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KAPITEL 3
Natürlich musst du da mitmachen!«
Aber Nora zögerte noch. Sie hasste es, wenn Frank von etwas überzeugt und sich so bombensicher war. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass sie eine Teilnahme an dieser Talkshow auf SVT vermeiden sollte. Vor wenigen Jahren noch war das ganz anders gewesen, aber sie hatte in den sozialen Medien mehrere Beiträge gelesen, die sich alle abfällig über das Programm geäußert hatten. Die Teilnehmer wurden alle abgetan als publicitygeile B-Promis, die sich für ein paar Minuten Sendezeit zu jedem Quatsch äußerten. Auf Facebook hatten einige Bekannte erzählt, sie hätten zwar eine Einladung zu der Talkshow bekommen, diese aber selbstverständlich abgelehnt. Am liebsten würde sie es auch so machen.
»Wenn du nicht annimmst, rufen sie Angelika an, da kannst du dir sicher sein.«
Noras Magen krampfte sich zusammen. Angelika Simonsson. Up and coming. Jünger, gutaussehend, charmant und vor allem sehr hungrig auf Erfolg. Angelika konnte zwar nicht so viele Bücher vorweisen wie sie und bei weitem nicht so viele Jahre in der Öffentlichkeit. Und auch ihr Publikum war zahlenmäßig kleiner. Aber Nora wusste genau, wie die Medienwelt tickte. Gab es ein neues Gesicht, wurde lieber das genommen. Frank hatte Recht. Natürlich musste sie in diese Talkshow. Sie musste sich in Schale werfen, nach Göteborg fliegen und sich für die darauffolgende Erniedrigung eine Ewigkeit in der Maske zurechtmachen lassen. Für ihren Einsatz, der dann lediglich aus drei, vier Sätzen bestehen würde. Denn zu mehr würde sie keine Gelegenheit bekommen. Zum Glück würde das Ganze erst nach dem Wochenende stattfinden. Sie hatte also noch Zeit, sich darauf vorzubereiten.
»Okay, ich fahre!«, sagte sie Frank und legte auf.
Genauer betrachtet, war diese Rollenverteilung nicht gerade gesund, überlegte sie manchmal. Morgens und abends waren sie ein Ehepaar, aber tagsüber kam es nicht selten vor, dass er sie anrief und einen Haufen Anweisungen und Verhaltensregeln diktierte. Obwohl sie so schon seit vielen Jahren zusammenarbeiteten, fiel ihr diese Umstellung manchmal noch schwer. Was sie daran am meisten störte, war die Tatsache, dass es offenbar nur ihr schwerfiel. Frank schien es regelrecht zu genießen, die Rolle ihres Agenten zu übernehmen. Als würde ihm das die Legitimation geben, über sie bestimmen zu dürfen. Wie in diesem Telefonat. Er wusste genau, was er sagen musste, um sie dorthin zu bekommen, wo er sie haben wollte.
Die Welt draußen war voller Bedrohungen. Und Angelika Simonsson war nur eine von ihnen. Nora war schon so lange dabei, dass sie genau wusste, wie die Branche funktionierte. Sie war gezwungen, alle zwei Jahre ein neues Buch zu veröffentlichen und in der Zwischenzeit in diversen Talkshows, im Frühstücksfernsehen und in Radiosendungen aufzutauchen. Das war wichtig, um als relevant, aktiv und glaubwürdig zu erscheinen. Wenn sie auf diesem Gebiet nachließ, würde sie auch bald aus der Frauenzeitschrift verschwunden sein, in der sie eine feste Kolumne hatte, und die Vortragsanfragen, womit sie eigentlich ihr Geld verdiente, würden ebenfalls versiegen. Es ging darum, immer präsent zu sein, sichtbar und hörbar. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Diese Gedanken ließen sie automatisch zum Handy greifen. Es war ihre Verbindung zur Außenwelt, der Dialog mit ihren Lesern, die Bestätigung, wie beliebt und interessant sie an diesem Tag war. Ein schonungsloser Beleg in Form der Anzahl von Followern, Abonnenten und Likes.
Zuerst ging sie auf Instagram, fluchte leise wegen der 11 Abonnenten, die sie seit gestern verloren hatte. Nur ein neuer war hinzugekommen. Nicht einmal die 544 Likes und die 33 Kommentare konnten ihre Irritation dämpfen. Schnell wechselte sie auf Angelika Simonssons Account. Entspannt ließ sie ihre Schultern sinken. Sie war nach wie vor größer als sie, aber deren Popularität wuchs mit jedem Tag. Der Grund dafür war Angelikas neues Buch, das ein großer Erfolg geworden war. Scheiß auf die Ausreden! Zwar gab es einige Stimmen, die den Ton zu frech und respektlos fanden, und vor allem aus der Ecke der Berufsopfer, die immer den Strukturen und dem System die Schuld für alles gaben, kam Kritik. Aber die Allgemeinheit empfand es als Inspiration, ein frischer Wind. Nora hatte sofort begriffen, dass die Medien es auf keinen Fall übersehen und übergehen konnten.
