Schweitzer Fachinformationen
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»Und ihr habt keine Ahnung, woher diese Leichen kommen?« Gerhard Fritsche, Peers Chef, blickte ihn mehr als erstaunt an.
Nielsen war direkt vom Einsatzort ins Präsidium gefahren und hatte eine Besprechung, die er für 9 Uhr ansetzte, vorbereitet. Nun saß das gesamte Team inklusive seinem Vorgesetzten in großer Runde zusammen und alle schauten ziemlich ratlos aus der Wäsche. Solch einen Fall hatte es in Hamburg noch nicht gegeben - jedenfalls nicht, soweit sich die Anwesenden erinnern konnten.
Peer schüttelte den Kopf. »Dafür haben wir die Adresse der Zeugin. Du, Boateng«, nickte er seinem Mitarbeiter zu, »fährst gleich nachher zu ihr und befragst sie noch einmal. Nimm Jens mit«, bestimmte er.
»Und was ist mit dem Wagen?«, fragte Fritsche.
»Ist bei der Spusi.«
»Das meine ich nicht.«
Peer wusste ganz genau, worauf sein Chef hinauswollte. Schließlich war er schon einige Jahre Leiter einer Mordbereitschaft. Doch den Kleinunternehmer aus Altona wollte er selbst unter die Lupe nehmen. Vorher musste er allerdings in die Rechtsmedizin. Die Leichen vom Ring 3 hatten erste Priorität, daher war die Untersuchung gleich heute Vormittag angesetzt.
»Also, Lutz, du verfasst noch einen Zeugenaufruf für die Presseabteilung und Carsten, du gehst bitte mal die Vermisstenmeldungen der letzten Monate durch. Vielleicht finden wir da einen Ansatzpunkt«, verteilte er weitere Aufgaben an sein Team und überging dadurch die Frage seines Vorgesetzten. »Also, an die Arbeit!«
»Mann, wie viele kommen denn noch?«, wunderte sich Dr. Choui, der gerade wichtige Dokumente zur Abholung durch einen Kurier am Empfang des Rechtsmedizinischen Institutes abgab. Natürlich war er über den Unfall auf dem Ring 3 informiert, trotzdem erstaunte ihn die Anzahl der Toten, die am Seiteneingang des Instituts zur Untersuchung angeliefert wurden. Da kam eine Menge Arbeit auf ihn und seine Mitarbeiter zu. Die Lehrveranstaltung am Nachmittag würde er wohl absagen müssen. Er informierte rasch seine Sekretärin und ging anschließend gleich hinunter in den Keller. Zunächst wollte er sich einmal einen Überblick verschaffen, ehe er die Arbeit aufteilte.
»So, das ist die Letzte«, verkündete der Bestattungsunternehmer und ließ sich den Empfang der sechs Leichen von Dr. Choui quittieren. »Das muss ja ein heftiger Unfall gewesen sein, bei so vielen Toten.«
Der Mann im dunklen Anzug nickte. »Schon, aber fünf waren ja schon tot.«
»Waren schon tot?« Der Rechtsmediziner reichte dem Bestattungsunternehmer mit verwirrter Miene die unterschriebenen Papiere zurück.
Der nickte. »Lagen hinten auf der Ladefläche des verunfallten Transporters.«
Das roch nach einem spektakulären Fall und Dr. Choui liebte solche Fälle. Sofort machte er sich daran, den ersten Leichensack zu öffnen. Langsam legte er den bleichen Körper frei. »Nanu«, entfuhr es ihm, »den kenne ich!«
Peer hatte nur noch seine Jacke und die Autoschlüssel aus seinem Büro geholt und war schnell aus dem Polizeipräsidium verschwunden. Im Grunde genommen hatte er es nicht eilig, in die Rechtsmedizin zu kommen, aber der Sinn stand ihm an diesem Morgen auch nicht nach weiteren Fragen seines Chefs. Der meinte es wahrscheinlich nur gut und grundsätzlich pflegten die beiden ein sehr freundschaftliches Verhältnis, schließlich hatte Gerhard Fritsche sich stets für Peer eingesetzt und seine Karriere vorangetrieben. In letzter Zeit jedoch empfand Nielsen die beinahe väterliche Fürsorge ein wenig lästig und er ging seinem Chef daher so weit wie möglich aus dem Weg.
Er lenkte den Wagen durch den dichten Verkehr Richtung Eppendorf. In einer Seitenstraße, in der es wie in einer gewöhnlichen ruhigen Wohngegend aussah, befand sich das Rechtsmedizinische Institut.
»Moin!«, grüßte er flüchtig die Dame am Empfang, die ihm die Tür geöffnet hatte und mitteilte, dass Dr. Choui sich bereits im Keller befand.
Peer schluckte. Nicht mal eine kleine Gnadenfrist war ihm vergönnt. Er öffnete die Tür zum Untergeschoss und versuchte, das beklemmende Gefühl, das ihm jedes Mal, wenn er diese Stufen hinabstieg, beinahe den Atem nahm, zu ignorieren.
Er hatte die Leichen doch bereits am Unfallort gesehen, versuchte er sich zu beruhigen. Außerdem war das nicht seine erste Obduktion. Schon des Öfteren war Peer bei einer Leichenöffnung dabei gewesen. Trotzdem würde er sich nie daran gewöhnen und das spürte er auch heute, als er sich mit flatterigen Fingern einen der grünen Kittel zuband.
