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Mein ganzes Leben ist mit Bällen verbunden. Soweit ich mich zurückerinnern kann, hatten Bälle für mich stets dieselbe magische Anziehungskraft. Ich weiß, dass das seltsam klingt, aber wartet mit eurem Urteil bis zum Ende der Geschichte. Ich frage mich, wie das gekommen ist und warum es so ist.
In unseren kleinen Ort, wo schon seit Ewigkeiten mit einem primitiven Woll- oder Filzball gespielt wurde, gelangte im Jahr 1960 ein echter, richtiger Fußball. Jemand namens Momir Pantic, ein ruhiger, friedlicher Mann, in nichts ungewöhnlich, Gastarbeiter in Deutschland, hatte ihn mitgebracht. Möge seine gute und arglose Seele in Frieden ruhen. In die Geschichte unseres Dorfes ist er als derjenige eingegangen, der den ersten richtigen Fußball mitgebracht hat. Man erzählt sich, dass die Jugendlichen mit dem neuen, echten Fußball einen ganzen Tag und eine ganze Nacht gespielt hätten. Ihre Mütter riefen nach ihnen, ihre Väter drohten ihnen nachdrücklich, aber alles war vergebens. Es ist in Erinnerung geblieben, dass ein wegen seiner Weisheit im Dorf bekannter Alter namens Zeko ein prophetisch wahres Wort gesprochen hat: »Ab heute wird nichts mehr so sein wie früher.«
Nur wenige Kinder hatten einen guten Ball. Wie das Schicksal es wollte, gehörte meistens gerade denjenigen einer, die ihn am wenigsten mochten. Und bei ihnen hat er auch am längsten gehalten. Wie oft habe ich mit einem Jungen verhandelt, uns seinen Ball zu geben! Ich habe ihn gebeten, angefleht, ihm alles versprochen. Er hatte kein Talent, aber er musste immer spielen, und nie stand er im Tor, obwohl wir ihn dort gerne gehabt hätten, oder am liebsten als Torpfosten. Es gab verschiedene Bälle, aus Gummi, aus Plastik, leichtere, schwerere, getupfte, die bei uns »Marienkäfer« hießen . Doch es war klar, was ein echter Fußball und was ein echter Basketball war. Wir spielten mit allen Bällen und unter allen Bedingungen, im Winter im Schnee, im Frühling im Schlamm, im Sommer auf dem Berg, und das zur Mittagszeit, bis zur völligen Erschöpfung.
Ich versuchte immer, auch einen Ball zu haben, bei jeder Gelegenheit. Wohin ich auch ging, trieb ich mit dem Fuß den Ball über den unebenen Weg, und den Basketball dribbelte ich fast bis zur Bewusstlosigkeit auf ebenen und unebenen Flächen. Wie viele verschiedene Bälle hatte ich in meinem Leben! Aufgeblasene, schlappe, pralle, harte. An alle kann ich mich erinnern. Ich erinnere mich an einen, der nur ein paar Minuten hielt, denn mit dem ersten Schuss traf ich eine scharfe Blechkante. Meine Mutter zerschnitt ihn mit einem Messer vor meinen Augen, die voll bitterer Tränen waren, in kleine Stücke. Aus pädagogischen Gründen. Ich kann mich an alle seine Farbtöne erinnern, aber er hat doch nur zwei Minuten gehalten. Von der endlosen Freude, die mir die Erkenntnis bereitet hat, dass meine Mutter einen Ball, und zwar für mich, gekauft hat, zur endlosen Trauer darüber, dass dieselbe Mutter diesem unglücklichen Ball den Garaus bereitet hat, weil ich nicht wie die anderen Kinder auf ihn aufpassen konnte. Und den einen, der uns den steilen Prislon-Abhang herunterrollte, haben wir nie mehr gefunden. Mein Bruder und ich suchten ihn tage- und wochenlang. Ein Nachbar, Dragan, dichtete gern allem eine Science-Fiction-Dimension an. So erzählte er uns von einem gewissen Koja, der im Sommer komme und eine Kamera mitbringe, die alles hier im Wald auf einmal aufnehmen könne. Wir haben lange vergebens auf Koja und seine Kamera gewartet, in der Hoffnung, so den verlorenen Ball wiederzufinden. Wie oft haben wir gedacht: »Ach, wenn wir jetzt unseren tollen Ball hätten!« Mit der Zeit wurde er immer großartiger und besser.
