Schweitzer Fachinformationen
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»Peter Köster«, las Boateng zum wiederholten Male den Namen von der Ausweiskopie ab, die Marco Renz ihnen gegeben hatte, während sie zu der angegebenen Adresse in der Königstraße fuhren.
Das Wohnhaus wirkte ein wenig heruntergekommen, aber Peer vermutete, dass auch hier die Mieten mittlerweile ordentlich angezogen hatten, wie beinahe überall in der Stadt. Bezahlbarer Wohnraum war in Hamburg mehr als knapp, wie er durch die Suche seines Freundes nach einer größeren Wohnung wusste. Sören und seine Frau erwarteten Nachwuchs und hätten gerne ein Zimmer mehr, doch nun lag der Geburtstermin bereits in greifbarer Nähe, und eine neue Bleibe war noch nicht in Sicht. Zumal zunächst ein Einkommen wegfallen würde, was die Suche nicht einfacher machte.
Einmal war Peer zu einer Besichtigung mitgegangen. Unvorstellbar, was für eine Schlange aus Interessierten sich durch das schmale Treppenhaus bis zum vierten Stock formatiert hatte; und als er die heruntergekommene Wohnung gesehen hatte, war er mehr als empört über den exorbitanten Mietpreis gewesen. Nur gut, dass er nicht umziehen musste, hatte er gedacht.
»Hier ist es«, riss der Mitarbeiter ihn aus seinen Gedanken. Boatengs dunkelhäutiger Finger tippte auf das entsprechende Klingelschild, ehe er zu dem dazugehörigen Knopf wanderte.
»Ja bitte?«, ertönte eine sonore Stimme aus der Türsprechanlage.
Peer räusperte sich. »Kripo Hamburg. Herr Köster, wir kommen wegen des Koffers, den Sie vor zwei Tagen im Fundbüro in Altona abgegeben haben.«
»Ach so?«
»Ja, können wir bitte reinkommen?«
Es folgte eine längere Pause, in der in Nielsen bereits erste Zweifel aufkeimten, ob der Mann ihnen überhaupt öffnen würde. Doch dann war plötzlich das Summen des Türöffners zu hören, und Boateng drückte die schwere Eingangstür auf.
Im Flur war es mehr als schummrig. Der einst aufwendig verarbeitete Mosaiksteinfußboden war abgetreten und schmutzig. In der Luft lag eine Mischung aus altem Bratfett und Hundescheiße. Peer vermied es, das Treppengeländer anzufassen, während sie in den dritten Stock hinaufgingen.
Als Nielsen in Kösters Wohnung trat, verstand er dessen Zögern beim Öffnen der Tür. Im Flur stapelten sich Pappkartons dicht an dicht, zwischen denen sie sich hinter Köster her ins Wohnzimmer schlängelten. Aber auch dort schien jedes erdenklich freie Plätzchen mit Zeitschriften, Büchern, Kisten voll Krimskrams und anderem nutzlosen Zeug zugemüllt. Boateng blickte sich ratlos um, während Peer versuchte, sich auf den Grund ihres Besuchs zu fokussieren und den seltsamen Geruch, der ihnen aus dem Treppenhaus gefolgt zu sein schien, zu ignorieren.
»Ja, also, wir sind gekommen, um Sie nach diesem Koffer, den Sie abgegeben haben, zu befragen.«
»Das sagten Sie ja bereits.«
»Wo genau haben Sie den gefunden?«
»Wieso? Was war drin? Vielleicht Geld?« Kösters Augen begannen plötzlich zu leuchten. »Ach nee«, winkte er ab, »der war ja viel zu schwer. Aber vielleicht Goldbarren? Bekomme ich einen Finderlohn? Sind Sie deswegen hier?«
Peer beäugte den Mann, während er überlegte, was er antworten sollte. Hatte Peter Köster wirklich keinen Verdacht, warum sie hier waren? Oder tat er nur so ahnungslos? Dass die Kripo nicht kam, um ihm einen Finderlohn auszuhändigen, musste ihm doch klar sein, oder?
»Da war eine Leiche drin«, antwortete Michael Boateng vielleicht etwas unsensibel, dafür aber unmissverständlich an Peers Stelle. Augenblicklich verstummte Köster, und man konnte zusehen, wie das Blut sich aus seinen knöchernen Wangen verzog.
»Nun, wo haben Sie den Koffer gefunden?«
»Damit habe ich nichts zu tun!«, wehrte Köster ab. »Ich weiß nichts von einer Leiche.«
»Das sagt ja auch keiner«, versuchte Nielsen den Mann zu beruhigen. In diesem Zustand brachte der Finder ihnen gar nichts. »Aber woher Sie das Fundstück haben, wissen Sie doch, oder?«
Peter Köster schluckte. »Den habe ich auf meiner Tour in der Nähe vom Altonaer Balkon gefunden.«
»Altonaer Balkon?«, hakte Boateng nach. »Und wo genau?«
»Soll ich es Ihnen vielleicht zeigen?«
Peer nickte sofort. Er wollte diese stinkende Müllhalde so schnell wie möglich verlassen. Wie konnte man so nur leben? Er drehte sich um und bahnte sich zwischen dem Unrat seinen Weg zurück in den Hausflur. Eilig hechtete er mit großen Schritten die Treppen ins Erdgeschoss hinunter, bis er endlich wieder vor der Tür stand und tief durchatmete. Frischluft - wie gut das tat!
»Was haben wir denn da?« Neugierig beugte sich Dr. Choui über den Koffer auf der Bahre, die einer seiner Mitarbeiter gerade in den Sektionsraum geschoben hatte. »Torso einer männlichen Leiche. Wurde im zentralen Fundbüro entdeckt«, klärte Herr Holst seinen Chef auf.