Bereits hier in dem kleinen Raum neben dem Zutritt zum Obduktionsbereich hörte er, dass in dem Institut Hochbetrieb herrschte. Stimmen hallten durch die gekachelten Kellerräume. Das scheppernde Rattern der Bahren drang an sein Ohr. Langsam griff er nach ein paar Schutzüberziehern für seine Schuhe, streifte sie über und holte ein letztes Mal tief Luft, ehe er um die Ecke bog. Die Plastikschoner raschelten unter seinen Sohlen, während er den Gang hinunter in Richtung der Kühlfächer ging. Direkt davor lag der Raum, in dem die Leichen angeliefert wurden und in dem Dr. Choui gerade eine erste äußere Leichenschau an dem Mann mit der Schussverletzung durchführte. Als der Rechtsmediziner ihn sah, hielt er kurz inne.
»Guten Tag, Kommissar Nielsen! Na, da haben Sie mir ja reichlich Arbeit beschert.«
Peer schluckte, konnte seinen Blick aber nicht von dem inzwischen beinahe komplett erstarrten Körper wenden. »Können Sie denn schon etwas sagen?«, fragte er, obwohl er wusste, dass sich Dr. Choui meist sehr bedeckt hielt, ehe die Untersuchungen nicht vollständig abgeschlossen waren.
»Ja.«
»Ja?« Peer glaubte, sich verhört zu haben, und schaffte es endlich, sich vom Anblick der Leiche zu lösen.
Der Mediziner nickte. »Einer von denen war schon mal hier.«
»Hören Sie, Ihr Vater ist ein erwachsener Mann. Wenn er nicht suizidgefährdet ist oder sonst ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, können wir nicht einfach nach ihm suchen.« Kommissar Franke schaute die junge Frau am Empfang des PK25 in Bahrenfeld eindringlich an. Er verstand ja, dass sie sich Sorgen um ihren Vater machte, weil er sich zwei Tage lang nicht bei ihr gemeldet hatte, aber er hatte bei Weitem nicht genügend Personal, um nach jedem zu suchen, der für ein paar Tage mal von der Bildfläche verschwand.
»Aber zu Hause ist er auch nicht.« Die Tochter sah ihn aus tränenfeuchten Augen an. Sie war eine attraktive Frau, sah sehr gepflegt aus und machte auf ihn einen intelligenten Eindruck. Keiner dieser Fälle, bei denen sich Leute aufgrund ihres Alkoholpegels in die Haare bekamen, gegenseitig aufeinander losgingen und dann, wenn einer die Flucht ergriffen hatte, hier aufschlugen, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben. »Vielleicht besucht er jemanden?« Franke konnte sich Hunderte von Gründen vorstellen, warum jemand nicht zu Hause war. »Oder er ist verreist?«
Die Rothaarige schüttelte ihren Lockenkopf. »Doch nicht, ohne mir Bescheid zu geben. Und auf der Arbeit hat er sich auch nicht gemeldet.«
Franke musste zugeben, dass der Fall seltsam klang, dennoch konnte er der Frau nicht helfen. »Haben Sie denn die Freunde Ihres Vaters schon alle angerufen? Vielleicht weiß da jemand was? Oder Sie versuchen es mal in den Krankenhäusern.« Er wusste selbst, wie wenig beruhigend das klang, aber als erwachsener Mann war man seiner Tochter gegenüber ja keine Rechenschaft schuldig. Möglich, er hatte eine Frau kennengelernt?
»Mein Vater«, begann die Rothaarige, doch dann schüttelte sie den Kopf. Scheinbar sah sie ein, dass man ihr hier nicht helfen konnte. Sie klemmte ihre Handtasche unter den Arm, steckte das Foto in ihre Manteltasche und drehte sich ohne ein weiteres Wort um. Franke beobachtete jeden ihrer Schritte, bei welchen die Schuhe laut auf dem Boden klackten.
»Mannomann, was die immer für Vorstellungen haben«, drang die Stimme von Frankes Kollege aus dem Hinterzimmer. »Erst neulich war hier eine ältere Frau, deren Hund im Volkspark abgehauen war. Richtig beschimpft hat die mich, als ich ihr gesagt habe, dass wir dafür nicht zuständig sind. Wofür sie überhaupt Steuern zahle«, der Polizist schüttelte den Kopf
»Naja, ein Hund ist ja nun auch ein bisschen was anderes als ein Vater.« Franke konnte die attraktive Rothaarige schon verstehen. Nur sein Kollege sah das anders.
»Ach wat. Der sitzt wahrscheinlich in irgendeiner Kaschemme und säuft sich die Hucke voll.«
»Waaaas?«
Peer war mehr als erstaunt. Damit hatte er nicht im Geringsten gerechnet. »Wirklich?«, versicherte er sich vorsichtshalber noch mal, doch Dr. Choui erklärte erneut, einen der Toten schon einmal auf dem Tisch gehabt zu haben. »Das war ein Gewebespender. Sieht man gleich an den Schnitten. Muss nur in den Akten nachschauen, wie er hieß.«
»Gewebespender?« Peer hatte zwar schon gehört, dass man heutzutage neben den Organen auch andere Teile des menschlichen Körpers entnahm, aber in Berührung war er mit dieser Thematik noch nicht näher gekommen. »Hier?« Er blickte...
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