Schweitzer Fachinformationen
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Peer hatte vor dem Gebäude der Rechtsmedizin geparkt, das auch am Wochenende besetzt war, und lief zum Eingang hinüber. Er holte tief Luft, ehe er die Eingangstür, die von innen durch einen Türsummer bedient wurde, aufstieß. Viel helfen wird das Luftschnappen nicht, fuhr es ihm durch den Kopf, aber schaden kann es auch nicht.
Er war spät dran, das wurde ihm klar, als die Empfangsdame ihm mitteilte, dass man ihn im Keller erwarte. Peer nickte lediglich und stieß die Tür zum Untergeschoss auf. Augenblicklich lief ihm wie bei jedem seiner Besuche in dem Rechtsmedizinischen Institut ein Schauer über den Rücken. Er würde sich nie daran gewöhnen, derart geballt und in dieser Art mit dem Tod konfrontiert zu werden. Es war eine Sache, die Leichen am Fundort zu sehen; bei einer Obduktion hier im Sektionssaal dabei zu sein, war etwas ganz anderes. Er konnte es nicht beschreiben, aber wohl war ihm nicht, als er sich den grünen Kittel überstreifte und nach ein paar Schutzüberziehern für seine ruinierten Sneakers griff.
Auf raschelnden Sohlen näherte er sich dem Bereich, in dem die Leichen untersucht wurden, und traf auf dem Weg dorthin einen Sektionshelfer, der eine Bahre zu den Kühlfächern schob, auf der die Leiche eines Kindes lag. Peer schluckte. Es war das tote Mädchen aus dem Fall seines Kollegen, der in Hamburg gerade hohe Wellen schlug, da das Kind von seinen Eltern trotz Betreuung vom Jugendamt zu Tode misshandelt worden war. Schnell bog er in den Sektionssaal ab, in dem Harry Neumanns Leichnam bereits auf dem Tisch lag.
»Dann können wir ja«, bemerkte Dr. Choui, der Leiter des Instituts, nachdem er Nielsen kurz zugenickt hatte. Irgendwie schien der Rechtsmediziner nicht ganz bei der Sache zu sein, war Peers erster Eindruck, nachdem er sich einen Platz gesucht hatte, von wo aus er die Obduktion gut im Blick hatte, denn sonst war Dr. Choui gesprächiger. Na ja, es ist Samstag, vielleicht hätte er auch lieber frei, dachte Peer. Doch die Toten nahmen nun mal keine Rücksicht auf Wochenende oder Feiertage, und da momentan mehrere prekäre Fälle zusammengefallen waren, musste der Leiter persönlich mit ran.
Heute war im Sektionsraum beinahe nur die Stimme von Dr. Lutz zu hören, der die Ergebnisse der äußeren Leichenschau in ein Diktiergerät sprach. »Männliche Leiche, 67 Jahre alt, 84 Kilo, 1,72 Meter groß. Der Leichnam ist bis auf eine Wunde oberhalb der Hutkrempe, die einen Schlag und somit eine Fremdeinwirkung vermuten lässt, unversehrt.«
Die Hutkrempenregel, schoss es Peer durch den Kopf. Eine Verletzung oberhalb der gedachten Hutkrempe deutete auf Schläge, unterhalb dieser Linie auf Stürze hin. Wobei es natürlich Ausnahmen gab, denn Tritte oder Stürze auf unebenen Flächen konnten das Verletzungsmuster durchbrechen.
Aber bei Harry Neumann untermauerte eine elf Zentimeter lange Fleischwunde den Verdacht der Fremdeinwirkung durch stumpfe Gewalt, wobei die Tatwaffe eine scharfe Kante besessen haben könnte, erklärte nun Dr. Choui.
»Meinen Sie, da hat jemand mit einem Beil .?« Nielsen hatte natürlich von solchen Fällen gehört, aber allein die Vorstellung gruselte ihn.
»Dafür ist die Wunde nicht tief genug; daher tendiere ich eben auch zur stumpfen anstatt zur halbscharfen Gewalteinwirkung. Eine Axt hätte direkt den Knochen gespalten, der scheint aber unverletzt«, beantwortete Dr. Choui seine Frage. »Ich tippe eher auf einen Spaten oder eine Schaufel.«
Da war auf der Baustelle sicher ranzukommen, überlegte Peer, und sofort kam ihm sein Anfangsverdacht in den Sinn, es könne sich um einen Unfall oder einen Mord im Affekt handeln. Vielleicht hatte Neumann unerlaubt die Baustelle betreten, und es war zum Streit gekommen? Hatte Stephan Braun rotgesehen, eine Schaufel genommen und einfach zugeschlagen? Zuzutrauen wäre es dem Bauleiter. So wie der sich am Morgen aufgeführt hatte.
»Herr Nielsen?«
Peer blickte den Mediziner an. »Äh, bitte?«
»Haben Sie denn solch einen Gegenstand gefunden?«
»Nein, am Fundort der Leiche haben die Kollegen nichts gefunden, was als Tatwaffe hätte dienen können, soweit ich weiß.«
»Na, gucken wir mal weiter«, sagte Choui und drehte den Toten mit der Hilfe des Sektionshelfers um.
»Hm«, entfuhr es ihm anschließend, als er die dunklen Flecken auf dem Rücken begutachtete. »Die Leiche scheint nach dem Tod bewegt worden zu sein.«
»Was?«, entfuhr es Peer.