Jedenfalls haben wir uns beholfen, so gut es ging. Jede kurze Pause während der schweren Feldarbeit im Sommer nutzten wir, um den Ball zu schnappen und, wie erschöpft wir auch waren, damit zu spielen und uns noch mehr abzukämpfen, was mein Opa so kommentierte:
»Ihr habt doch den Feiertag und den Sonntag, um hinter dem Ball herzurennen, solange ihr wollt!«
Es half nichts, wir liefen ihm jeden Tag und zu jeder Stunde nach. Abends, todmüde, sogar nach der schwersten Arbeit, dem Mähen, rannten wir zur Kreuzung und spielten, bis wir nichts mehr sehen konnten. Und im Winter, wenn am Berg nicht viel gearbeitet wird, spielten wir im Schnee. Wir hatten unser festgestampftes Spielfeld, das manchmal zur Eisbahn wurde. Es half nichts, wir spielten. Aber uns hielt man für Muttersöhnchen: Unsere Väter haben die ganze Nacht unter einer riesigen Leuchte, die sie aus der Eisengießerei besorgt hatten, im Schnee gespielt, vor der Lesehalle, d.h. vor dem Kulturhaus, in dem es, nebenbei gesagt, keine Bücher, sondern nur eine Tischtennisplatte, einen Plattenspieler und Musik gab. Das Spielergebnis konnte in der Morgendämmerung auch mal 289 zu 287 lauten.
Wir spielten auch Tischtennis bis zur Erschöpfung. Die Regel lautete: »Der Sieger bleibt am Tisch«. Auch da war es natürlich am wichtigsten, mit echten guten Bällen zu spielen. Diese Bälle sind leicht und verlangen Fingerspitzengefühl, und dabei muss man sie mit ganzer Kraft schlagen oder mit einem genauen Gefühl für den Ball und den Raum, der klein und begrenzt ist, abwehren. Wir spielten auch Basketball. Zuerst mit Halbgummibällen, die sich so sehr abnutzen konnten, dass sie glatt wie abgefahrene Autoreifen aussahen. Das Brett war aus Holz, die Körbe waren gut, aber immer ein bisschen schief. Beim Basketball begriffen wir alle, wie wichtig Ballgefühl ist. Und alle haben eingeschätzt, ob jemand Ballgefühl hat oder nicht, je nachdem, ob und wie er Punkte machte. Beim Basketball hat der Ball den Status von lebender Materie. Das ist natürlich auch bei anderen Ballsportarten so, aber beim Basketball wohl am meisten, weil wir ihn in der Hand halten und das Ziel sehr komplex ist. Auch jetzt läuft mir ein Schauder durch die Hände, wenn ich daran denke, wie ich einen Basketball in den Händen halte.
Ich hatte auch mit anderen Bällen zu tun. Volleybälle sind sehr schön, und man braucht für sie ein perfektes Gefühl; Wasserbälle lassen sich an Land nicht benutzen, sind aber im Wasser am besten geeignet. Und natürlich Tennisbälle, die alle gernhaben, die man in der Hand spüren kann und muss, und auch über den Schläger. Unlängst habe ich auch den Rugbyball liebgewonnen. Wir spielten Rugby, oder jedenfalls das, was wir dafür hielten. Ein großartiger Sport und eine große Freude am Ball, der, wie in allen Teamsportarten, im Mittelpunkt steht. Hier ist, wie auch anderswo, der Raum wichtig. Auch der Baseball ist interessant.