»Uih«, entfuhr es dem Rechtsmediziner. »Na, das ist ja mal was.« Zwar bot sein Beruf ihm täglich neue aufregende Aspekte, aber eine zerstückelte Leiche gab es nicht so oft. »Da mache ich die Obduktion selbst. Ist Dr. Lutz da?« Der Sektionsassistent nickte. »Kommt gleich. Und jemand von der Staatsanwaltschaft ist auch auf dem Weg.«
»Na dann.« Dr. Choui ging hinüber zu einem der Schränke und nahm sich aus einer Schublade ein Paar Latexhandschuhe. Anschließend beugte er sich wieder über den Koffer.
»Der liegt da aber schon eine Weile drin«, stellte er fest, während sein Blick über die blasse Haut und die Einstiche im Brustbereich schweifte.
»Haben wir Informationen, wie lange der Koffer sich im Fundbüro befand?«
Herr Holst blätterte zwischen einigen Papierseiten auf einem Klemmbrett. »Hm, angeblich zwei Tage.«
»Angeblich? Ist das denn nicht genau erfasst?«, wunderte Dr. Choui sich.
»Nee.«
»Solch eine Schlamperei«, kommentierte der Rechtsmediziner diesen Umstand, drehte sich dann aber um, da er im Augenwinkel einen Schatten wahrgenommen hatte.
»Ah, Herr Kollege. Und die Staatsanwaltschaft ist auch da. Na, dann kann es ja losgehen.« Er drückte Dr. Lutz ein Diktiergerät in die Hand und bat dann Herrn Holst, den Torso vorsichtig aus dem Koffer zu heben und zu wiegen.
»Der Koffer geht in die KTU. Warten die oben?«, fragte Dr. Choui, und sowohl Dr. Lutz als auch der Staatsanwalt nickten.
Herr Holst schrieb das Gewicht von 31 Kilo an eine kleine Wandtafel, das Dr. Lutz sogleich fürs Protokoll in sein Aufnahmegerät diktierte. Anschließend legte der Sektionshelfer den Torso auf den Seziertisch. »Ich bringe den schnell hoch«, entgegnete er dann und verschwand gleich darauf mit dem bunten Schalenkoffer aus dem Raum.
Die anderen traten näher an den metallenen Tisch und inspizierten den Oberkörper, der an der Brust und im Schulterbereich dunkel behaart war.
»Schätze, der Mann ist vielleicht so zwischen 50 und 60 Jahre gewesen«, mutmaßte der Leiter des Rechtsmedizinischen Institutes, während Dr. Lutz den generellen Zustand aufnahm.
»Der Kopf des Mannes, den wir auf ca. 50 bis 60 Jahre schätzen, wurde am Übergangsbereich von Hals und Rumpf abgetrennt, die Arme auf Höhe der Schultergelenke. Die untere Abtrennlinie befindet sich circa in Nabelhöhe, unterhalb des Beckens, Beckenknochen fehlen vollständig.«
Dr. Choui drehte den Torso leicht und wies auf die Totenflecken, die sich nicht mehr wegdrücken ließen. Sein Kollege nahm auch diese Details auf Band auf.
»An den Fäulniszeichen kann man eine grünlich-gräuliche Verfärbung der Muskulatur an den Einstich- und Abtrennungslinien feststellen.«
Dr. Lutz stellte das Gerät ab. »Was meinen Sie, Todeszeitpunkt vor circa vier bis fünf Tagen?«
Dr. Choui, der kein Freund voreiliger Schlüsse war, zuckte leicht mit den Schultern. »Könnte sein, ist aber eine sehr vage Vermutung. Lassen Sie uns erst weitermachen, bevor wir uns festlegen.«
Peer war froh, dass der Weg bis zur Fundstelle des Koffers nicht allzu weit war. Köster hatte den Gestank aus seiner Wohnung mit in Peers Dienstwagen gebracht. Da brauchte es wahrscheinlich mindestens drei Wunderbäume, um den Geruch aus dem Auto zu vertreiben, geschweige denn, dass Nielsens Riechorgan diese Stinkmorchel auf seinem Rücksitz länger hätte ertragen können. Unvorschriftsmäßig parkte er daher einfach auf dem Bürgersteig und stieg aus.
»So, und wo genau stand der Koffer nun?«, fragte er Köster, nachdem er etliche Male tief ein- und ausgeatmet hatte.
»Da drüben«, wies Köster mit ausgestrecktem Arm in Richtung Elbhang und stiefelte augenblicklich los. Peer und Boateng folgten ihm bis zu einem Geländer, an dem Köster stehen blieb.
»Da im Gebüsch hat der gelegen!«
»Da?« Michael deutete auf die Böschung, und Köster nickte.
»Was hatten Sie da denn zu suchen?«, wunderte Peer sich. Er musste zugeben, dass die Stelle eigentlich ein perfektes Versteck für eine Kofferleiche war, denn am Elbhang kreuchten wohl kaum irgendwelche Leute herum. Doch ähnlich wie wohl auch derjenige, der den Koffer an dieser Stelle entsorgt hatte, irrte er.
»Na, die Leute schmeißen oft Pfandflaschen den Hang hinunter. Wenn die hier oben abends sitzen und ein Bier trinken - zack, die Flasche ins Gebüsch. Dabei ist das bares Geld. Und Umweltverschmutzung ist es auch noch«, empörte Köster sich.
Unweigerlich musste Peer an die völlig vermüllte Wohnung denken und schmunzeln.
»So gut, und da unten hat er gelegen?« Peer stemmte sich auf das Geländer und schwang sein rechtes Bein hinüber. »Was ist?«,...
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