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Als Einwanderer glaubte Omar El Akkad, dass der Westen ein Ort der Freiheit und Gerechtigkeit für alle sei. Doch in den Jahren, in denen er über den Klimawandel, die Black-Lives-Matter-Proteste, die verschiedenen Kriege gegen den Terror und vieles mehr berichtet und zuletzt den Genozid in Gaza beobachtet, wird ihm zunehmend klar, dass vieles von dem, was der Westen verspricht, eine Lüge ist. Eines Tages werden alle immer schon dagegen gewesen sein ist eine Chronik dieser schmerzhaften Erkenntnis, eine moralische Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet - als Bürger der USA, als Vater -, in diesen verheerenden Zeiten einen Sinn für Möglichkeiten zu finden.
Eines Tages werden alle immer schon dagegen gewesen sein ist der bittere, rohe und verletzliche Aufschrei von jemandem, der sich immer auf der Seite der Gerechten wähnte und nicht aufhört, das Gute zu suchen. Es ist El Akkads von Herzen kommender Abschiedsbrief an den Westen, eine brillante Formulierung der Desillusionierung, die wir überall auf der Welt beobachten, in Familienzimmern, auf Universitätsgeländen, auf den Straßen der Städte. Dieses Buch ist für alle, die etwas Besseres wollen als das, was der Westen aufgetischt hat. Dies ist das Buch für unsere Zeit.
Ein Achtzehnmonatiges mit einer Schusswunde an der Stirn. Vielleicht hat der Scharfschütze woanders hingezielt. Vielleicht gibt es eine Erklärung. Vielleicht war es notwendig.
Portland, 2024:
Bald Frühling. Meine Tochter hat eine Stadt gebaut. Deren Hauptstraße verläuft entlang unseres Flurs, von der Eingangstür zum Esszimmer. Sie entrollt ein langes Papier und zeichnet Fahrbahntrennungslinien und Gehsteige, Bäume und Büsche. Entlang der Wand, neben den kleinen Markierungen, mit denen wir ihre Größe dokumentieren, seit sie stehen kann, hat sie kleine Schaufenster ausgeschnitten und angebracht, aus rosa und orangefarbenem Bastelpapier: Supermärkte und Cafés, eine Tierhandlung. Am Ende der Straße sitzen mindestens ein Dutzend Stofftiere feierlich innerhalb des begrenzten Raums einer Art Planstadt, so weit ich mir das vorstellen kann. Meine Tochter ordnet sie genau so an, gibt jedem seinen Platz, ist dabei, ihnen einen Park zu bauen. Sie ist bald sieben, hundert in Drachenjahren. Sie ist aus Träumen gemacht.
Wir leben in den Wäldern Oregons. Wein- und Haselnussland, irgendwo in diesem eigenartigen Zwischenraum hinter dem Ende vom progressiven Portland, aber bevor das Trump-Territorium beginnt.
Ein Jahr bevor meine Tochter geboren wurde, hatten wir versucht, ein Haus in der Stadt zu finden, konnten uns nichts leisten und suchten schließlich immer weiter draußen. Wir verbrachten Wochen damit, all diese kleinen Außenposten an der Ost- und Nordseite des Willamette-Tals sowie dem Columbia River entlang des südlichsten Teils Washingtons zu durchforsten. Nach Ausschluss zweier anderer Nachbarschaften, weil in nahe gelegenen Gärten Konföderiertenflaggen wehten, landeten wir hier, neben einem Veteranen des Zweiten Weltkriegs und einem Typen, der für einen kurzen Zeitraum von etwa zwei Monaten dachte, dass ein Haus an einer Landstraße mitten im Nirgendwo, mit fast nächtlichen Ständchen eines Kojotenchors, ein gutes Airbnb-Objekt sei. Nach ein paar Monaten hat er wieder verkauft.
Dies ist das sechzehnte oder siebzehnte Zuhause, in dem ich lebe, ich bin mir nicht ganz sicher. Aber es ist das erste meiner Kinder. Ihr Leben dreht sich in einem sicheren Orbit um dieses Haus, diese Stadt, dieses Land - um die 11000 Kilometer entfernt von den Orten, an denen die Kindheit ihres Vaters begann auseinanderzufallen.
