Schweitzer Fachinformationen
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Nur wer es wagt, groß zu scheitern, kann jemals Großes erreichen.
- Robert F. Kennedy
Am 6. April 1951 operierte der 41-jährige Herzchirurg Dr. Clarence Dennis die fünfjährige Patty Anderson in einem hochmodernen Operationssaal.1 Es lief nicht gut. Dennis wollte das Kind, bei dem ein seltener angeborener Herzfehler diagnostiziert worden war, unbedingt retten. Auf der Aussichtsplattform beobachteten mehrere seiner Kollegen vom Universitätskrankenhaus in Minnesota, wie Dennis seine neue Herz-Lungen-Maschine an das kleine Mädchen anschloss. Die Maschine, die während der Operation als Lunge und Herz der kleinen Patientin fungieren sollte, war bisher nur an Hunden im Labor getestet worden. Die äußerst komplizierte Maschine erforderte während des Eingriffs die Hilfe von 16 Personen. Ihre rotierenden Scheiben dienten als Lungen, eine Pumpe übernahm die Herzfunktionen, und ihre vielen Schläuche ersetzten Gefäße, die das Blut durch den Körper transportierten.
Dennis gehörte in den 1950er-Jahren zu den Pionieren unter den Chirurgen, die einen Weg finden wollten, das Herz eines Menschen erfolgreich zu operieren. Eine der scheinbar unüberwindbaren Hürden war damals die Eindämmung 34des Blutes, das nach einem Schnitt in das Herz eines Patienten mit großem Druck herausspritzte. Die Aufgabe des Herzens besteht schließlich darin, Blut zu pumpen, und diese Funktion übernimmt es sehr wirkungsvoll. Eine weitere Herausforderung bestand darin, die heiklen chirurgischen Reparaturen an einem schlagenden Herzen durchzuführen. Es war schon schwierig genug, ein Organ zu nähen, das vollkommen bewegungslos war. Doch wenn man das Herz anhält, um den Eingriff zu erleichtern, wird der Blutfluss im Körper unterbrochen, ohne den der Patient nicht überleben kann. Mit der komplizierten Maschine versuchte Dennis, diese scheinbar unlösbaren Probleme zu lösen.
Um 13:22 Uhr befahl Dennis seinem Team, Pattys Herz abzubinden und die Pumpe zu starten. Es ist leicht vorstellbar, dass das gesamte Team den Atem anhielt, als der erste Schnitt gemacht wurde.
Dann geschah das Unerwartete. Als der Chirurg in die obere rechte Kammer des kleinen Herzens schnitt, floss Blut - viel zu viel Blut - in die Umgebung des Herzens, und das Team konnte nicht schnell genug absaugen. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Der Schnitt hatte gezeigt, dass die ursprüngliche Diagnose falsch war. Patty hatte nicht nur ein einziges Loch, wie die Ärzte angenommen hatten, sondern es befanden sich mehrere Öffnungen in der Mitte ihres Herzens. Keiner der Chirurgen hatte so etwas zuvor gesehen. Dennis und sein Team nähten so schnell sie konnten und setzten elf Stiche in das größte Loch. Die Blutung ging aber ungehindert weiter. Sie vereitelte ihre Bemühungen, verdeckte ihr Sichtfeld und machte eine vollständige Reparatur unmöglich. Nach 40 Minuten trennten sie das kleine Mädchen von der Maschine, aber es dauerte weitere 43 Minuten, bis Dennis seine Niederlage eingestand. Patty starb einen Tag vor ihrem sechsten Geburtstag.
Einen Monat später versuchte Dennis es erneut und operierte zusammen mit einem Kollegen die zweijährige Sheryl Judge. Die Operation beobachtete der 32-jährige Clarence Walton »Walt« Lillehei, der später als Vater der offenen Herzchirurgie bezeichnet werden sollte. Bei Sheryl war ein Defekt des Vorhofseptums diagnostiziert worden - ein einzelnes Loch in der Wand zwischen den beiden oberen Herzkammern. Auch dieser angeborene Defekt würde, wenn er unbehandelt bliebe, für das Kind bald tödlich sein.
Als der Chirurg dieses Mal das Herz öffnete, zeigte sich ein anderes Problem. Es trat Luft aus den Herzkranzgefäßen aus und blockierte den Blutfluss. Einer der Techniker (der, wie sich später herausstellte, an einer leichten Erkältung litt) hatte das Reservoir des Geräts mit sauberem Blut leerlaufen lassen und die Patientin mit Luft vollgepumpt, wodurch ihr Gehirn, ihr Herz und ihre Leber vergiftet wurden. Die Folgen waren verheerend. Nach acht Stunden starb Sheryl Judge. Ein tragischer Fall von menschlichem Versagen - in einem 35noch völlig unbekannten Gebiet - trübte die Bemühungen der Chirurgen, die Grenzen des medizinisch Machbaren zu erweitern.
