Schweitzer Fachinformationen
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Mit kühlem Kopf durch heiße Zeiten
Während die Temperaturen im Sommer immer weiter in die Höhe schießen, müssen wir uns diesen Winter verdammt warm anziehen. Eine Situation, in die wir uns durch viele falsche Entscheidungen in der Vergangenheit selbst gebracht haben. Wussten Sie, dass in Finnland die Grünen auf Kernenergie setzen? Und dass, würden wir ganz auf Wind und Sonne setzen, in einer windstillen Nacht schon nach 40 Minuten unsere Energiespeicher leer sind? Aber was erwartet man von einer Nation, die schon mit dem Bau eines Flughafens überfordert ist?
Wie geht Deutschland mit seiner Zukunft um?
Mit kritisch humoristischer Feder hinterfragt der Physiker Vince Ebert den Zeitgeist und unseren Ehrgeiz, die Welt zu retten. Tun wir möglicherweise aus den richtigen Gründen das Falsche? Wäre eine Anpassung an die Klimaveränderungen nicht zielführender, als der Versuch, sie zu verhindern? Ist die Energiewende überhaupt umsetzbar? Brauchen wir gar einen völlig neuen Denkansatz? Eberts Plädoyer für eine leidenschaftliche Debatte ohne Scheuklappen ist überfällig.
"Denken Sie selbst, sonst tun es andere für Sie."
1992 fand zum ersten Mal der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung statt - auch Erdgipfel genannt. Zehntausende Aktivisten, Bürokraten und Politiker ließen sich in Kerosin verbrennenden, Treibhausgase ausstoßenden Flugzeugen nach Rio de Janeiro transportieren, um sich in intensiven Gesprächen Gedanken über die ökologische Zukunft unserer Erde zu machen.
Bald danach erkannte auch die Industrie die Dringlichkeit des Umweltthemas. 2002 startete Krombacher sein legendäres Regenwald-Projekt, bei dem man mit jedem gekauften Kasten Bier einen Quadratmeter Grünfläche in Zentralafrika schützen konnte. Die Kampagne schlug ein wie eine Bombe. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit konnte man sich beim Junggesellenabschied mit ökologisch gutem Gewissen die Birne wegschießen. »Nein, nein. Ich mach das nicht zum Vergnügen. Es ist halt wegen dem Klima .«
Getoppt wurde die Idee nur noch von einem Hersteller für batteriebetriebene Vibratoren, die man mit einer ausklappbaren Handkurbel ganz nachhaltig wieder aufladen kann. 30 Minuten kurbeln für fünf Minuten Spaß. Ich glaube, Öko-Test hat damals das Prädikat »befriedigend« vergeben.
Inzwischen wird die Forderung, unsere Welt zu retten, immer vehementer vertreten. Bei der jüngsten Klimakonferenz in Glasgow wurde sogar zeitweise der Luftraum für normale Flugreisende gesperrt, damit ein Teil der umweltbewegten Eliten mit ihren 400 Privatjets anfliegen konnten, um zwei Wochen lang über Ressourcenverschwendung zu sprechen.[1] Konservativen Schätzungen zufolge verursachte alleine deren Anreise 13 000 Tonnen Kohlendioxid. Das entspricht der Menge, die etwa 1 600 Schotten in einem Jahr verbrauchen. Aber wenn's um Weltrettung geht, darf man auf solche Kleinigkeiten keine Rücksicht nehmen.
Nichts wird in der westlichen Wohlstandsgesellschaft häufiger beworben als öko, bio und grün. Jeder Türstopper ist glutenfrei und fair gehandelt, jede Espressomaschine klimaneutral. Es gibt praktisch keinen Brotaufstrich, keinen Immobilienfonds und keine Fußcreme mehr, die nicht irgendwie nachhaltig daherkämen. Aldi verkauft Biogemüse, die Fluglinie Eurowings gibt ein Bordmagazin auf Umweltschutzpapier heraus, in dem vegane Taschen, Demeter-Käse im Glas und CO2-frei produzierte Fenster eines Herstellers angepriesen werden, der auf Naturstrom setzt.
