Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Scott Mason fuhr sich mit der Hand durchs Haar und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er musste die Plakate für die Ausstellung freigeben, seine Rede für die Eröffnungsgala verfassen und im Archiv recherchieren. Er musste an so ziemlich alles außer diese Barista denken, die aussah, als wäre sie aus seinem Tagtraum direkt in die Realität spaziert. Wie hatte er so dumm sein können, das Café ohne ihre Nummer wieder zu verlassen? Verdammt, er hätte anbieten sollen, auf die Knie zu gehen und den verschütteten Kaffee aufzuwischen, um weiter mit ihr reden zu können. Er wusste noch nicht einmal ihren Namen.
Scott saß in seinem Büro im British Museum und starrte auf das Display seines Laptops. Der Raum war bis zum Anschlag voll mit Büchern - von denen einige noch von dem Kurator stammten, der vor ihm hier gearbeitet hatte -, und die turmhohen Stapel stürzten bevorzugt dann auf ihn herab, wenn er es am wenigsten erwartete. In der Ecke befand sich eine Heizung, die gelegentlich ein metallisches Ächzen von sich gab, jedoch nie richtig warm zu werden schien, und eine Taubenfamilie hatte direkt vor seinem Fenster ihr Quartier aufgeschlagen. Sein Schreibtischstuhl knarrte, wann immer er sich setzte, und der Schreibtisch selbst war übersät mit den Tintenflecken eines ganzen Jahrhunderts. Doch durch die Postkarten und Drucke von seinen Reisen und anderen Ausstellungen, die er aufgehängt hatte, fühlte er sich hier schon fast zu Hause.
Jedes Mal, wenn Scott einen Schluck des herrlich süßen Earl Grey aus dem Café getrunken hatte, waren seine Gedanken zurück zur Barista gewandert. Sie hatte ihn an eine griechische Göttin erinnert, mit all den üppigen Kurven und den weichen, offenen Gesichtszügen; die mit Violett durchzogenen dunkelroten Locken und Augen so tiefbraun, dass sie beinahe schwarz erschienen. Und diese Lippen . »einladend« beschrieb es noch nicht einmal annähernd.
Seit er zurück nach London gezogen war, hatte er sich zu einigen Dates verabredet, in der Regel über die bekannten Apps. Es war auch nichts verkehrt an den Frauen, mit denen er sich getroffen hatte. Sie alle waren attraktiv, intelligent und witzig gewesen, doch irgendwie funkte es nicht zwischen ihnen. Es war nicht so, dass er noch an Alice hing, vielmehr hatte er nach einer so langen Beziehung schlicht keine Geduld mehr für die ewigen sich ständig wiederholenden Erstes-Date-Fragen. Was arbeitest du? Was unternimmst du gern am Wochenende? So viele Dating-Apps, und keine davon konnte einem irgendetwas darüber sagen, ob die Chemie im echten Leben stimmte.
Scott hatte sich nicht aus diesem Tief befreien können. Bis jetzt. Bis diese Barista etwas in ihm entzündet hatte, das an den ersten Sonnenstrahl erinnerte, der nach einem Sturm durch die Wolkendecke brach. Sie brachte ihn sogar dazu, in kitschigen Smileys zu denken. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fühlte sein Körper - fühlten seine Sinne - sich lebendig an. Und er begehrte wieder.
Es war Scotts erstes Jahr als Kurator der Dauerausstellungen, und er wurde das Gefühl nicht los, dass bis auf Dr. MacDougall, die ihren Kopf hingehalten hatte, um ihn einzustellen, die meisten der anderen Kuratoren auf ihn herabblickten. Natürlich nicht alle. Es waren nur leider zufällig die mit dem größten Einfluss.
Er bemühte sich wirklich, sich an diesem Nachmittag nicht ablenken zu lassen. Dr. Jenkins und Dr. Garcia, zwei deutlich ältere und erfahrenere Kuratorinnen, waren alles andere als begeistert gewesen, als er sie in seine Pläne für die Sommer- und Herbstausstellungen eingeweiht hatte und sichtlich zusammengezuckt, als Scott es gewagt hatte, die Worte »interaktive Ausstellung« in den Mund zu nehmen. Ihrer Meinung nach war ein Museum kein Ort, an dem Kinder etwas über das Einbalsamieren von Mumien lernen oder jemand ohne Doktortitel Zugang zum Lesesaal bekommen sollte.
Er erinnerte sich, wie schockiert einige von ihnen gewesen waren, als er ihnen erklärt hatte, dass ihre Idee für eine Ausstellung rund um das Abwassersystem Mesopotamiens vermutlich keine Menschenmassen anlocken würde.
Und wieder wanderten seine Gedanken zurück zu dem Lächeln der Barista und wie sie errötet war und die Hand an ihren Hals gehoben hatte, als ihm ihr Hamsa-Amulett aufgefallen war. Vielleicht sollte er noch mal hingehen und ihr anbieten, den Talisman zu ersetzen, den er zerbrochen hatte. Oder wäre das zu viel? Er wollte nicht aufdringlich sein.
Obwohl ihr Gespräch nur kurz gewesen war, hatte er es genossen, mit jemandem über seine Leidenschaft für historische Objekte zu sprechen, vor allem wenn es um Glücks-Talismane ging. Eric - Scotts bester Freund - hörte ihm zwar immer bereitwillig zu, teilte seine Begeisterung aber nicht. Alice hatte nie gerne mit Scott über seine Arbeit geredet, und wenn, dann nur, um ihn abfällig darauf hinzuweisen, dass er in einer anderen Branche deutlich mehr verdienen könnte. Wie oft hatte er erklärt, dass Kurator kein Beruf war, mit dem man reich werden konnte?
