Dutt mitten auf dem Kopf, und ihre Hornbrille saß wie üblich ganz vorn auf ihrer Nasenspitze. Als sie bemerkte, dass er sie beobachtete, blickte sie von der Tastatur auf und legte den Kopf leicht schräg.
»Na, wie ist die Lage, Petter? Alles gut?«
Petter fuhr vor Schreck zusammen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine ausufernde Diskussion mit Bettina, in der sein Privatleben bis ins kleinste Detail seziert wurde.
»Ja, danke. Aber es ist so heiß hier«, antwortete er schnell und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Bettina mit den Schultern zuckte, dann hämmerte sie weiter in die Tasten. Petter starrte auf seinen Text. Die Doktorarbeit, mit der er schon so lange kämpfte, war in absehbarer Zeit fertig. Er musste nur noch am Schlussteil feilen. Der war allerdings auch der wichtigste. Er hatte gerade einen sehr komplizierten Satz im Kopf ausformuliert und wollte ihn eingeben, da verstummte das Geklapper von Bettinas Tastatur.
»Was habt ihr denn eigentlich für Urlaubspläne?«, fragte sie und blickte auf.
»Nichts Besonderes. Elsa ist mit ihrer Mutter den Sommer über auf Gotland, und Julia und ich werden hier in Stockholm bleiben.«
Bettina seufzte und warf einen Blick aus dem Fenster, was Petter Hoffnung gab, dass sie es damit auf sich beruhen lassen würde.
Der Juni neigte sich dem Ende entgegen, und der bevorstehende Sommerurlaub schien für alle das Gesprächsthema Nummer eins zu sein. Auf dem Weg in die Cafeteria war Petter von drei Kollegen gefragt worden, was er im Urlaub vorhabe. Und im nächsten Satz kamen sie gleich auf die eigenen Urlaubsreisen zu sprechen.
Ein paar Minuten verstrichen, und Petter versuchte händeringend, sich an die Formulierung zu erinnern, die ihm eben noch auf der Zunge gelegen hatte, doch gerade, als sie ihm wieder einfiel, hakte Bettina noch einmal nach.
»Es ist ja wirklich nicht meine Art, mich einzumischen«, sagte sie, was ihm zu verstehen gab, dass sie im nächsten Moment genau das tun würde. »Aber ich verstehe wirklich nicht, warum ihr nicht die Gelegenheit ergreift und in diesem Sommer etwas Besonderes unternehmt. Das ist immerhin euer allererster gemeinsamer Urlaub! Jetzt habt ihr die Möglichkeit, euch richtig gut kennenzulernen. Ohne Stress und Alltagssorgen. Ich würde sogar sagen, das ist die wichtigste Zeit in eurer Beziehung. Ihr legt den Grundstein für eure gemeinsame Zukunft.«
Petter hob die Hände von der Tastatur und sah Bettina mit großen Augen an. »Wie meinst du das?«
Sie lächelte erfreut. Die Gelegenheit, ihren Vorschlag zu erläutern, nutzte sie gern. »Wenn man frisch verliebt ist, spielt in den ersten Monaten nichts anderes eine Rolle. Man ist so überwältigt von diesem anderen Menschen und den starken Gefühlen, dass es einem völlig egal ist, wo man ist und was man tut. Aber etwas später kommen die echten Herausforderungen.« Dabei nickte sie langsam, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Wenn die erste überschwängliche Verliebtheit allmählich nachlässt, muss man beginnen, an seiner Beziehung zu arbeiten. Wenn ihr das nicht tut, lauft ihr Gefahr, dass einer von euch, oder sogar ihr beide, die Lust verliert.«
Petter rutschte von einer Pobacke auf die andere. Von Bettinas Hobbypsychologie hielt er nicht besonders viel, doch losreißen konnte er sich irgendwie auch nicht.
»Sieh dir Samuel und mich an«, fuhr Bettina fort, nahm ihre Brille von der Nase und ließ sie an der Kordel baumeln, die ihr um den Hals hing. »Ein paar Monate nachdem wir uns kennengelernt haben, haben wir einen langen Urlaub gemacht. Wir haben uns ein traumhaftes Haus auf Kreta gemietet. Waren einen ganzen Monat weg. Haben Tag und Nacht miteinander verbracht. Über alles geredet. Ganz neue Seiten aneinander kennengelernt. Diese Reise hat uns wirklich ganz fest zusammengeschweißt. Ich glaube nicht, dass wir ohne diese ersten tollen Erlebnisse so lange durchgehalten hätten. Fünf Jahre schon, stell dir das mal vor.«
»Stockholm ist im Sommer aber auch sehr schön, und weil Julia nicht so leicht einen Job findet .«, setzte Petter an, doch Bettina ging schon mit einem Kopfschütteln dazwischen.
»Das kannst du doch nicht vergleichen! Wenn ihr die Stadt nicht verlasst, dann bleibt ihr in eurem gewohnten Trott. Ihr wohnt getrennt, jeder hat sein Leben, seine Gewohnheiten und seinen Freundeskreis. Ihr baut nichts Gemeinsames auf, und schwups .«, sie schnippte mit den Fingern in die Luft, »sind die Gefühle abgekühlt, und ihr entfernt euch wieder voneinander.«
Petter zog an seinem Hemdkragen. Wurde es im Büro nicht immer stickiger, oder kam ihm das nur so vor?
