Schweitzer Fachinformationen
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Nicht alles im Leben geht so glatt, wie man sich das so vorstellt. Ich starrte auf den Kerl, der im Treppenhaus vor meiner Wohnungstür auf mich gewartet hatte. Tobias war alt geworden, seit wir uns zuletzt gesehen hatten. Und fett. Zu wenig Bewegung. »Komm rein!«, sagte ich mechanisch. Ich wusste, das war ein Fehler. Aber was hätte ich sonst sagen sollen?
Tobias fiel mir um den Hals. »Du bist ein wahrer Freund! Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lässt.«
»Schon gut.« Ich war peinlich berührt, denn Freunde waren wir eigentlich nie gewesen. Weder auf der Schule noch später bei der Ausbildung. Tobias hatte sich gar nicht erst bei irgendwelchen Firmen beworben, sondern sich gleich als Einbrecher versucht, und dabei hatten sie ihn dann erwischt. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wenn nicht bei seinem letzten Einbruch der Architekt, dem der Bungalow gehörte, zu Hause gewesen wäre. Bei der anschließenden Prügelei hatte Tobias den Kürzeren gezogen. Aber anstatt sich einfach festnehmen zu lassen, hatte er zur Pistole gegriffen und geschossen.
»Setz dich! Ich muss mal eben telefonieren«, sagte ich. »Falls du was zu trinken suchst - steht alles im Kühlschrank.«
Ich musste unbedingt Birte warnen. Ich ging ins Schlafzimmer, wo Tobias mich nicht hören konnte. Ich wählte Birtes Nummer, vertippte mich, wählte noch einmal. Ich ließ es endlos lange klingeln, aber Birte ging nicht ran.
Als ich zurückkam, schenkte sich Tobias gerade einen Gin ein. Nach dem Füllstand der Flasche zu urteilen, musste es schon der fünfte oder sechste sein.
»Kommst du direkt aus dem Knast?«, fragte ich. Ich war in Sorge. Ich hatte es zwölfmal läuten lassen; Birte war nicht rangegangen. »Heute entlassen?« Ich bemühte mich, locker zu bleiben. Er konnte nicht entlassen worden sein; selbst bei bester Führung nicht - den toten Architekten würden sie ihm so schnell nicht verziehen haben.
Tobias schüttelte den Kopf. »Quatsch! Ich bin natürlich abgehauen. Die können mich nicht festhalten, wenn ich wirklich wegwill .«
»Natürlich.«
»Die hätten mich auch nie gekriegt damals. - Lag nur am Auto.«
»Was denn für ein Auto?«
»Das Fluchtauto natürlich. Damit bin ich in die Verkehrskontrolle geraten. Kurz vor den Elbbrücken. Ich hatte Birte das Geld übergeben, und dann wollte ich nur noch rasch den Wagen loswerden - ja, und da haben sie mich gekrallt.«
»Mit dem geklauten Wagen.«
»Ja. Und mit der Pistole.« Er erzählte mir die ganze Geschichte. Langatmig und verworren. Er war inzwischen stark angetrunken. »Ich muss ins Ausland«, nuschelte er.
Ich nickte. Und dann, als ich schon fast glaubte, ihn mit einer Fahrkarte nach Kopenhagen schnell und billig wieder loszuwerden, fragte er unvermittelt: »Sag mal, die Birte, - du weißt nicht zufällig, wo die Birte steckt?«
»Keine Ahnung.« Eigentlich trank ich tagsüber keinen Gin, aber auf den Schreck wollte ich mir jetzt doch einen einschenken. Zu spät. Die Flasche war leer.
»Keine - keine Ahnung?«, lallte er. »Aber früher . früher da hattet ihr doch immer Kontakt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Schon lange nicht mehr.« Ich stand auf.
»Wo . wo läufst du denn immer hin?«
»Entschuldige, ich muss noch mal telefonieren.« Als ich gleich darauf ins Wohnzimmer zurückkam, war Tobias auf dem Sofa eingeschlafen.
Wir trafen uns im Harburger Stadtpark. Da, wo früher der Kinderspielplatz war, wo die Jungs immer in das hölzerne Rettungsboot gepinkelt haben. Als ich ankam, saß Birte schon auf der Bank und rauchte.
»Ich denke, du rauchst nicht mehr?«
Birte sah mich an. »Lass die Scherze«, sagte sie. »Ich hab Schiss, Jürgen.« Ihre Stimme zitterte.
»Wird schon gut gehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast ja keine Ahnung. Der Tobias - der ist brutal, der geht über Leichen.«
»Wir sind doch Schulfreunde«, sagte ich, um sie zu beruhigen.
