Schweitzer Fachinformationen
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Einführung
»Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist!«, erklärte der Mann mit Tränen in den Augen und warf seiner Frau, die neben ihm saß, die Arme um den Körper geschlungen, einen raschen Blick von der Seite zu. »Sie ist nicht mehr so wie früher, so überschäumend vor Lebensfreude und Energie. Sie kann sich nicht einmal mehr dazu aufraffen, Zeit mit mir zu verbringen, und wir unterhalten uns kaum noch, weil sie andauernd Schmerzen hat. Und wenn wir doch mal miteinander reden, dann geht es immer nur um ihren Gesundheitszustand.«
Seine Frau kniff die Augen zu, doch das war die einzige Reaktion, die sie zu erkennen gab.
Eine Frau, die ihm gegenübersaß, ergriff das Wort. »Früher haben mein Mann und ich viel gemeinsam unternommen«, sagte sie mit leiser Stimme. »Heute ist sogar ein Restaurantbesuch schwierig geworden.«
Ein anderer Mann fiel ein: »Ich habe meinen Job aufgegeben, um meine Frau zu pflegen. Sie ist überempfindlich, ständig gereizt.« Er hielt inne, bevor er hinzufügte: »Unsere Beziehung war in dem Moment beendet, als sie krank wurde.«
Das sind einige der Kommentare, die ich an meinem ersten Abend als Co-Moderatorin in einer Selbsthilfegruppe für Paare zu hören bekam, deren Beziehung durch eine chronische Schmerzerkrankung belastet war. Alle wirkten bedrückt und erschöpft. Niemand saß nah neben dem Partner oder der Partnerin oder machte den Eindruck, als bestünde eine liebevolle Verbindung zum anderen. Kein einziges Paar hielt sich an den Händen.
Der Kampf, eine leidenschaftliche und erfüllende Beziehung trotz einer chronischen Schmerzerkrankung aufrechtzuerhalten, ist heute für unzählige Menschen ein schwerwiegendes Problem. Im Schnitt leidet in Australien inzwischen jeder fünfte Erwachsene unter chronischen Schmerzen. In der Gruppe der älteren Menschen ist sogar jede dritte Person betroffen.1 (Für Deutschland gibt es keine differenzierten Statistiken hierzu, laut Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. sind 8 bis 16 Millionen Menschen betroffen, also 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung.2 Anm. d. Übers.)
Chronische Schmerzen werden als anhaltende oder immer wiederkehrende Schmerzen definiert, die länger als drei Monate andauern. Doch das wissen Sie vermutlich. Vielleicht haben Sie aber, genau wie ich, in Ihrer Verzweiflung online nach Möglichkeiten gesucht, zu verhindern, dass die Schmerzen Ihre harmonische Beziehung zerstören. Abgesehen von ein paar Artikeln mit allgemeinen Ratschlägen zum Thema »Wie man chronische Schmerzen überlebt und eine Beziehung aufrechterhält« wird dieses Problem selten mit all seinen Facetten angesprochen. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass es nicht nur darum geht, zu überleben oder eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Glauben Sie das etwa? Ich nicht, und deshalb habe ich das Buch geschrieben, das Sie gerade in der Hand halten.
Ich weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, was chronische Schmerzen in einer Beziehung anrichten können. Mein Leben drehte sich früher nahezu ausschließlich um die tägliche Bürde, die anhaltenden Schmerzen irgendwie in den Griff zu bekommen und meine Angst zu bewältigen, weil ich zusehen musste, wie mir die liebevolle Verbindung zu meinem Mann mehr und mehr entglitt. Oft hatten wir ein Date mit allem Drum und Dran geplant, als wäre ich gesund, und ignorierten dabei die Tatsache, dass ich kaum noch imstande war, das Haus zu verlassen, ganz zu schweigen davon, eine Gesprächspartnerin zu sein, in deren Gesellschaft sich andere rundum wohlfühlten. Wenn wir in einem Restaurant mit wunderschönem Ambiente und gedämpftem Licht einander gegenübersaßen, drehte sich unsere Unterhaltung in erster Linie um die bange Frage, wie lange ich es aushalten würde, sitzen zu bleiben, bevor die Schmerzen unerträglich wurden und wir gehen mussten. So viel zum Thema romantischer Abend!
Zum Glück war dieser Kampf von kurzer Dauer. Nicht etwa, weil die Schmerzen nachließen oder ein für alle Mal der Vergangenheit angehörten, sondern weil wir gemeinsam die Entscheidung trafen, unsere Beziehung nicht auf Eis zu legen, weil Krankheit und Schmerzen Besitz von meinem Körper ergriffen hatten. Ich befasste mich eingehend mit den verfügbaren Forschungsergebnissen, leitete praktische Maßnahmen ein, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen war, machte mir einige ausgewählte klinische Strategien zunutze (die wir inzwischen mit zahlreichen Klientinnen und Klienten geteilt haben und auch in unserem eigenen Alltag umsetzen) und identifizierte die wichtigsten Schritte, die trotz chronischer Schmerzen Freude in unser Liebesleben zurückbrachten.