»Aber Julia freut sich auf den Sommer in der Stadt .«
»Ach, Petter«, sagte Bettina, und zwischen ihren Augenbrauen machte sich eine Falte bemerkbar. »Verstehst du denn nicht, dass sie einfach nur das sagt, was von ihr erwartet wird? Sie würde es doch niemals zugeben, wie sehr sie sich nach einem romantischen Urlaub mit dir sehnt. Aber sie kann es sich allein nicht leisten und würde dich daher niemals darum bitten. Warum überraschst du sie nicht einfach?« Und dann nickte Bettina wieder mit dem Kopf.
Petter war nicht so überzeugt von ihrer Idee. Nach knapp fünf Monaten, die er jetzt mit Julia zusammen war, hatte er den Eindruck, Julia schon ganz gut zu kennen, und er glaubte nicht, dass sie sich einen Urlaub von ihm bezahlen lassen würde.
»Du willst doch jetzt nicht dieselben Fehler noch einmal machen.«
»Was?«
»Das sage ich dir jetzt als Freundin, Petter. Du hast deine Ehe mit Caroline vermasselt, weil du in eure Beziehung einfach nichts investiert hast. Und ich möchte nicht, dass es bei Julia wieder so wird.«
Petter schwieg. Was gab es da hinzuzufügen? Bettina hatte recht. Diesen Gedanken hatte er so oft gehabt - es war allein seine Schuld gewesen, dass seine Ehe in die Brüche gegangen war. Wäre er engagierter und häufiger zu Hause gewesen, hätte er seiner Familie ebenso viel Aufmerksamkeit wie seiner Arbeit gewidmet, dann hätte Caroline nicht irgendwann genug von ihm gehabt. Und obwohl er eigentlich wusste, dass das nicht die ganze Wahrheit war und Caroline auch noch andere Gründe gehabt hatte, sich zu trennen, traf das einen wunden Punkt: Er hatte es vermasselt.
»Lass es dir doch wenigstens mal durch den Kopf gehen«, sagte Bettina. »Von einer schönen Reise könntet ihr noch lange zehren. Die Erinnerungen daran bleiben euch bis ans Ende eures Lebens.«
Bettinas letzte Worte gingen direkt ins Herz. Wenn es etwas gab, das er sich schon immer gewünscht hatte, dann war es genau das. Mit dem Menschen alt zu werden, den er liebte. Gemeinsam auf ein langes, glückliches Leben zurückschauen zu können. Die Erinnerungen mit jemandem zu teilen, mit dem man durch dick und dünn gegangen war. Mit jemandem, der einen in- und auswendig kannte, der einen verstand und liebte, so wie man war. Er wünschte sich eine Frau, die auch später noch immer den jungen Mann in ihm sah, der er einmal gewesen war.
Damals hatte er geglaubt, dass dieser Jemand Caroline sein würde. Jetzt sah er Julia vor sich, wenn er an die Zukunft und ans Älterwerden dachte. Ja, Bettina hatte recht. Diesmal sollte er sich mehr Mühe geben. Er durfte es mit Julia nicht vermasseln.
Petter wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu, wo dieser unvollendete Satz prangte, aber anstatt ihn zu beenden, rief er Google auf. Ins Suchfeld gab er »romantischer Urlaub« ein, und im nächsten Augenblick bekam er über vier Millionen Suchergebnisse gelistet.
Dann vertiefte er sich in charmante italienische Küstendörfer, kleine pittoreske Pensionen in Frankreich und die weißen Sandstrände von Cornwall, doch bei keinem dieser Ziele stellte sich das Gefühl ein, fündig geworden zu sein.
Gut eine Stunde verbrachte er mit dem Surfen, und als er das nächste Mal auf die Uhr blickte, sah er, dass er die Zeit vergessen hatte. Für halb sechs war er mit Julia verabredet, und jetzt war es bereits Viertel nach fünf. Kribbelig vor Vorfreude packte er schnell seine Sachen zusammen.
Als er auf die Straße trat, schlugen ihm die Wärme und der Mief der Stadt entgegen. Dabei fiel ihm wieder ein, wie Großstädte in anderen Ländern rochen - ein Cocktail aus heißem Asphalt, Abgasen, Essensgerüchen und Müll. Sie hatten erst Juni, aber die schwedische Hauptstadt badete bereits in einer stickigen Hochsommerhitze.
Am Valhallavägen stand die Luft genauso still wie der Verkehr, und Petter ärgerte sich, dass er ein langärmliges Hemd und Chinos angezogen hatte, das war viel zu warm. Um nicht völlig durchgeschwitzt am Treffpunkt zu erscheinen, drosselte er das Tempo. Um diese Uhrzeit war viel los, so dass er auf dem Fußweg Zickzack um die anderen Passanten laufen musste. Auf der Skeppargatan konnte er sich gerade noch an eine Hausfassade...
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