Schweitzer Fachinformationen
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Das Geschäft ging gut. Es war jeden Sommer das Gleiche. Smog und Hitze rollten herein und legten sich über die Stadtsenke. Die Menschen ergaben sich in Betäubung und Übelkeit. Neue Vorsätze verblassten, alte Verpflichtungen wurden verdrängt. Ich profitierte davon: Auf meinem Schreibtisch stapelten sich die Pfändungsaufträge, die sich auf sämtliche Marken und Modelle, von der Datsun Limousine bis zum Eldorado mit Faltdach, und auf ein Gebiet bezogen, das von Watts bis Pacoima reichte. Während ich an meinem Schreibtisch saß, ein Violinkonzert von Beethoven hörte und meine dritte Tasse Kaffee trank, überschlug ich meine Einnahmen und zog die Spesen ab. Ich seufzte und pries Cal Myers, seine Paranoia und seine Gier. Unsere Verbindung reicht bis in jene Tage zurück, als ich bei der Sitte von Hollywood arbeitete, wir beide in der Klemme steckten und ich ihm einen großen Gefallen tat. Jetzt, Jahre danach, verhilft mir seine von Schuldgefühlen getragene Mischung aus Großzügigkeit und Pflichtbewusstsein zu einer Art mittelprächtigem Wohlstand. Steuerfrei, versteht sich.
Unsere Abmachung ist simpel und zugleich ein prima Schutz gegen Inflation: Cal verlangt die niedrigsten Anzahlungen in ganz L.A.; und die höchsten Monatsraten. Mein Honorar für die Rückholaktion entspricht der Summe der monatlichen Rückstände des Eigentümers. Dafür wird Cal die zweifelhafte Befriedigung zuteil, einen offiziell zugelassenen Privatdetektiv zu haben, der für ihn die Raubzüge erledigt und gleichzeitig Stillschweigen über all seine früheren Aktivitäten wahrt. Er braucht sich nicht zu sorgen. Unter keinen Umständen würde ich ihn wegen irgendetwas verpfeifen. Dennoch sorgt er sich. Wir sprechen nie über solche Dinge, sondern halten sie weitgehend aus unserer Beziehung heraus. Als ich noch dem Suff ergeben war, meinte er, er hätte die Oberhand, aber seit ich trocken bin, unterstellt er mir mehr Verstand und Gerissenheit, als ich besitze.
Ich musterte die Zahlen auf meinem Notizblock: 11 Autos, insgesamt 1881 Dollar an Monatsraten, abzüglich 20 Prozent oder 376,20 Dollar für meinen Fahrer. Blieben 1504,80 Dollar für mich. Die Sache sah gut aus. Ich nahm die Platte vom Teller, staubte sie sorgfältig ab und schob sie zurück in die Hülle. Ich schaute auf die Graphik von Joseph Karl Stieler an der Wand meines Wohnzimmers: Beethoven, der größte Musiker aller Zeiten, komponiert mit finsterer Miene, die Feder in der Hand, die Missa solemnis, während sein Gesicht vor innerer Größe strahlt.
Ich rief Irwin an, meinen Fahrer, und sagte ihm, er solle in einer Stunde zu meiner Wohnung kommen und Kaffee mitbringen - es gebe Arbeit. Er war brummig, bis ich das Geld erwähnte. Ich legte auf und schaute aus dem Fenster. Es wurde hell. Unter mir begann sich Hollywood in diesigen Sonnenschein zu hüllen. Ich spürte ein leichtes Zittern: teils vom Koffein, teils von Beethoven, teils von der letzten Brise Nachtluft. Ich hatte das Gefühl, dass sich mein Leben ändern würde.
Irwin brauchte vierzig Minuten für die Fahrt vom Kosher Cañon zu mir. Irwin ist Jude, ich bin Deutschamerikaner der zweiten Generation, und wir kommen glänzend miteinander aus! In wesentlichen Dingen sind wir einer Meinung: Die Christenheit ist vulgär, Kapitalismus für die Ewigkeit gemacht, Rock 'n' Roll von Übel, und Deutschland und die Juden haben, so gegensätzlich sie auch sein mögen, die größten Musiker der Geschichte hervorgebracht. Er drückte auf die Hupe, ich legte das Pistolenhalfter an und ging hinaus.
Irwin gab mir eine große Tasse schwarzen Kaffee und eine Tüte Donuts, während ich mich zu ihm in den Wagen setzte. Ich dankte ihm und hielt mich ran. »Zuerst das Geschäft«, sagte ich. »Wir haben elf Kandidaten. Hauptsächlich im südlichen Zentrum von L.A. und im East Valley. Ich habe Einkommensnachweise von allen, und alle haben feste Arbeit. Ich meine, wir können jeden Tag einen schaffen. Am besten frühmorgens, wenn sie daheim sind. Das heißt, dass du dich rechtzeitig ranhalten musst. Was wir dort nicht kriegen, erledige ich auf eigene Faust. Dein Anteil macht dreihundertsechsundsiebzig Dollar und zwanzig Cents, zahlbar, sobald ich Cal sehe. Heute suchen wir Leotis McCarver an der South Mariposa 6318 auf.«
Als Irwin seinen alten Buick auf den Hollywood Freeway in Richtung Süden lenkte, ertappte ich ihn dabei, wie er mich aus dem Augenwinkel musterte, und wusste, dass er etwas Ernsthaftes sagen würde. Ich hatte recht. »Geht's dir gut, Fritz?«, fragte er. »Kannst du schlafen? Isst du ordentlich?«
Ich antwortete etwas barsch: »Das Allgemeinbefinden ist besser, der Schlaf kommt und geht, und ich fresse entweder wie ein Pferd oder überhaupt nicht.«
»Wie lange ist das jetzt her? Acht, neun Monate?«
»Genau neun Monate und sechs Tage, und ich fühle mich blendend. Jetzt lass uns das Thema wechseln.« Ich fiel Irwin nicht gerne ins Wort, aber ich fühle mich wohler mit Leuten, die es weniger aufrichtig meinen.