Die Deutsche Bahn hat diesen Trend schon länger erkannt. Vor einigen Jahren wurde mir beim Fahrkartenkauf der Tarif »Umwelt-Plus« angeboten. »Damit können Sie mit dem ICE von Frankfurt nach Berlin ganz bewusst mit Ökostrom fahren«, sagte die freundliche Dame am Ticketschalter. »Und ohne diesen Tarif?«, entgegnete ich. »Naja«, meinte sie leicht verunsichert, ». ohne Umwelt-Plus fahren Sie dann wohl leider mit normalem Strom.«
Faszinierend. Die Deutsche Bahn hat es geschafft, die Stromversorgung in einem ICE so zu individualisieren, dass jeder Reisende abhängig von seinem Tarif seinen eigenen Strom bekommt. Das ist deutsche Ingenieurskunst.
Wenn man früher ein guter Mensch sein wollte, reichte es aus, seine Mitmenschen gut zu behandeln und den jährlichen Ölwechsel seines Golf nicht im Naturschutzgebiet durchzuführen. Heutzutage macht's unter Weltrettung keiner mehr.
Jede noch so kleine Alltagsentscheidung muss inzwischen überdacht werden, um nicht als rücksichtsloser Umweltdämon zu gelten. »Plastiktüten? Bist du wahnsinnig? Den Fernseher auf Stand-by? Nee, geht gar nicht mehr! Ein Flug zu der Patentante nach Berlin? Aber nur, wenn du die Meilen kompensierst! Und bau endlich einen Spülstopp in deine Toilette. Weißt du nicht, dass in Eritrea Menschen verdursten .?«
Aber es nützt alles nichts. Konnten wir noch vor wenigen Jahren unsere Seele mit dem Bau von Krötentunneln oder einer monatlichen Spende für den WWF beruhigen, so leben wir derzeit in einer Spirale des immer stärker werdenden schlechten Gewissens. Tagtäglich wird uns vor Augen geführt, dass es weniger unser konkretes Verhalten ist, das den Planeten ruiniert. Nein. Es ist alleine schon die Tatsache, dass es uns überhaupt gibt. 2017 haben schwedische Wissenschaftler berechnet, dass es zehnmal mehr CO2 verbraucht ein Kind aufzuziehen, als ein Auto zu besitzen.[2]
In dieser Hinsicht bin ich wenigstens fein raus. Als kinderloser Kabarettist könnte ich vermutlich mit einem Leopard-2-Panzer auf Tour gehen und hätte gegenüber einer Kleinfamilie immer noch das Klima geschützt.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Als studierter Physiker bin ich weder ein Leugner des menschlichen Einflusses auf den Klimawandel, noch glaube ich, dass es keine großen ökologischen Probleme auf diesem Planeten gibt. Und ich glaube erst recht nicht, dass wir den Kopf in den Sand stecken sollten, um möglichst bequem weitermachen zu können.
Wie wahrscheinlich jedem von Ihnen liegt auch mir unsere Zukunft am Herzen. Doch gerade deswegen frage ich mich, ob unsere hochtrabenden Pläne, die Welt zu retten, die Welt wirklich zum Besseren hin verändern werden.
Der Klimawandel findet statt, und er wird in großem Maße von Kohlenstoffdioxid verursacht, das wir seit der industriellen Revolution durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern freisetzen. Dadurch hat sich in den letzten 200 Jahren die Erde um etwa ein Grad Celsius erwärmt. Diese Entwicklung hält bis zum heutigen Tag an und stellt aus vielerlei Gründen ein zunehmendes Problem dar. Wir sollten also dringend etwas tun. Aber was genau?
Wie ich in diesem Buch darlegen möchte, spricht einiges dafür, dass wir Maßnahmen ergriffen haben, die zwar gut gemeint sind und edlen Beweggründen entspringen, aber die unterm Strich sehr wenige der Probleme lösen, ja sie mitunter sogar noch verschlimmern. Vielleicht tun wir aus den richtigen Gründen das Falsche?