Hin und wieder zeige ich Ihnen Bilder, schlage mein inzwischen arthritisches Highschool-Jahrbuch auf und sage: Ja, das bin ich mit den albernen Locken, mit der dichten Mähne. Ich zeige ihnen Bilder ihres Großvaters, der starb, bevor eines von ihnen geboren wurde. Auf einem Foto parkt er am Rand einer Wüstenstraße neben dem Auto seines Freundes. Beide fahren diese schlanken Mercedes-Limousinen der frühen Neunziger. Ich versuche, ein paar Kindern, die keine Ahnung haben, von was zum Teufel ich rede, zu erklären, dass diese Autos damals das Statussymbol waren, der Beweis, dass meine Familie in den Rang der oberen Mittelklasse eingetreten war. Ich sehe, wie ihr Blick abschweift, und auf einmal wird mir die Absurdität bewusst - wie konnte irgendetwas davon jemals wichtig erscheinen? Ich war ungefähr so alt wie meine Tochter jetzt ist, als mein Vater diesen Mercedes kaufte. Ich erinnere mich an mein Jauchzen. Ich führte einen kleinen Tanz auf.
Es gibt eine unüberbrückbare Distanz. Ich weiß es, und ich denke, meine Kinder können es schon spüren. Ich sage meiner Tochter, dass ich sie eines Tages an den Ort, an dem ich geboren wurde, mitnehme, damit sie die Pyramiden selbst sehen und herausfinden kann, was es mit der Nase der Sphinx wirklich auf sich hat. Ich erzähle ihr von den Stränden an der Nordküste, wo die Korallen neonfarben leuchten, und dass man da hinschwimmen und die Fischchen streicheln kann. Ich warne sie, dass es anders sein wird als alles, was sie bisher erlebt hat. Weißt du, wie die Leute hier bei Rot halten, frage ich. Nun, wenn wir dort sind, darfst du dich nicht wundern, wenn . ich halte inne, überlege, wie man ein Kind auf etwas vorbereiten kann, das im Vergleich zu allem, was es bisher im Leben gesehen hat, als totales Chaos rüberkommen würde.
Die Leute dort haben aus tutenden Hupen eine Sprache gemacht, sage ich, und sie lacht, und tief in mir weiß ich, dass ich sie vielleicht nie mit dorthin nehme.
Ich habe gelernt, ihn mir selbst gegenüber zu rechtfertigen, diesen Bruch. Das Ganze wird sie überfordern, verwirren, zumal es schon so lange her ist, dass ich das Land der Meinen verlassen habe, sodass es wirklich keinen Zweck hat, keinen Bezug mehr.
Aber etwas an diesen Ausreden ist trügerisch, genau wie damals, als meine Frau und ich erfuhren, dass wir ein Mädchen bekommen werden, und ich wochenlang über Namen nachdachte, die im Westen und im Nahen Osten funktionieren und ihr ermöglichen würden, unbeschwert viele Welten zu durchqueren.
In Wahrheit wende ich mich von der fernen Seite der Herkunft meiner Tochter ihretwegen ab, denn seit mehr als vierzig Jahren weiß ich, was es heißt, diese Last zu tragen. Ich habe gesehen, wie Cousins aufgrund ihres arabischen Akzents am JFK zu einer Zweitinspektion abgeführt wurden; ich habe gehört, wie mein eigener Name auf jede erdenkliche Weise entstellt wurde, der Buchstabe @@@poza@@@ wird zu Sirup in der Kehle, wenn man aufgewachsen ist, ohne ihn zu hören und auszusprechen.
Ich habe sehr wohlmeinenden Menschen erklärt, höflich, dass ich kein Problem damit habe, Frauen die Hand zu schütteln - vielleicht haben andere Muslime ein Problem damit, ich kann es euch nicht sagen; wir kennen uns nicht alle.
Ich habe einmal ein äußerst unangenehmes Interview auf einer Buchtournee bis zum Ende durchgesessen, nachdem ich gescherzt hatte, dass ich alle meine Romane auf Arabisch schreibe und sie dann durch den Google-Übersetzer jage, und der Journalist mir das geglaubt hat. Bei unzähligen Gelegenheiten musste ich für jede:n Muslim:in, jede:n Araber:in, jede PoC auf der Welt einstehen und in ihrem Namen sprechen, von Menschen, die keine Monster, nicht einmal annähernd böse sind, sondern einfach keinen anderen Bezugspunkt haben, den sie zu Rate ziehen können. Ich habe gelächelt, ich habe genickt. Ich war höflich dabei.
