Schweitzer Fachinformationen
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Tag eins
Die Frau hielt den Sanitätern die Tür zu Greg Carvers Haus auf. Langsam stiegen sie die Stufen hinauf, der Schnee darauf hatte sich durch das viele Rein und Raus in Matsch und dann in Eis verwandelt. Ihre eigenen Fußabdrücke, die von der Feuerleiter an der Seite des Hauses die Einfahrt entlanggeführt hatten, waren dank des stetigen Schneefalls rasch unter einer weißen Decke verschwunden. Der Polizeihubschrauber, der über ihren Köpfen kreiste, schaltete die Suchscheinwerfer aus und drehte unvermittelt ab. Höchstwahrscheinlich war er von der Einsatzleitung zurückbeordert worden, weil der Schneesturm stärker wurde. Die Rettungsfahrzeuge standen mit blinkendem Blaulicht da, die Einfahrt zu Carvers Haus wurde vom Licht der Fahrzeugscheinwerfer erhellt, zu beiden Seiten waren Bereiche mit Absperrband abgeriegelt, um Schaulustige fernzuhalten. Sie folgte den Sanitätern bis zu dem bereitstehenden Rettungswagen und wechselte ein paar Worte mit ihnen. Dann sah sie zu, wie Carver ins Innere des Fahrzeugs geschoben wurde.
Innerhalb der Absperrung stand ein Einsatzwagen der Kriminaltechnik. Zwei CSIs und der Crime Scene Manager standen in voller Montur dahinter, bereit, ins Haus zu gehen, sobald sie grünes Licht bekamen.
Die Frau atmete tief durch, ehe sie auf die beiden Männer zusteuerte. »Sie können dann übernehmen«, teilte sie ihnen mit.
»Ist es wirklich wahr?«, fragte der leitende Beamte.
»Es ist Carver, ja«, bestätigte sie.
»Du lieber Himmel, Ruth.« Sanft berührte er sie am Ellbogen.
Detective Sergeant Ruth Lake wandte sich ab. »Augen überall«, murmelte sie leise vor sich hin. Jenseits der Absperrung hatte sie bereits zwei Vertreter der örtlichen Presse ausgemacht.
»Wo bringen sie ihn hin?«, fragte einer.
»Ins Royal.« Ihr schnürte es die Kehle zu, sie brachte keinen Ton mehr heraus.
»Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
»Erledigen Sie Ihren Job bitte gründlich.«
»Das versteht sich von selbst.«
Ruth Lake senkte den Kopf, eine Geste der Entschuldigung. »Ich habe die Türen angefasst - Klinken und Schlösser .« Sie runzelte die Stirn, als versuchte sie, sich weiterer Details zu entsinnen. »Ein paar Lichtschalter und den Sessel - im Wohnzimmer im vorderen Wohnbereich. Er war . dort habe ich ihn .«
Er nickte. »Verstehe. Wir werden Ihre Schuhe benötigen.«
Sie strich sich über die Augenbraue. »Ich lasse sie Ihnen bringen.«
»Wie sind Sie denn reingekommen?«
»Die Tür stand sperrangelweit offen«, gab sie zurück. Doch ihre Finger schlossen sich unwillkürlich um das Schlüsselbund in ihrer Tasche. Sie wandte die Augen ab.
Er senkte den Kopf, um ihren Blick einzufangen. »Wenn es da drinnen Beweise gibt, werden wir sie finden, Ruth.«
Sie blinzelte zweimal. »Ich weiß.« Ein Lächeln brachte sie nicht zustande.
Ein Fahrzeug kam in die Straße gebogen und hielt an, ein stämmiger Mann stieg aus. Er knöpfte seinen Mantel zu und bahnte sich mit weit ausholenden Schritten seinen Weg durch die Menge der Schaulustigen, als wären sie Luft für ihn. Detective Superintendent Jim Wilshire war der Presse nicht sonderlich zugetan.
Die beiden Journalisten an der Absperrung drehten sich einen Sekundenbruchteil zu spät um, um ein brauchbares Foto schießen zu können. Der Polizeibeamte hatte sich bereits darunter durchgeduckt und war schon ein ganzes Stück weiter, ehe sie sich wieder gefangen hatten.
»Superintendent«, rief einer von ihnen. »Sir - war es der Dornenmörder?«
Ruth Lake wechselte einen Blick mit dem Crime Scene Manager. »Ich komme später auf Sie zu«, sagte sie.
Während die CSIs ins Haus gingen, drückte sie den Rücken durch und wartete auf den Superintendent.
»Detective Sergeant Lake«, begrüßte Wilshire sie.
»Sir.«
»Kommen Sie mit mir.« Er ging ans andere Ende der äußeren Absperrung, wo weniger Leute standen. Dort spannte er einen riesigen schwarzen Regenschirm auf, mehr, um sie beide vor den neugierigen Blicken der Umstehenden abzuschirmen, wie sie annahm, und nicht so sehr als Schutz vor dem garstigen Wetter. »Greg Carver?« Seine Stimme klang heller, als man es von einem so massigen Kerl erwartet hätte.
Sie nickte.
»Wer war der erste Officer vor Ort?«
Sie sah ihn mit möglichst argloser Miene an. »Das war ich.«
»Sie waren aber schnell hier.«
»Ich habe ihn gefunden.«
Er runzelte die Stirn. »Das ist jetzt wie lange her . dreißig Minuten?«
»In etwa, ja.«
Er sah auf die Uhr. Sie wusste, dass es zehn Minuten nach Mitternacht war.
