Vorwort von Christian Danner
1. Einleitung
TEIL I: Warum Rennfahrer fit sein sollten
2. Belastungsfaktoren im Autorennsport
2.1 Muskelarbeit beim Fahren
2.2 Einfluss von Beschleunigungskräften
2.3 Einfluss von Vibrationskräften
2.4 Einfluss von Temperatur
2.5 Einfluss von Geschwindigkeit
2.6 Einfluss von Wettkampfstress
3. Belastungsreaktionen von Autorennfahrern
3.1 Herz- und Kreislaufreaktionen
3.2 Reaktionen im Bereich von Hormon- und Nervensystem
3.3 Reaktionen im Bereich des Energiestoffwechsels
3.4 Subjektives Anstrengungsempfinden
TEIL II: Wie Rennfahrer fit werden können
4. Allgemeine Trainingsgrundlagen
4.1 Belastungsfaktoren als Steuergröße
4.2 Balance von Belastung und Erholung
4.3 Biologische Anpassungsstufen
4.4 Belastungsdosierung
4.5 Belastungssteigerung
5. Körperliche Optimierung unter Mitwirkung von Alexander Prinz
5.1 Ausdauertraining
5.1.1 Ausdauer, was ist das?
5.1.2 Warum Ausdauertraining für Rennfahrer nützlich ist
5.1.3 So testen Sie Ihr Ausdauerniveau
5.1.4 Optimales Ausdauertraining für Rennfahrer
5. 2 Krafttraining
5.2.1 Kraft, was ist das?
5.2.2 Warum Krafttraining für Rennfahrer nützlich ist
5.2.3 So testen Sie Ihr Kraftniveau
5.2.4 Optimales Krafttraining für Rennfahrer
5.3 Koordinationstraining
5.3.1 Koordination, was ist das?
5.3.2 Warum Koordinationstraining für Rennfahrer nützlich ist
5.3.3 So testen Sie Ihr Koordinationsniveau
5.3.4 Optimales Koordinationstraining für Rennfahrer
5.4 Beweglichkeitstraining
5.4.1 Beweglichkeit, was ist das?
5.4.2 Warum Beweglichkeitstraining für Rennfahrer nützlich ist
5.4.3 So testen Sie Ihr Beweglichkeitsniveau
5.4.4 Optimales Beweglichkeitstraining für Rennfahrer
5.5 Schnelligkeitstraining
6. Mentale Optimierung
6.1 Konzentrationstraining
6.1.1 Konzentration, was ist das?
6.1.2 Die sieben Konzentrationsebenen im Leistungssport
6.1.3 Testen Sie nicht nur Ihre Konzentration!
6.1.4 So optimieren Sie Ihre rennsportspezifische Konzentration
6.2 Mentale Stärke
6.2.1 Mentale Stärke, was ist das?
6.2.2 Die Rolle von Einstellungen, Motiven und Zielen
6.2.3 Basisarbeit für eine mentale Optimierung: Die Analyse der eigenen Stärken- und Schwächen
6.2.4 Mentales Stärkentuning
Danksagung, Fotonachweis, Literaturverzeichnis, Autorenportrait
unter Mitwirkung von Alexander Prinz
Geht es im Leistungssport um gezielte körperliche Optimierung, gilt die Frage, was wann und wie trainiert werden soll. Für die Beantwortung dieser Fragen ist ausschlaggebend, wie die körperliche Belastungs- und Beanspruchungssituation in der jeweiligen Sportart aussieht. So wäre es etwa für einen Fußballprofi wenig sinnvoll, wie ein Triathlet zu trainieren: Die Anforderungen in beiden Sportarten sind einfach zu unterschiedlich. Ähnlich wenig Sinn hat es, wenn sich Rennfahrer bei ihrer Trainingsgestaltung zu sehr an anderen Sportarten orientieren. Wie in den Kapiteln 2 und 3 dargestellt, ist die Belastungs- und Beanspruchungssituation im Rennsport sehr speziell und mit anderen Sportarten kaum zu vergleichen.
Will man ein Training gezielt auf die Anforderungen der jeweiligen Sportart abstimmen, so bietet sich die Differenzierung in die so genannten konditionellen Faktoren an. Das sind Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Bewegungskoordination (Bewegungstechnik). Als Gesamtsystem bestimmen sie die körperliche Leistungsfähigkeit stets gemeinsam, die einzelnen Faktoren spielen aber je nach Sportart mal die Haupt-, mal nur eine Nebenrolle. So ist etwa für einen Marathonläufer große Ausdauerleistungsfähigkeit entscheidend, für die Leistungsfähigkeit eines Gewichthebers spielt sie dagegen kaum eine Rolle. Verstärktes Ausdauertraining wirkte sich auf das Leistungspotenzial eines Gewichthebers sogar negativ aus, das gleiche gilt für einen Marathonläufer in Bezug auf ein intensives Muskelaufbautraining.
