Kapitel 3
Den Sonntag verbrachte Ella bei allerlei Festival-Veranstaltungen, sodass Finola und Craig sich in Ruhe der Haussuche widmeten. Sie besichtigten zwei Objekte, eines in Craigmillar, eines in Newhaven. Leider waren beide enttäuschend, obwohl sie auf der Internetseite der Maklerin einen guten Eindruck gemacht hatten. Da sah man mal wieder, was geschickte Fotos ausmachten. Die Wirklichkeit bildeten sie nicht unbedingt ab.
Immerhin konnten sie die Gelegenheit nutzen, in Newhaven am Strand fish & chips zu essen.
Am Spätnachmittag schickte Ella einen fröhlichen Gruß:
Hatte einen schönen Tag, bin aber jetzt sehr müde. Werde mich noch ein bisschen ganz ruhig in Annes Garten setzen und heute früh zu Bett gehen. Du brauchst dich also nicht um mich zu kümmern. Wir sehen uns morgen. Holst du mich zur Lesung ab, oder sollen wir uns vor Ort treffen? Ich habe die Buchhandlung schon entdeckt und dürfte mich auf dem kurzen Weg nicht verlaufen. ;-)
Finola zögerte einen Augenblick, dann antwortete sie:
Ich bin am Nachmittag wahrscheinlich sowieso in der Albert Terrace, ansonsten schick ich dir 'ne Nachricht. Ruh dich gut aus. Bis morgen.
»Gehst du noch rüber, um Ella zu treffen?«, fragte Craig.
»Nein. Die möchte nach ihrem anstrengenden Tag einen ruhigen Abend verbringen.«
»Das ist ja ein praktischer Besuch!«
»Wenn man's genau nimmt, ist sie ja nicht meiner und auch nicht Annes, obwohl sie da wohnt, sondern der Besuch dieser schönen Stadt. Newhaven fand ich übrigens sehr ansprechend so am Wasser.«
»Ja, schade, dass das Haus dermaßen heruntergekommen war. Aber wir hätten zu viel investieren müssen.«
»Es ist schwieriger, als ich gedacht hatte, wenn man nur wenige Kompromisse eingehen will.«
Craig legte den Kopf schief. »Kann es sein, dass du ein winziges bisschen ungeduldig bist?«
Finola seufzte. »Es ist interessant, bei den Besichtigungen verschiedene Stadtteile genauer kennenzulernen, aber eigentlich würde ich meine Energie lieber in andere Dinge stecken, Möbelkauf und Einrichtung und so. Weißt du, dass ich noch nie so richtig eigene Möbel hatte?«
»Wie kommt das?«, fragte Craig überrascht.
Finola zählte die Stationen an den Fingern ab. »Na ja, als Kind hatte ich kein großes Mitspracherecht, weder in unserem Haus auf Harris noch später in Glasgow. Als ich damals bei meiner Mutter ausgezogen bin, hat mich erst mal Emily bei sich wohnen lassen. Anschließend bin ich zu Robbie gezogen. Danach hatte ich ein möbliertes Mini-Apartment in Portree und schließlich ein Zimmer in einer WG in Glasgow während der Ausbildung zur Detektivin. Und dann bin ich bei Anne gelandet.«
»Ich verstehe. Es wird also höchste Zeit, dass du bei der Auswahl deiner Wohnumgebung ein Wörtchen mitzureden hast.«
»Ich möchte auf jeden Fall einen Schaukelstuhl«, erklärte Finola fest.
Craig sah sie überrascht an.
»Den wollte ich schon als Kind, aber meine Mutter fand immer, dass er zu viel Platz wegnehmen würde.«
Craig schmunzelte. »Gut. Einen Schaukelstuhl hätten wir also bereits. Sonstige Wünsche?«
»Alles andere suchen wir zusammen aus, ja?«
»Genau das machen wir«, versprach er und gab Finola einen Kuss zur Bestätigung.
Am nächsten Tag konnten Finola, Anne und Ùna die Montagmorgenbesprechung in der Detektei langsam angehen lassen. Die Auftragslage war jetzt, in der Ferienzeit, einigermaßen entspannt. Die Leute fuhren eher in Urlaub, als Privatdetektivinnen anzuheuern. Die meisten der aktuellen Fälle waren zudem über Telefon und Internet oder mit einem kurzen Recherchebesuch und dem Anbringen von Überwachungselektronik zu erledigen.
Ùna widmete sich also in Ruhe der Buchhaltung und durchforstete alte Akten, während Anne und Lachie gemeinsam überlegten, wie sie die Website von MacTavish & Scott neu gestalten wollten.
Finola fuhr derweil zu einem Kindermodengeschäft, das mit häufigen Diebstählen zu kämpfen hatte. Da die Sicherheitskameras zu große tote Winkel hatten, was der oder die Schuldige zu wissen schien, würde Finola dort diskret zusätzliche Minikameras anbringen, sodass es keine Bereiche mehr gab, die nicht überwacht wurden.
Das war einfach und schnell erledigt.