Verdammt. Ihr nächstes Buch musste ein Bestseller werden, sonst würde sie auf den Platz der schlechteren, langweiligeren und nur ganz ordentlichen Zweiten verdammt werden. Sie betrachtete Angelikas Bilder auf Instagram: hervorragend geschminkte, glückliche Selfies wechselten sich ab mit geschmackvollen Stillleben und der Botschaft, die Schönheit des Moments zu genießen. Vereinzelt Gruppenaufnahmen mit anderen Promis. Nora dachte angestrengt nach. Vielleicht sollte sie den Rest des Tages dafür nutzen, sich eine neue Strategie für die Nutzung von Instagram zu überlegen. Frühere Einträge durchsehen und herausfinden, welche Themen gut funktioniert haben und warum. Beim letzten Mal war das durchaus erfolgreich gewesen. Aber in dieser unbeständigen Welt konnte man sich nie wirklich sicher fühlen und zurücklehnen, weil man etwas erledigt hatte. Nach Instagram öffnete sie Twitter. Hier übertraf sie Angelika um Längen, denn die hatte nicht einmal einen Account. Aber wirklich befriedigend war das auch nicht. Bedeutete das vielleicht, dass Twitter nicht mehr in war? Nora schüttelte ihren Unmut ab, immerhin war ihre Gemeinschaft über die Jahre stetig gewachsen und ziemlich groß. Da konnte sie nicht einfach abspringen. Außerdem erreichte sie über Twitter zum Teil eine ganz andere Klientel, intellektuellere und einflussreichere Medienleute, die sehr wichtig waren für ihren Erfolg. Obwohl die ihr manchmal ganz schön auf die Nerven gingen mit ihren kritischen Fragen, waren es letztlich die, die ihren Namen und ihre Botschaft verbreiteten.
Sie zählte 23 neue Follower, 25 Retweets sowie eine Reihe von Kommentaren und Fragen. Schnell beantwortete sie die wichtigsten, dann wechselte sie zum nächsten Medium: Facebook. Das war in gewisser Weise das schwierigste von allen. Darüber stand sie in Kontakt mit ihrem gesamtem Bekanntenkreis, Freunden aus der Kindheit, entfernten Verwandten, Nachbarn, aber eben auch vielen Fans. Sie hatte eine Zeit lang darüber nachgedacht, einen privaten und einen beruflichen Account zu erstellen, hatte aber schnell eingesehen, dass die Trennung zu schwer war. Darum musste sie nun auf dem schmalen Grat balancieren, persönlich genug zu sein, ohne zu privat zu werden, und genug Reklame für sich zu machen, ohne zu aufdringlich zu wirken. Diskret hatte sie ihre Abonnenten und Freunde in verschiedene Kategorien unterteilt, damit nicht alle alles lesen konnten. Oder anders formuliert, sie zeigte jedem das, was diese Person unbedingt lesen sollte. Wenn die dort draußen sehen würden, wie viel Zeit sie dafür aufbrachte. Und wie unfassbar wichtig das war. Nicht einmal Frank begriff die Dimension, obwohl er den ganzen Tag von Image und PR redete.
Anderthalb Stunden hatte sie heute am Ende damit verbracht. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht gleich wieder von vorne anzufangen und ihren Instagram-Account zu öffnen.
Ein ewiger, unendlicher Kreislauf.
Sie zwang sich dazu, das Handy wegzulegen, und schaltete stattdessen ihren Rechner ein. Sie hatte noch ein paar Dinge zu erledigen. Die Kolumne in Susannes Zeitschrift. Sie hatte fünf neue Fragen bekommen, die sie beantworten sollte. Außerdem musste sie noch einen Artikel für eine Webpublikation schreiben. Und sie würde die Redaktion der Talkshow anrufen und ihre Teilnahme am Montag zusagen, die sie dann auch noch vorbereiten musste. Sie arbeitete einige Stunden konzentriert und effektiv am Stück, nur unterbrochen von ein paar Toilettenbesuchen und wiederholten Abstechern in die Küche, um ihren Kaffeebecher aufzufüllen. Ihr Magen protestierte gegen die Unmengen an schwarzem Kaffee, aber das ignorierte sie.
Gegen vier Uhr wurde es Zeit, die Kinder im Hort abzuholen. Albin ging in die zweite Klasse und hatte bereits zu Hause angerufen, weil er sich mit einem Kumpel verabreden und zu ihm nach Hause gehen wollte. Nora hatte abgelehnt und ihn daran erinnert, dass er Fußballtraining hatte und sich ohnehin beeilen und schnell umziehen musste, noch ein Brot essen sollte, um dann pünktlich um fünf Uhr auf dem Fußballplatz zu stehen.
Saga hatte noch nie gefragt, ob sie zu jemandem mit nach Hause gehen durfte. Und sie war auch noch nie gefragt worden.
Nora war gestresst. Sie waren um sechs Uhr bei den Nachbarn zum Essen eingeladen, sie hatte schon angekündigt, dass sie wegen Albins Fußballtraining eine halbe Stunde später kommen würden.
Saga hatte sie auch beim Fußball angemeldet, aber ihre Tochter hatte die ganze Zeit nur am Spielfeldrand gestanden und den anderen verängstigt zugesehen. Es war unmöglich gewesen, sie zum Mitspielen zu animieren, und vor dem Ball schien sie die größte Angst zu haben. Nach zwei, drei Versuchen hatte Nora das Projekt abgebrochen. Seit diesem Reinfall hatte sie versucht, eine passende Sportart für Saga zu finden, aber das hatte sich als äußerst schwierig erwiesen. Das Turnen, bei dem sie jahrelang auf der Warteliste gestanden hatten, begeisterte sie nicht. Saga hatte Angst, wenn der Trainer ihr Anweisungen gab. Mit dem Tanzen verhielt es sich genauso. Saga wollte auf keiner Bühne auftreten und nichts in einer Gruppe machen. Das Klavierspielen war das Einzige, was noch geblieben war, aber das ging Nora auch viel zu langsam voran. Quälend langsam. Zwischendurch ermahnte sie sich und erinnerte sich daran, dass ihre...
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