»Eigenartige Zeit für einen Freundschaftsbesuch, Sergeant, es ist mitten in der Nacht.« Er klang, als lüde er sie höflich ein, ihm eine Erklärung zu liefern, nicht als verlangte er ausdrücklich eine.
»Er wollte mit mir über den Fall sprechen.«
»Trotzdem, seltsame Zeit und seltsamer Ort für ein solches Gespräch«, sagte er, jetzt in etwas schärferem Tonfall.
Sie nickte und spürte, wie ihre Augenbraue zu zucken begann, sparte sich aber jede weitere Bemerkung.
Einige Augenblicke musterte er sie eindringlich, sodass sie sich zwingen musste, langsam und regelmäßig zu atmen, um Ruhe zu bewahren.
Plötzlich war die Straße hinter ihr in helles Licht getaucht. Sie hörte, wie sich ein Wagen näherte, Motorengeräusche und das Knirschen von Reifen auf dem frisch gefallenen Schnee. Sie warf einen Blick über die Schulter, als das wuchtige Gefährt abbremste und zum Stehen kam. Mersey View - ein lokaler Kabelsender. Wilshire hasste diese Typen mehr als irgendjemand sonst.
»Sir?«, sprach sie ihn an.
Er spähte an ihr vorbei zu dem Fernsehteam, das aus dem Van geklettert kam. »Na schön, lassen wir das vorerst auf sich beruhen«, lenkte er ein. »Aber Sie haben diese Presseheinis bei meiner Ankunft ja gehört. Die wollen wissen, ob das hier das Werk des Dornenmörders ist. Sie müssen mich also schnellstmöglich mit den Einzelheiten vertraut machen.«
Sie holte tief Luft, atmete langsam aus und sammelte sich mental so weit, um ihrem Chef die nötigen Details mitzuteilen.
»Er saß im Wohnzimmer in seinem Sessel«, erklärte sie. »Man hat ihm aus nächster Nähe in die Brust geschossen.« Sie räusperte sich. »Sieht mir nach einer Kleinkaliberkugel aus.«
»Und Sie folgern das woraus .?«
»Ich war früher selbst CSI«, teilte sie ihm mit. »Ich hatte schon mit der einen oder anderen Schusswunde zu tun. Außerdem . war da nur eine geringe Menge Blut.«
Allerdings hatte sie es deutlich gerochen. Der kupfrige Gestank drohte, ihr erneut in die Nase zu steigen.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigte sich Wilshire.
»Alles gut«, versicherte sie ihm. »Nur .«
Er nickte, dann verlagerte er kaum merklich sein Gewicht, und ihr wurde bewusst, dass er dem Fernsehteam die Sicht verstellte. »Verständlich. Aber nehmen Sie sich bitte zusammen. Sie sind verantwortlich für diesen Tatort, bis der befehlshabende Officer eintrifft.«
»Ich sagte, alles ist gut.«
Als er die Augen missbilligend zusammenkniff, wurde ihr bewusst, dass ihre Antwort viel zu schroff geklungen hatte. Ach, verdammt.
»Wer ist denn der befehlshabende Officer?« Wilshire blähte die Nasenflügel, weshalb sie hinzufügte: »Wenn Sie mir die Frage erlauben, Sir.«
»DCI Jansen«, antwortete er steif. »Spätestens in zwanzig Minuten sollte er eintreffen. Er wird wissen wollen, ob Sie am Tatort irgendetwas verändert haben.«
Kurz stockte ihr das Herz, dann setzte es wieder ein, das langsame, dumpfe Pochen in ihrer Brust. »Ich bin ausgebildeter CSI«, erwiderte sie.
»Trotzdem, im Eifer des Gefechts .«
»Ich war vorsichtig«, versicherte sie ihm wahrheitsgetreu.
»Hat er irgendetwas gesagt?«
»Carver?«, fragte sie törichterweise.
»Ja, Carver. Hat er irgendetwas geäußert?«
»Ich hielt ihn für tot.« Mit Schrecken stellte sie fest, dass ein Lachen in ihrer Brust nach oben drängte. Krampfhaft umklammerte sie das Schlüsselbund in ihrer Tasche, so fest, dass die scharfen Kanten in ihre Handfläche schnitten.
»Das ist nicht die Antwort auf meine Frage.«
Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Sergeant Lake?«
Ruth schluckte das beschämende Bedürfnis zu lachen hinunter und schüttelte den Kopf. Stattdessen konzentrierte sie sich auf eine Stelle mit strahlend weißem Schnee, der das Licht der Einsatzfahrzeuge reflektierte, abwechselnd rot und blau. Im Geiste sah sie Carvers Augen vor sich, die sie fixierten, das Flackern des Blaulichts rief ihr das leichte Zucken seines Lids in Erinnerung, der Moment, als sie erkannt hatte, dass er immer noch atmete.
Sie fing an zu zittern.
»Sergeant«, zischte Wilshire und stellte sich so dicht vor sie, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Sie sah ihm ins Gesicht, und sofort hörte das Zittern auf.
»Hören Sie, der Rettungswagen wird jeden Moment losfahren. Begleiten Sie ihn, wenn Sie möchten - diese Medienclowns werden sonst nicht lockerlassen, ehe sie nicht einen Kommentar von Ihnen kriegen.« Nach und nach trafen noch weitere Vertreter der Presse ein - zu den örtlichen Journalisten gesellten sich landesweite Übertragungsteams von Fernsehsendern, die wegen der Berichterstattung im Fall Kara...
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