»Schöner Freund. - Die Narbe auf meinem Bauch - du kennst doch die Narbe auf meinem Bauch?«
»Klar.« Wer Birtes Bauch kannte, musste auch die Narbe kennen. Eine etwas verunglückte Blinddarmoperation, hatte ich immer gedacht.
»Das war Tobias mit dem Küchenmesser. Einfach ausgerastet ist er. Und praktisch wegen nichts. Natürlich hat es ihm hinterher leidgetan, aber da lag ich schon im Mariahilf in der Notaufnahme. Wenn der das hier erfährt .«
»Das erfährt er nicht«, sagte ich. »Warum tauchst du nicht einfach für ein paar Wochen irgendwo unter?«
Birte lachte. »Wo denn zum Beispiel? Bei Barbara vielleicht? Oder bei Jenny?«
Ich schüttelte den Kopf. Das ging nicht, die redeten zu viel. Außerdem lag die Freundschaft der Mädchen auf Eis, seit Birte nicht mehr als Arzthelferin arbeitete und keine gefälschten Rezepte mehr ausstellen konnte. Nein, wir brauchten eine radikalere Lösung. »Tobias muss verschwinden. So schnell wie möglich. Und wenn ich ihn erschlagen muss!«
Birte sah mich an. »Das würdest du tun?«
»Klar, wenn es sein muss.« Hoffentlich nicht! Ich hatte das nicht ernst gemeint, aber Birte schien mich beim Wort nehmen zu wollen. »Wahrscheinlich erwischen die Bullen ihn sowieso bald.«
»Ja, vielleicht. - Aber nimm dich in Acht, Jürgen! Er hat eine Pistole!«
»Er sagt, die haben ihm die Bullen abgenommen.«
Sie sah mich an. »Manchmal lügt er auch, Jürgen! - Und er ist zu allem fähig.«
Eine kleine Kostprobe davon, wozu Tobias fähig war, sollte ich noch am selben Abend bekommen. Als ich zurückkam, war er weg. Doch während ich noch überlegte, wo mein Besucher wohl hin sein könnte, stürzte er auch schon zur Tür herein, völlig außer Atem. »Die beiden Fünfziger - also die waren falsch!«
Den Blick auf meinen Schreibtisch hätte ich mir sparen können. Natürlich hatte Tobias die Scheine genommen, die da herumgelegen hatten. Meine Scheine. Probedrucke, auf Normalpapier.
»Hat dich jemand erkannt?«, fragte ich.
Der Dicke schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht! - Wo hast du die Dinger denn her?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich von Aldi. Oder Penny, das kann auch sein. - Und die sollen falsch gewesen sein?«
Ich weiß nicht, ob er mir meine Ahnungslosigkeit abgekauft hat. Jedenfalls hat er nicht weiter nachgefragt.
»Wo sie wohl steckt, die Alte?« Tobias tigerte im Wohnzimmer auf und ab. »Ihre Wohnung ist aufgelöst. Keiner weiß, wo sie hin ist.«
»Lass doch die alten Geschichten.« Er machte mich ganz nervös. Konnte er denn nicht akzeptieren, dass sie weg war? »Du kannst doch nicht glauben, dass die Birte jahrelang dasitzt und auf dich wartet! Schließlich ist sie ja nicht deine Frau.«
»Na und? Jedenfalls muss ich sie finden. Wo sie doch das ganze Geld für mich verwahrt hat.«
»Für dich verwahrt? So blöd kannst du doch wohl nicht sein, Tobias.«
»Was soll das heißen?« Er starrte mich drohend an.
Ich musste aufpassen, was ich sagte. »Das macht man nicht in der Wirtschaft. Geld muss arbeiten!«
Das ließ er nicht gelten. »Bei mir nicht. Bei mir braucht keiner zu arbeiten. Ich nicht und die Birte nicht und mein Geld auch nicht. - Aber jetzt brauche ich das Geld. Ich brauche jede Menge Geld!«
»Ich kann dir nicht helfen«, sagte ich. Das fehlte noch, dass dieser Schwachkopf mit unseren schönen Blüten loszog.
Tobias packte mich am Kragen. »Doch, du kannst mir helfen. Wir drehen nämlich ein Ding zusammen.«
Ich schüttelte den Kopf.
Er packte fester zu. »Nur wir beide. Todsichere Sache. Ich habe da einen Tipp gekriegt .«
»Lass los! Wenn du mich erwürgst, kann ich nicht mehr mitmachen«, keuchte ich.
»Nix für ungut. War nur Spaß. Wir sind doch schließlich Freunde!«
Und so geriet ich unversehens immer tiefer in die Tinte. Sollte ich mich etwa mit diesem Kerl anlegen? Selbst wenn er vielleicht keine Pistole hatte - er hätte mich ohne Mühe erwürgen können. Jetzt waren wir unterwegs zu unserem...
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