Im Großen und Ganzen ist das alles nicht sehr wichtig. Ich habe gelernt, damit umzugehen - aber warum sollte sie das auch tun? In Wahrheit halte ich zwischen dem, was meine Tochter ist, und woher sie kommt Abstand, weil es einfacher für sie sein wird so.
Genauer gesagt, weil ich ein Feigling bin.
Mitten im Zeichnen der Schaukeln im Park des imaginären Vororts ihrer Stofftiere hält meine Tochter inne.
Sie steht auf und kommt zu mir ins Wohnzimmer, wo ich sitze und durch Fotos und Videos von einer weiteren in Gaza begangenen Grausamkeit scrolle. Sie möchte, dass ich die Schreibweise von »Willkommen« prüfe.
Rasch schließe ich meinen Computer. In mehreren Browsertabs sind Aufnahmen eines Mädchens, nicht viel älter als meine Tochter, die nach einem israelischen Luftangriff aus den Trümmern gezogen wurde. In einem anderen ist die Aufzeichnung eines um Hilfe flehenden Mädchens kurz vor ihrer Hinrichtung durch einen israelischen Scharfschützen. Mehr als zwanzig Tabs sind offen, ein blutiger Karneval der schlimmsten Kriegsverbrechen, die jemals live gestreamt wurden. Ich sage meiner Tochter, dass sie das Wort richtig geschrieben hat. Sie kehrt zu ihrem Park zurück, leicht wie Luft.
Ich besitze Folgendes, meine erste Erinnerung an Krieg:
Herbst, 1990; dritte Klasse. Die Amerikanische Internationale Schule in Doha, Katar, wurde vom amerikanischen Botschafter gegründet. Ich vermute, dass er seinen Posten als Belohnung für eine ausreichend hohe Wahlkampfspende erhalten hat. Die AIS wurde unter anderem für seine Tochter G. gebaut, mein allererster Schwarm.
In jenem Herbst, als ich mich von zufälligen Krümeln Erwachsenengespräche nährte - Dinge, die unvorsichtig in Hörweite gesagt wurden, die Abendnachrichten im Raum nebenan -, erfuhr ich, dass ein Krieg bevorstand. Nicht hier, aber in der Nähe. Ich erinnere mich, wie ich meinem Vater zusah, wie er große X aus Gewebeklebeband auf unsere Balkonfenster klebte, angeblich, um zu verhindern, dass sie im Fall einer Explosion borsten.
Er machte Witze darüber, und jetzt verstehe ich, dass er so seinen Sohn beruhigen und eine Sache als belanglos darstellen wollte, die das, wäre sie eingetreten, nicht gewesen wäre. Doch wir wussten, dass wir uns nicht mitten im Krieg befanden, dass uns die Luft nicht aus den Lungen gepresst werden würde.
Schnell wandelte sich der Konflikt, der später als Golfkrieg und dann als Erster Golfkrieg bezeichnet wurde, von einer Sache, über die niemand sprach, zu einer Alltäglichkeit, nicht anders als Luftfeuchtigkeit oder Abenddämmerung. Die unzähligen Bilder auf CNN, die zunächst einen solchen Schock verursachten - diese schattenhaften Stadtlandschaften Bagdads, hier und da in Kugeln aus blassem weißem Licht explodierend - lösten keine Reaktion aus. Es war einfach das, was bestimmten Orten, bestimmten Menschen widerfuhr: Sie wurden zu Kugeln aus blassem weißem Licht. Was zählte war, dass es nicht wir waren.
Während des ersten Golfkriegs kamen die Amerikaner. Natürlich gab es auch schon davor viele Amerikaner und Expats aus aller Welt. (In der Migrationshierarchie ist der Begriff »Expat« weitgehend für Weiße aus dem Westen reserviert, die ihre Heimat verlassen und in ein anderes Land ziehen, meist, weil es dort mehr Geld gibt. Wenn andere dies tun, gelten...
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