Ich sollte wohl erwähnen, dass ich Sprachtherapeutin und Geschäftsführerin von zwei psychosomatischen Privatkliniken bin. Mein Mann Johann arbeitet als klinischer Psychologe mit Menschen, die unter psychischen Störungen oder physischen Erkrankungen leiden, bei denen die Wechselwirkung zwischen Körper, Geist und Seele eine Rolle spielt. Jede Woche haben wir zahlreiche Neuzugänge in unseren Kliniken zu verzeichnen, Menschen, die mit schwerwiegenden, lebensverändernden Krisen konfrontiert sind, Probleme aufgrund chronischer Schmerzen und Beziehungsstress eingeschlossen. Es überrascht wohl nicht, dass viele der betroffenen Paare kurz vor einer Trennung stehen und trotz verzweifelter Bemühungen, die Beziehung zu retten, keine praktische Unterstützung finden. Wie vermutlich auch bei Ihnen hat die Fokussierung auf den täglichen Überlebenskampf die Möglichkeit beeinträchtigt, eine harmonische, erfüllende und leidenschaftliche Beziehung zu führen - ein Ziel, das unerreichbar ist. Glauben sie zumindest.
Paare, die bereit sind, das Problem beherzt anzupacken, können lernen, dagegen anzugehen, dass chronische Schmerzen ihre Beziehung gefährden, und trotz des täglichen Ringens mit den Schmerzen die emotionale und physische Intimität und Nähe wiederherzustellen. Dieser Prozess erfordert eine differenzierte Herangehensweise und die Veränderung bestimmter Aspekte Ihrer eingeschliffenen Denk- und Verhaltensmuster, Ihres Lebensstils und Ihres Umgangs miteinander.
Wenn Sie diese Zeilen unter einer dicken Daunen- oder Wärmepackung lesen, bezweifeln Sie vielleicht, dass Sie die Energie aufbringen, so viele tiefgreifende Veränderungen anzustoßen. Ich verstehe es, wenn Sie sagen: »Wieder eine tolle Beziehung zu haben, klingt gut, aber ich bin so erschöpft, dass ich kaum die Herausforderungen in meinem Alltag bewältigen kann, ganz zu schweigen von einem ganzen Bündel neuer komplizierter Strategien.«
Soll ich Ihnen ein kleines Geheimnis verraten?
Wenn sich Paare einander bewusst zuwenden und sich weigern, chronischen Krankheiten und Schmerzen die Kontrolle über ihre Liebe und ihr Leben zu überlassen, wird die Beziehung enorm gestärkt. Das ist der erste Schritt auf der gemeinsamen Reise in eine neue Normalität. Auch wenn Sie ausgelaugt sind (sprich: mehr Ruhe brauchen als eine ganze Seniorenresidenz), steht es in Ihrer Macht, wieder eine wunderbare Beziehung aufzubauen - eine einzigartige Beziehung. Der Schlüssel ist die Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern kleine praktische Veränderungen in die Wege zu leiten, die wenig Energie erfordern, aber große Wirkung erzielen.
Sie müssen sich nicht mit einer leidenschaftslosen Beziehung begnügen, die man eher als Koexistenz bezeichnen könnte, die auf Gewohnheit beruht und auf das Überleben gerichtet ist. Sie sollten es sich wert sein, zu lieben und geliebt zu werden, und sich vor Augen halten, dass Sie trotz Ihres Gesundheitszustands und Schmerzniveaus fähig sind, eine erfüllende und leidenschaftliche Beziehung zu entwickeln.
Fünf Schritte: Der Weg zur Freude
Die Entwicklung wirksamer Strategien umfasst fünf Bereiche, die Paaren in ihrem täglichen Kampf mit chronischen Schmerzen einen Weg zur Freude bahnen. Sie stellen Meilensteine dar, die als Orientierungshilfe dienen und zu einer einzigartigen, neuen Normalität und einem neuen, zutiefst befriedigendem Leben führen.
Auf den nachfolgenden Seiten lernen Sie fünf Schritte kennen, die Sie in die Praxis umsetzen können und die Sie beim Aufbau einer dauerhaften, liebevollen Beziehung unterstützen. (Denken Sie daran: kleine Veränderungen = große Wirkung.)
Sie werden feststellen, dass ich in diesem Buch in erster Linie die Personen anspreche, die unter chronischen Schmerzen leiden. Falls Sie zum Gesundheitsteam der unmittelbar Betroffenen oder zu den unterstützenden Partnerinnen oder Partnern gehören (wie schön, dass Sie sich auf diese Weise in die Beziehung einbringen!), können Sie gleichermaßen von den Tipps profitieren. Lassen Sie sich also nicht vom Lesen abhalten.
Abgesehen von den praxisbezogenen Strategien finden Sie auch Informationen über den derzeitigen Stand der Forschung zum Thema Schmerzen, Beziehungen und psychische Gesundheit, die vielleicht dazu beitragen, dass Sie Ihre persönlichen Erfahrungen aus einer neuen Perspektive betrachten. Denken Sie jedoch daran, dass dieses Buch kein Ersatz für die Empfehlungen von Haus- und...
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