In seiner Mittagspause rief Craig Finola an. »Ich hoffe, ich störe jetzt nicht, aber ich wollte dich vorwarnen. Und natürlich deine Stimme hören.«
»Kein Problem. Ich bin gerade auf dem Weg zu Laurie. Soll ich dir für heute Abend vielleicht einen Cupcake mitbringen?«
»Gerne so ein Limetten-Küchlein«, antwortete Craig sofort. »Aber deshalb ruf ich nicht an.«
»Kann ich mir denken. Du willst mich also vorwarnen. Weswegen?«
»Dan hat herausgefunden, dass du Finola MacTavish von MacTavish & Scott bist.«
»Wie das?«
»Ihr habt das Firmenkonto bei unserer Bank, da ist er über deinen Namen >gestolpert<, wie er sagt. Obwohl ich eher annehme, dass er aktiv gesucht hat. Und dann hat er mich gefragt, ob die Inhaberin der Detektei und meine Finola dieselbe Person seien. Ich konnte schlecht lügen.«
»Klar. Halb so schlimm. Ein wirkliches Geheimnis ist mein Job ja nicht, ich spreche nur normalerweise eben nicht drüber. Aber Dan ist ein Freund von dir, also ist das schon okay.«
»Ich wollte dir einfach Bescheid sagen, damit du dich nicht wunderst. Er hat nämlich deine Handynummer aus den Kontakten.«
»Und warum sollte er mich anrufen?«, fragte sie.
»Das weiß ich nicht. Er hat nur so was angedeutet.«
»Falls er sich wirklich irgendwann meldet, werde ich den Grund ja erfahren«, sagte Finola.
Craig lachte. »Ich denke auch. Dann freue ich mich jetzt schon mal auf meinen Cupcake. Krieg ich den vor oder nach deinem Ausgang mit Ella?«
»Ich muss schauen, ob ich es vorher kurz nach Hause schaffe. Aber die Lesung beginnt bereits um sechs, also dürfte es insgesamt ohnehin nicht allzu spät werden.«
»Lass dir Zeit. Ihr wollt sicher hinterher auch noch quatschen, Verzeihung, ich meine natürlich: euch über Literatur austauschen.«
»Wahrscheinlich schon.«
»Dann warte ich eben ganz geduldig auf meinen Cupcake«, erwiderte Craig und fügte leise hinzu: »Und auf dich.«
Finola schmatzte einen Kuss ins Handy und beendete das Gespräch.
Sie betrat Laurie's Café, begrüßte ihre Freundin und bestellte wie immer einen Latte macchiato. Sie wählte fünf Cupcakes für Ella und die Detektei zum Mitnehmen und ein Limetten-Küchlein extra für Craig.
»Pack ich dir ein«, sagte Laurie. »Während du mir erzählst, wie es dir geht.«
»Gut, alles bestens. Sieht man das nicht?«
Laurie betrachtete sie aufmerksam.
»Doch«, gab sie schließlich zu. »Du siehst ziemlich glücklich und entspannt aus.«
»Und du? Was macht dein Liebster?«
Laurie holte tief Luft, aber in diesem Moment summte Finolas Handy, und Laurie ließ den Atem langsam wieder ausströmen.
Unbekannte Nummer.
»Ich geh kurz raus«, sagte Finola schnell und warf einen Blick zu den drei kleinen Tischen im Café, die alle besetzt waren. Allerdings machten die Leute an einem gerade Anstalten aufzubrechen.
»Ja, bitte?«, meldete sie sich und trat hinaus auf den breiten Gehweg.
»Hi, Finola. Bist du das?«
»Ja?«
»Dan hier«, klang es aus dem Telefon. »Ich würde gern mal mit dir sprechen.« Er räusperte sich. »Es geht um eine . Also du kannst doch sicher herausfinden, was los ist, wenn sich jemand seltsam verhält.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe zufällig erfahren, dass du eine der Inhaberinnen von MacTavish & Scott bist.«
»Zufällig? Etwa über unser Geschäftskonto?«
»Ähm, ja, also . Woher weißt du .?«
»Ich bin Detektivin, das bringt mein Job mit sich«, behauptete sie. Craig wollte sie lieber nicht in diese Geschichte hineinziehen.
»Es ist mir irgendwie unangenehm, aber so kann es nicht weitergehen. Ich muss wissen .« Wieder brach er ab.
»Und ich muss wissen, worum es geht, sonst kann ich nicht helfen. Soll jemand observiert werden?«
»Genau«, bestätigte Dan. »Sie hat gesagt, sie besucht eine Freundin, aber dann hat die auf einmal hier angerufen, und sie war gar nicht dort. Und überhaupt hat sie so oft keine Zeit und sagt fast nie, was sie macht und wo sie ist.«
»Du sprichst von Jess?«
»Ja, natürlich.«
»Und warum fragst du sie nicht direkt?«
Er seufzte. »Das hab ich versucht. Aber irgendwie antwortet sie immer so ausweichend. Oder so, als ob sie dabei an etwas ganz anderes denkt.«
»Also, hör mal, Dan. Wenn's darum geht, Jess zu überprüfen, bin ich nicht die Richtige, schließlich kennt sie mich. Du kannst dich aber an unser Büro wenden, wenn du das wirklich willst. Wir haben auch andere Leute, die einen solchen Auftrag übernehmen können. Zuständig dafür ist meine Geschäftspartnerin Anne Scott. Nach der solltest du fragen, und dann schilderst du ihr dein Problem ganz in Ruhe. Sie hilft dir bestimmt weiter.«
Finola konnte sich nicht zurückhalten hinzuzufügen: »Die entsprechende Nummer dürftest du ja auch haben.«
»Okay. Ja. Danke. Sorry, dass ich dich angerufen habe, aber ich wusste nicht, wen .« Der Mann klang ziemlich...