Wie dem auch sei: Ich verliere den Ball nicht gerne. Ich mag es auch nicht, wenn unser Team oder unser Spieler den Ball verliert. Das ist ein sehr trauriges Gefühl. Aber ich mag es, und ich glaube, alle mögen es, den Ball zu bekommen. Dann ist es so, als ob man ein anderer oder etwas anderes wird, ein Schöpfer. Ein Mensch, der endlich das Schicksal in seinen Händen (oder Füßen) hält. Wenn man den Ball verliert, ist es, als ob man die schöpferische Kraft verliert. Deswegen ist ein Spieler glücklich, wenn er den Ball hat, und unglücklich, wenn er ihn nicht hat. Das Gefühl ist unbeschreiblich. Tooor! Korb! Punkt! Guter Pass! Das alles ist nur Ergebnis einer erlebten Gemeinschaft mit dem Ball. Und die Gemeinschaft mit dem Ball schließt auch die Gemeinschaft mit anderen ein. Es ist nicht das Ende der Welt, aber es ist traurig, wenn man alleine spielt, auch mit einem Ball. Wenn ich nur zu erklären vermöchte, worüber ich rede! Aus dieser Erfahrung heraus glaube ich, dass der Mensch seinem Schöpfer auch darin am ähnlichsten ist, dass er selbst schaffen, kreieren kann. Daher bin ich überzeugt, dass der Mensch nicht nur, wie es bekannt ist, homo sapiens, sondern gleichzeitig auch homo ludens ist. Ich wage daran zu erinnern, dass der Schöpfer aller Dinge und aller Galaxien alle Welten in der Form einer Kugel, eines Balls erschaffen hat, wie einige Heilige gesagt haben. Und schließlich leben wir auf einem Ball, werden beerdigt in einem Ball. Schon der weise Salomon und später der Heilige Gregor von Nazianz sprachen davon, wie Gott bei der Erschaffung der Welt spielte. Aber sein Spiel ist vollkommenes Schaffen und Kreieren zum Zwecke des Lebens der Welt.
Es ist nicht schwer, den Ball zu lieben. Er erweckt Freude, vielleicht deswegen, weil das Spiel mit dieser unendlichen Form, die wir Ball nennen, uns die Existenz einer unendlichen Freude in der Ewigkeit zwischen allen Welten, die wunderbarerweise wie Bälle geformt sind, vorankündigt und aufzeigt. Vielleicht ist dieses Spiel mit dem Ball und das Spiel überhaupt die Ankündigung der unendlichen Vollkommenheit in der Freude des ewigen Lebens. Leider bekommen die Kinder heute statt eines Balles Spielsachen von Krieg und Tod. Eigentlich sind im Vergleich mit einem echten Ballspiel alle Spielsachen nur bunte Lüge. Als würde man damit das Lächeln aus ihren Gesichtern stehlen und sie aller Schaffensfreude berauben. Gebt eurem Kind einen Ball, dann bleibt genügend Zeit für alles andere, wenn das Kind es erst gelernt hat, sich am schönen Spiel zu erfreuen. Das kann sein Leben viel schöner machen, weil es als Erwachsener vielen traurigen Dingen begegnen wird. Dann wird die Erinnerung an die Momente des Spiels mit dem Ball und der Freuden, die daraus entstanden sind, kostbar sein.
Auch heute noch, als anscheinend reifer Mann, will ich immer, wenn ich einen Ball sehe, ihn nehmen, ihn berühren. Auf dem Markt bei uns in Trebinje spielen die Kinder oft Fußball. Wenn ich komme, schießen sie den Ball zu mir. Ich passe ihn aber zurück, damit sie es mir nicht übelnehmen. Ich versuche immer etwas auszuführen, einen Balltrick, manchmal gelingt es mir auch....
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