Die interessante Frage in diesem Buch ist natürlich, welche konditionellen Faktoren im Autorennsport in der Pole Position sind. Die Tabelle fasst die in den Kapiteln 2 und 3 beschriebenen Belastungs- und Beanspruchungssituationen von Rennfahrern zusammen. Bezogen auf die konditionellen Faktoren wird deutlich, dass die körperliche Leistungsfähigkeit von Rennfahrern hauptsächlich von der Ausdauer (Herz- Kreislaufsystem, Atmung, Hormon- und Nervensystem) und der Kraft (Muskulatur, Knochen- und Gelenksystem) sowie von der Koordination (Nervensystem, Sinnessystem) bestimmt wird.
Die körperliche Leistungsfähigkeit wird von fünf Faktoren bestimmt.
Belastungsfaktor Körperliche Beanspruchungsbereiche Lenken, Gasgeben, Bremsen, Schalten Bewegungsmuskulatur Beschleunigungskräfte Muskulatur allgemein
Atmung
Herz-Kreislaufsystem
Knochen- und Gelenksystem Vibrationskräfte Muskulatur allgemein
Atmung
Herz-Kreislaufsystem
Knochen- und Gelenksystem
Nervensystem
Sinnessystem Temperatur "Kühlsystem"
Herz-Kreislaufsystem Geschwindigkeit Sinnessystem
Hormon- und Nervensystem Wettkampfstress Hormon- und Nervensystem
Herz-Kreislaufsystem
Zusammenfassung der Belastungsfaktoren und der beanspruchten Körperbereiche im Automobilrennsport
Der Faktor Ausdauer nimmt im Training von Rennfahrern eindeutig die Hauptrolle ein. Entsprechend intensiv finden Sie das Thema unter dem folgenden Punkt 5.1 beleuchtet. Mit großer Ausdauerleistungsfähigkeit deckt ein Rennfahrer mehrerlei ab: Das Herz- Kreislaufsystem kommt mit der hohen Beanspruchung besser zurecht, arbeitet unter Hitzebedingungen ökonomischer und das Hormon- und Nervensystem reagiert auf mentalen Stress weniger stark. Auf weitere Vorteile werden wir noch ausführlich eingehen.
Kraft ist für Rennfahrer wichtig, belegt aber in Bezug auf die körperliche Optimierung im Autorennsport hinter Ausdauer nur die Position Nr. 2. Die Bedeutung des Faktors Kraft ist stark davon abhängig, in welcher Rennsportklasse ein Fahrer unterwegs ist. Für einen Formel-1-Piloten kann die Muskelkraft aufgrund der massiven Beschleunigungskräfte durchaus zu einem leistungsbestimmenden Faktor werden, für einen Fahrer in einem Markenpokal dagegen weniger. Für alle Klassen jedoch gilt (siehe auch Punkt 2.2 und 2.3): Um die in jeder Rennsportklasse stark belastete Wirbelsäule gesund zu erhalten, benötigt ein Rennfahrer auf jeden Fall eine gut trainierte Rumpfmuskulatur.
Genau betrachtet, bestimmt letztendlich in allen Sportarten der Faktor Bewegungskoordination über Sieg oder Niederlage. Nur mit der angemessenen Bewegungstechnik kann das Potenzial an Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit umgesetzt werden. Koordination ist bei jedem Sportler quasi das, was für ein Auto das Getriebe ist. In der Sportwissenschaft wird allerdings immer öfter diskutiert, ob Koordination überhaupt als einzelner Konditionsfaktor gesehen werden kann. Wir werden auf unsere Sicht der Dinge unter Punkt 5.3 eingehen und anregen, bei Rennfahrern deutlich zwischen spezifischem und allgemeinem Koordinationstraining zu unterscheiden.
Der Begriff Beweglichkeit beschreibt die Fähigkeit, Bewegungen möglichst "endgradig" auszuführen, dass heißt die Spanne der anatomischen Gelenkbeweglichkeit auszunuten (jeder von uns könnte nach seiner Gelenkbeweglichkeit beispielsweise einen Spagat ausführen, begrenzt wird unsere Beweglichkeit aber von der Dehnfähigkeit der Muskulatur im Bein-Hüftbereich). Zu Bewegungen, die auch nur ansatzweise in den Bereich der "Endgradigkeit" führen, kommt es im Autorennsport nicht (von Verrenkungen beim Ein- und Aussteigen vielleicht einmal abgesehen). Warum für Rennfahrer dennoch zumindest ein Minimum an Beweglichkeit eine gewisse Rolle spielt, werden wir unter Punkt 5.4 beschreiben.