»Ja, ich sehe hier einige Blutungen, sogenannte Vibices, allerdings außerhalb der Totenflecken. Das deutet auf eine postmortale Lageänderung hin. Und wenn ich mir das genauer anschaue .« Der Rechtsmediziner beugte sich noch ein Stück tiefer über den Leichnam. ». dann ist der Täter nicht gerade sanft mit dem Toten umgegangen. Sieht aus, als habe er ihn transportiert.«
»Dann stimmt die Vermutung des Kollegen, dass der Fundort nicht der Tatort ist?«, erkundigte Nielsen sich.
»Wahrscheinlich nicht. Und wenn man sich das Muster der Totenfleckblutungen anschaut, dann würde ich fast vermuten, die Leiche wurde in einer Schubkarre oder einem ähnlichen Gefährt herumgefahren.«
»Das passt«, kommentierte Peer Dr. Chouis Aussage und erzählte von den frischen Reifenspuren, die die Spusi gesichert hatte.
Dr. Lutz diktierte diese Ergebnisse für den Bericht, während Dr. Choui den Toten erneut zusammen mit dem Sektionshelfer wendete und anschließend zum Skalpell griff.
Das war der Moment, in dem sich Peer wünschte, er könne sich wegbeamen. Oder nur äußerlich anwesend sein und mit den Gedanken ganz tief abtauchen in ein Meer voller traumhafter Bilder. Eine Blumenwiese, ein Strand - irgendetwas, das schöner war als der Anblick der geöffneten Leiche, den er schwer ertragen konnte. Und dann der Geruch.
Während Dr. Choui die Organe entnahm, untersuchte und dem Helfer gab, der sie wog und das Gewicht an einer Tafel notierte, überlegte Peer, wo sich der Tatort befinden könnte. Natürlich war es immer noch möglich, dass Harry Neumann auf der Baustelle ermordet und dann lediglich auf dem Gelände bewegt worden war. Schubkarren gab es dort bestimmt, obwohl sich Nielsen nicht konkret daran erinnern konnte, derartiges Gerät gesehen zu haben. Aber welchen Grund sollte der Täter gehabt haben, den Toten innerhalb des Areals zu verlagern? Ergab es da nicht mehr Sinn, den Tatort woanders zu vermuten? Beispielsweise in der Gartenkolonie. Immerhin war Harry Neumann dort Pächter einer Parzelle gewesen.
Das Geräusch der oszillierenden Säge riss ihn aus seinen Grübeleien. Herr Holst, der Sektionsassistent, setzte zur Schädelöffnung an.
Peer schluckte und unterdrückte den Reflex, sich die Ohren zuzuhalten. Mit starrem Blick verfolgte er, wie die Schädeldecke abgenommen wurde und Dr. Choui nach einem prüfenden Blick das Hirn entnahm.
»Ja, wie vermutet. Der Schlag war tödlich. Hat zu Blutungen geführt. Kein schöner Tod, da kann man nur hoffen, dass er frühzeitig das Bewusstsein verloren hat.«
»Und falls nicht?«, entfuhr es Peer.
»Na ja, die Blutungen haben zu einem erhöhten Druck geführt, und da sich der Schädel nun einmal nicht ausbreiten kann, kommt es zu neurologischen Ausfällen und zu Bewusstseinsstörungen.«
»Und wann ist der Tod eingetreten?«
»Schwer zu sagen.« Der Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts blickte zu Dr. Lutz. »Ich denke aber, der Todeszeitpunkt liegt noch nicht allzu lange zurück. Vielleicht gestern Abend - also vor gut 14 bis 16 Stunden.«
Der Kollege nickte und sprach diese Information sogleich in sein Diktiergerät.
»Ansonsten war der Mann gut in Schuss. Bis auf seine Leber, aber die hätte noch ein wenig durchgehalten.«
»Heißt das, er war Alkoholiker?«
»Er hat auf jeden Fall gerne Alkohol getrunken.«
»Dann könnte er vielleicht auch einfach nur betrunken gestürzt und unglücklich aufgeschlagen sein?«
Dr. Choui stemmte die Hände in die Hüften. »Na, das müsste schon ein ziemlich exakter Sturz gewesen sein, denn ein Stein etwa hätte diese Verletzungen nicht hervorgerufen. Und angeblich haben Sie doch keine Schaufel oder ähnliches Gerät gefunden. Dann muss es wohl jemand weggeräumt haben, oder?«
»Also Fremdeinwirkung?«
»Definitiv.«
Boateng war nach dem Besuch bei den Neumanns zu den Kollegen auf die Baustelle gefahren. Carsten Hinrichs und Jens Schnitter hatten bereits einige der Bauarbeiter befragt, die alle vor dem Container, in dem sich das Büro des Bauleiters befand, darauf warteten, dass sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten. Stephan Braun hatte die Leute nach der jeweiligen Befragung nicht nach Hause geschickt, obwohl Peer angekündigt hatte, dass die Baustelle nicht so schnell freigegeben werden würde. Der Bauleiter schien unter enormem Druck zu stehen, dachte Michael, als er an die Containertür klopfte und eintrat. Ein Schwall warmer, abgestandener Luft schlug ihm entgegen; es roch nach Kaffee, Schweiß und matschiger Erde. Seine Kollegen saßen an einem Tisch, vor dem sich Stephan Braun aufgebaut hatte.
»Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, wie viel Geld hier gerade zum Fenster rausgeblasen wird?«
Michael konnte an den Gesichtern der Angesprochenen ablesen, wie lange diese Diskussion bereits lief.
Er räusperte sich laut. »Also entschuldigen Sie mal, aber auf Ihrer Baustelle wurde vor wenigen Stunden eine Leiche entdeckt, und wie es bis jetzt aussieht, wurde der Mann...
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