Aus Sorge um unsere Zukunft haben wir begonnen, Kernkraftwerke abzuschalten, und wollen spätestens im Jahr 2030 auch auf Kohlestrom verzichten. Wir träumen davon, mit Elektroautos und Wärmepumpen den Planeten zu retten, und setzen seit Jahren mehr und mehr auf erneuerbare Energien, die unerfreulicherweise nur dann zur Verfügung stehen, wenn der Wind weht und die Sonne scheint.
Bis vor Kurzem wähnten wir uns noch auf dem richtigen Weg. Doch dann marschierte Putins Armee in die Ukraine ein, und schlagartig realisierten wir, dass wir uns mit unserer Konzentration auf Klimaschutz, Energiewende und Weltrettung energiepolitisch abhängig gemacht haben von einem Diktator, an dessen Gaslieferungen wir hängen wie ein Junkie an der Nadel.
Ironischerweise hatte 2018 Präsident Donald Trump bei der UN-Vollversammlung die deutsche Regierung vor genau einer solchen blauäugigen Abhängigkeit gewarnt. Die deutsche Delegation lachte ihn damals aus. Trump, den nach wie vor elf von zehn Deutschen unerträglich finden, sprach aus, was wir am 24. Februar 2022 alle schmerzlich feststellen mussten: Richtiges wird nicht falsch, nur weil es vom Falschen gesagt wird.
Putins Invasion zwingt uns, unsere Perspektive auf die Welt und unsere Strategien der Weltverbesserung wieder etwas gerader zu rücken. Plötzlich kollidieren unsere ambitionierten Pläne, das Land klimaneutral und kernenergiefrei umzubauen, mit der Realität. Es ist traurig, aber offenbar brauchen wir erst ein solch fürchterliches Ereignis, um zu erkennen, dass wir bei der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft mehr Dinge berücksichtigen müssen als die Idee, als Weltrettungs-Weltmeister in die Geschichte einzugehen. Putins Invasion sollte uns wachrütteln und als Appell dienen, hin zu mehr Pragmatismus und weg von zu viel Naivität. Wenn wir also in Zukunft nicht auf einen Blackout zusteuern wollen, brauchen wir einen neuen, frischen, unverstellten Blick auf unser weiteres Vorgehen.
Wer glaubt, die ganze Welt retten zu müssen, kann ohnehin nur scheitern. Denn er verfällt einer Utopie. Und wie viele gesellschaftliche Utopien der Vergangenheit gezeigt haben, tritt am Ende meist das genaue Gegenteil von dem ein, was man ursprünglich angestrebt hat.
Weltretten ist also keine Lösung. Was natürlich keineswegs heißt, dass wir uns zukünftig nicht mehr um den Klimawandel, um saubere Energien und um die vielen anderen ökologischen Probleme kümmern sollten. Aber ich glaube, dass wir dazu dringend ein paar andere Ansätze verfolgen müssen. Nicht, um die Welt als Ganzes zu retten, sondern um sie ein Stückchen besser zu machen.
Alleine dieser Gedanke fällt uns Deutschen naturgemäß schwer. Denn im Zweifel gibt's bei uns nur alles oder nichts. Mit halben Sachen geben wir uns nicht zufrieden. Mit unserer bekannt deutschen Gründlichkeit versuchen wir, die gesamte Gesellschaft ökologisch umzugestalten. Und wenn es hie und da trotzdem nicht gelingt, dann muss sich gefälligst die Realität besser an unsere Wunschvorstellungen anpassen. Was zum Beispiel spricht eigentlich dagegen, einen Solarpark unter Flutlicht zu betreiben? Dann nämlich könnte er sogar nachts Strom produzieren! Rein technisch wäre das heute schon machbar. Aber die großen Konzerne verhindern das leider.
Doch Scherz beiseite. Tatsächlich gibt es durchaus andere Wege, unsere ökologischen Probleme anzugehen. Ideen, die unkonventionell sind und die gänzlich außerhalb unseres derzeitigen grünen Tunnelblicks liegen. Kurzum: Wir müssen beim Weltverbessern neu...
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