Bleibt in der letzten Position noch der Faktor Bewegungsschnelligkeit. Jetzt wird es spannend, denn wir halten diesen Faktor für die Leistungsfähigkeit eines Rennfahrers für unwichtig. Wohlgemerkt: Es geht hier um die Schnelligkeit von Bewegungen, nicht um das schnelle Fahren eines Rennwagens! Falls Sie da einen prinzipiellen Widerspruch zur Rasanz des Rennsports sehen oder von Ihrem Trainer bislang mit Sprinttraining getriezt worden sind, lesen Sie unter Punkt 5.5 weiter. Dort begründen wir, warum Rennfahrer ihre Erfolgsaussichten durch klassisches Schnelligkeitstraining kaum verbessern können.
Sehr allgemein beschrieben ist Ausdauer die Fähigkeit, etwas sehr lange durchhalten zu können, ohne dabei nennenswert zu ermüden. Für den Rennfahrer heißt das ganz einfach, lange auf hohem Niveau fahren zu können.
Müdigkeit kann auf der körperlichen wie auf der mentalen Ebene entstehen. Da auch die mentale Ebene von körperlichen Prozessen bestimmt wird, verbessert sich durch eine gute körperliche Ausdauerfähigkeit stets auch die mentale Ausdauer.
Unter 2.6 haben wir Ihnen bereits eine Übersicht über Ermüdungssymptome und den Ermüdungsverlauf gegeben. Bezogen auf die körperliche Leistungsfähigkeit bedeutet Ausdauer, eine körperliche Arbeit möglichst lange durchführen zu können, ohne dass es zu Störungen und Leistungseinbußen innerhalb der körperlichen Antriebs- und Steuerfunktionen kommt.
Begrenzender Faktor ist die Energieversorgung von Muskeln und Nerven. Vergleichbar mit einem Auto, das ohne Benzin nicht mehr fahren kann, können Muskeln und Nerven auch nicht mehr arbeiten, wenn die körperlichen Energiereserven aufgebraucht worden sind. Will man mit einem Auto möglichst weit fahren, dann ist der beste Weg, sich den Motor vorzunehmen und ihn so zu tunen, dass er bei gleicher Leistung weniger Sprit verbraucht. Zudem wäre es sicher noch ein unschlagbarer Vorteil, wenn gleichzeitig auch ein größerer Tank eingebaut würde. Auf nichts anderes zielt gutes Ausdauertraining ab: Ihr Körper wird so trainiert, dass er unter gleicher Belastung wesentlich ökonomischer mit seinen Energiemöglichkeiten umgeht, gleichzeitig werden die körpereigenen Energietanks vergrößert.
Abhängig von der Belastungsintensität erhält ein Muskel die Energie für seine Bewegung auf zwei unterschiedlichen Wegen: mit Beteiligung von Sauerstoff, der so genannten aeroben Energiebereitstellung, oder ohne Sauerstoff, der so genannten anaeroben Energiebereitstellung. Je mehr Sauerstoff bei der Energiebereitstellung beteiligt ist, desto ökonomischer geht der Körper mit seinen Energiereserven um. Er verbrennt sein "Benzin" dann mit größtmöglicher Effizienz und noch dazu rückstandsfrei. Diese aerobe Energiebereitstellung benötigt allerdings viel Zeit. Vergleichbar mit einem Motor verbraucht auch die Muskulatur pro Zeiteinheit umso mehr Energie, je höher die Belastungsintensität ist. Ab einer gewissen Grenze kann dieser Energiebedarf nicht mehr alleine auf dem langsamen, aeroben Weg gedeckt werden und es gesellt sich die anaerobe Energiebereitstellung hinzu. Auf anaerobem Weg kann der Körper Energie in wesentlich kürzerer Zeit bereitstellen, er verbrennt sein "Benzin" dann allerdings nur noch sehr unsauber und produziert ungenutzte Rückstände. Diese Rückstände sammeln sich in der Muskulatur an und bestehen aus dem berühmten Laktat1.
Laufeinheit mit Trainer Peter Wehner (3.v.l.) während des ADAC Formel BMW FitnessCamp 2007 im Sportpark TSV Bayer Leverkusen 07.
Energiegewinn innerhalb einer Muskelzelle.
Ein Bruchteil der im Nährstoff enthaltenen Gesamtenergie wird im ersten Schritt immer auf anaerobem Weg und damit in äußerst kurzer Zeit gewonnen (Energiegewinn 1). Steht der Zelle danach ausreichend Sauerstoff zur Verfügung, so wird der Nährstoff mit seiner Restenergie in spezielle Zell-Organe...