In der Gegend von Vermont und Manchester verließen wir den Freeway und steuerten gen Westen zur Mariposa. Ich checkte die Pfändungsorder: ein 1978er Chrysler Cordoba Turbo. 185 Dollar im Monat. Kennzeichen CTL 412. Irwin bog nach Norden auf die Mariposa ab, und nach ein paar Minuten waren wir vor Block 6300. Ich schnappte mir die Generalschlüssel und löste den Typ Chrysler, Baujahr '78, vom Bund. Nummer 6318 war ein zweistöckiger, aus rosa Stuck und etlichen Einzelapartments bestehender Schuppen mit Seiteneingängen und einem hässlichen, stilisierten Flamingo aus schwarzem Metall auf der der Straße zugewandten Mauer, wie es zwanzig Jahre früher ultramodern gewesen war. Die Garage war unterirdisch und erstreckte sich über die ganze Länge bis zur Gebäuderückseite.
Irwin parkte davor. Ich reichte ihm das Original der Pfändungsorder und schob die Kopie in meine Gesäßtasche. »Du kennst ja den Dreh, Irwin. Bleib beim Auto, pfeif einmal, falls jemand die Garage betritt, zweimal, falls die Bullen aufkreuzen. Halte dich bereit, falls du erklären musst, was ich mache. Beruf dich auf die Pfändungsorder.«
Irwin kennt den Vorgang ebenso gut wie ich, doch selbst nach fünf legalisierten Diebstählen macht mich die Geschichte immer noch nervös, und aus reinem Aberglauben wiederhole ich die Instruktionen. Seltsame Sachen können passieren, sind schon passiert, und die Polizei von L.A. ist notorisch schießwütig. Da ich selber einer von ihnen war, weiß ich das.
Ich stahl mich in die Garage hinab. Ich hatte erwartet, dass es dunkel sein würde, aber die Morgensonne, die sich in den Fenstern der benachbarten Apartments spiegelte, spendete reichlich Licht. Sobald ich Nummer CTL 412, den drittletzten Wagen in der Reihe, erspähte, musste ich lachen. Cal Myers würde der Schlag treffen. Leotis McCarver war zweifellos schwarz, aber seinen Wagen hatte er aufgemotzt wie ein mexikanischer Taco: aufgeschnitten, vollgestopft, zusammengedrückt und Sirup drüber. Zitronengrüne Lackierung überzog die Motorhaube, dazwischen loderten orange und gelbe Flammen nach hinten über die halbe Seite des Gefährts. Über den hinteren Kotflügeln verkündete schwarze Emailleschrift, dass dies der »Drachenwagen« sei. Ich zog den Generalschlüssel heraus und öffnete das Ding. Das Innere war nicht weniger esoterisch: flauschige schwarz-weiße Polster im Zebralook, am Rückspiegel baumelte ein rosa Plüschwürfel, und das Gaspedal war mit orangem Pelz in der Form eines nackten Fußes bezogen. Das Umrüsten musste den guten Leotis ein Vermögen gekostet haben.
Ich lachte immer noch, als ich links von mir, nahe der Rückwand der Garage, Schritte scharren hörte. Ich drehte mich um und sah einen Schwarzen auf mich zukommen, der fast so groß wie ich war. Ich hatte nicht mehr die Zeit, dem Zusammenstoß auszuweichen. Als er etwa drei Meter von mir weg war, schrie er: »Dreckskerl«, und griff mich an. Im Nu war ich im Durchgang, und bevor er mich erwischte, brachte ich ihn mit einem Tritt ans Knie ins Straucheln. Während er krampfhaft auf die Beine zu kommen versuchte, trat ich ihm einmal ins Gesicht, einmal gegen den Hals und einmal in die Leiste. Er grunzte und spuckte Zähne aus.
Ich zog ihn zwischen zwei Autos nahe der Rückwand der Garage und tastete ihn nach Waffen ab. Nichts. Ich ließ ihn liegen, stieg in seine Prunkkarosse und stieß hinaus auf die Mariposa.
Irwin stand noch immer bei seinem Wagen, als ob nichts passiert wäre. »Er wollte mich fertigmachen, und ich hab ihn eingeseift. Hau jetzt ab von hier. Bis morgen dann, selbe Zeit, meine Wohnung.« Irwin wurde blass. Es war das erste Mal, dass etwas Derartiges passiert war. »Hast du nichts gehört?«, fauchte ich. Ich drückte aufs Gas, dass sich der Gummi von den Reifen schälte.
Ich schaute in den pelzverbrämten Rückspiegel. Irwin stieg gerade in seinen Wagen. Er sah aus, als ob er zitterte. Ich hoffte, er würde mich nicht sitzen lassen.
Ich bog nach links in die Slauson und eine halbe Meile später nach rechts in die Western. Ich war runde fünf Minuten gefahren, als ich merkte, dass ich zitterte. Es...
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