Diese verheerenden Misserfolge sind für die meisten von uns nur schwer zu ertragen. Vielleicht empören wir uns sogar über die Vorstellung von Experimenten, bei denen es um Leben und Tod geht. Doch für diese Patientinnen bestand ihre einzige Hoffnung in einer chirurgischen Reparatur. Wenn wir einen Schritt zurücktreten, können wir erkennen, dass die meisten der heute selbstverständlichen medizinischen Wunder - einschließlich der Operation am offenen Herzen bei erkrankten Gefäßen und Herzklappen - einst der unmögliche Traum medizinischer Pioniere war. Wie der Kardiologe Dr. James Forrester schrieb: »In der Medizin lernen wir mehr aus unseren Fehlern als aus unseren Erfolgen. Fehler bringen die Wahrheit ans Licht.«2 Aber die Wahrheit von Forresters Aussage allein macht es für uns alle nicht leichter, mit den schmerzhaften Nebenwirkungen des Scheiterns umzugehen. Wir brauchen ein wenig mehr Hilfe, um die emotionalen, kognitiven und sozialen Hindernisse zu überwinden, die einem guten Scheitern im Wege stehen.
Klug zu scheitern ist aus drei Gründen schwer: Abneigung, Verwirrung und Angst. Abneigung bezieht sich auf eine instinktive emotionale Reaktion auf Misserfolge. Verwirrung entsteht, wenn wir keinen Zugang zu einem einfachen, praktischen Verständnisrahmen haben, um zwischen verschiedenen Arten Scheiterns zu unterscheiden. Die Ursache der Angst ist das soziale Stigma des Scheiterns.
In unserem täglichen Leben werden die meisten von uns nie mit der Art von Misserfolgen konfrontiert werden, die Clarence Dennis erlebt hat. Dennoch kann es aufschlussreich sein, von Experten des Scheiterns wie Dennis zu lernen - genauso wie das Beobachten von professionellen Sportteams am Wochenende hilfreich und inspirierend sein kann. Auch wenn Sie kein medizinischer Pionier oder Profisportler sind, ist es hilfreich zu verstehen, womit diese Menschen konfrontiert waren und was sie überwunden haben, um ihr Tun zu verbessern. Wenn Robert F. Kennedy, mit dessen Zitat dieses Kapitel eingeleitet wurde, recht hatte, als er behauptete, dass große Leistungen großes Scheitern voraussetzen, dann haben die meisten von uns noch einiges zu tun.
Obwohl die erste erfolgreiche Operation am offenen Herzen an jenem Apriltag in Minneapolis nicht stattfand, führen heute ungefähr 10.000 Chirurgen in 366000 Herz-Zentren rund um den Globus jedes Jahr mehr als zwei Millionen dieser lebensrettenden medizinischen Eingriffe durch - in der Regel unter Verwendung eines hochentwickelten, stromlinienförmigen Nachfolgers von Herz-Lungen-Maschine von Dennis. Es sollte weitere vier Jahre dauern, bis Dennis und sein Team die erste erfolgreiche Operation mit der Maschine durchführten, und zwar am SUNY Downstate Medical Center in New York. In diesen vier Jahren erlebten Dennis und andere Chirurgen nicht nur weitere Fehlschläge mit diesen ersten Maschinen, sondern auch ihre Versuche, andere innovative Wege zur Lösung der schwierigen Probleme der Herzchirurgie zu finden, scheiterten in unterschiedlichem Maße (neben einigen kleinen Erfolgen).
Scheitern macht nie Spaß, und nirgendwo ist das deutlicher als in Krankenhäusern, wo es um Leben und Tod geht. Aber auch unsere gewöhnlichen Misserfolge - unsere Fehler, die unwichtigen Dinge, die wir falsch machen, die kleinen Niederlagen, wenn wir auf einen Sieg gehofft haben - können überraschend schmerzhaft und schwer zu verarbeiten sein. Man stolpert auf dem Bürgersteig; eine Bemerkung in einer Besprechung geht daneben; man ist das letzte Kind, das bei einem improvisierten Fußballspiel für die Mannschaft ausgewählt wird. Das sind zwar nur kleine Misserfolge, aber für viele von uns spüren deswegen einen echten Schmerz.
Aus rationaler Sicht wissen wir, dass Scheitern ein unvermeidlicher Teil des Lebens ist, eine Quelle des Lernens und sogar eine Voraussetzung für Fortschritt. Doch wie die psychologische und neurowissenschaftliche Forschung gezeigt hat, gehen unsere Gefühle nicht immer mit unserem klaren, rationalen Verstand überein. Zahlreiche Studien zeigen, dass wir negative und positive Informationen unterschiedlich verarbeiten.3 Man könnte sagen, dass wir mit einer »Negativitätsverzerrung« behaftet sind.4
Wir nehmen »schlechte« Informationen, einschließlich kleiner Fehler und Misserfolge, leichter auf als »gute« Informationen. Es fällt uns schwerer, schlechte Gedanken loszulassen, als gute. Wir erinnern uns an die negativen Dinge, die uns widerfahren, lebhafter und länger als an die positiven. Wir achten mehr auf negative als auf positive Rückmeldungen. Menschen interpretieren negative Gesichtsausdrücke schneller als positive. Schlechtes ist, einfach ausgedrückt, stärker als Gutes.5 Das heißt nicht, dass wir dem Schlechten zustimmen oder es mehr schätzen, sondern dass wir es stärker wahrnehmen.
Warum sind wir so empfindlich gegenüber negativen Informationen und Kritik? Nun, es scheint den frühen Menschen einen Überlebensvorteil verschafft 37zu haben, als die Bedrohung durch die Ablehnung des Stammes den Tod bedeuten konnte. Daher reagieren wir unverhältnismäßig empfindlich auf Bedrohungen, selbst auf die rein zwischenmenschliche Gefahr, in den Augen anderer schlecht dazustehen....
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