Als er in den ersten Tagen im neuen Büro seine Kisten ausgepackt hatte, war ihm ein Foto von Alice und ihm auf ihrem ersten Trip zu den Nordlichtern in Norwegen in die Hände gefallen. Auf dem Bild sahen sie glücklich aus, doch wenn er ihr Gesicht betrachtete, verspürte er nicht mehr diesen dumpfen Schmerz in seiner Brust.
Da war immer noch Wut, die ihn sicher noch eine Weile begleiten würde, doch sie war jetzt deutlich schwächer. Seine Gefühle für Alice waren während der Zeit im Ausland abgeklungen. Es half, dass sie mit diesem Typen, dessen Namen er vergessen hatte, in die USA gezogen war. So musste er sich wenigstens keine Sorgen machen, dass sie sich irgendwo in einem ihrer Lieblingsläden über den Weg liefen.
Ohne einen weiteren Gedanken darauf zu verschwenden, hatte er das Foto zerknüllt und in den Abfall geworfen. Auf Nimmerwiedersehen.
Scott schaute auf die Uhr, und ihm wurde bewusst, dass er länger als gedacht seinen Tagträumen nachgehangen hatte. Es war bereits Zeit, sich mit Eric zu treffen. Er warf den Laptop und ein paar Müsliriegel in seinen Rucksack - Eric neigte zu schlechter Laune, wenn er nicht genug gegessen hatte -, dazu ein Buch über die Mythologie und Tradition im prä-islamischen Nordafrika. Etwas leichte Lektüre für die Fahrt.
Er schloss gerade das Büro mit einem großen eisernen Schlüssel ab, der aussah, als gehörte er zu einem mittelalterlichen Kloster, als sein Handy piepte und eine Nachricht von Eric anzeigte: Wir sehen uns am Bootshaus. Mach dich schon mal darauf gefasst, dass ich dir mächtig in den Arsch treten werde.
Wir rudern heute im Zweier, du Idiot, antwortete Scott.
Er eilte durch das Atrium und sah aus dem Augenwinkel, dass ein paar Frauen gar nicht mal so unauffällig versuchten, ein Foto von ihm zu schießen. Möglicherweise erkannten sie ihn von der Septemberseite des »Kuratoren gegen Krebs«-Aktkalenders wieder, für den er sich im letzten Jahr hatte ablichten lassen. Zum Glück war der relativ schnell ausverkauft gewesen, sodass er nicht mehr mit schamroten Wangen am Souvenirladen vorbeilaufen musste.
Er fühlte sich etwas unbehaglich damit, doch er versuchte, es nicht an sich heranzulassen. Scott hatte Aufmerksamkeit schon immer gemieden, schon seit er ein Kind war. Natürlich hatte es damals andere Ursachen gehabt. In der Schule wurde er ständig mit »Wo kommst du ursprünglich her?«-Fragen von Lehrern und anderen Schülern konfrontiert. Es war dieses »ursprünglich«, das ihn ärgerte. Einerseits wegen des wenig subtilen Otherings, aber auch, weil er es schlicht nicht wusste.
Scott war mit zehn Jahren adoptiert worden. Davor hatte man ihn von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht, mit zwischenzeitlichen Aufenthalten im Heim. Seine Erinnerungen aus der Zeit, bevor seine wundervollen Mütter ihn aufgenommen hatten, waren ein wenig verschwommen. Nein, das war eine Lüge. Er erinnerte sich an alles, aber Vergessen war manchmal einfach leichter.
Einmal hatte Scott überlegt, einen dieser Tests zu machen, für die man eine Speichelprobe einschicken musste, doch Eric, der für ein großes IT-Unternehmen arbeitete, hatte den Kopf geschüttelt und ihn vor einem möglichen Missbrauch seiner Daten gewarnt, also hatte er es sein lassen.
Scott winkte bei seinem Weg um den östlichen Teil des Great Courts den Ticketverkäufern zu, während das Sonnenlicht des späten Nachmittags durch die Glasdecke schien und das Atrium in ein buttriges Leuchten tauchte.
»Ah, Dr. Mason, ich hatte gehofft, Ihnen über den Weg zu laufen.« Das war Dr. MacDougall, die Chefkuratorin des Museums. Eine kleine, stämmige Schwarze Frau mit kurzem grau meliertem Haar. Sie trug fast immer ein lässig modisches Kostüm, zusammen mit einer wuchtigen Halskette.
»Dr. MacDougall«, sagte Scott lächelnd.
»Sie sehen aus, als hätten Sie es eilig.«
»Ah, ja, tut mir leid. Ich bin auf dem Weg zum Bootshaus.«
»Nun, dann will ich Sie nicht aufhalten, aber ich habe gute Neuigkeiten. Ihr Vorschlag einer globalen Tour der Schutzsymbole-Ausstellung? Der Vorstand liebt ihn.«
Blut pochte in Scotts Ohren. Am liebsten hätte er Freudensprünge gemacht, aber er wollte auch wegrennen und sich in einem Schrank verkriechen. Das war eine große Sache - eine Sache, die sich auf seine Karriere auswirken würde.
»Ernsthaft?«
»So ernsthaft wie die Pest.« Sie lachte und tätschelte ihm den Arm. »Aber wir können in ein paar Wochen feiern, beim...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.